Sonntag, 5. Dezember 2010

Das Phantom der Verschleppungsabsicht

Im Beck Blog berichtet Herr Amtsrichter Krumm hier über angebliche Prozessverschleppung durch Beweisanträge der Verteidigung. Der Beitrag hat bei mir einige Verwunderung ausgelöst.

Dort heißt es einleitend, aKursivls wäre das eine SelbstverständliKursivchkeit:

"Beweisanträge zur Prozessverschleppung" würden "schon mal gerne gestellt".

Eine Unterstellung, mit der ich leben kann, weil ihre Falschheit offenkundig sein dürfte.

Ich kann für mich auschließen, schon jemals einen Beweisantrag in dieser Absicht gestellt zu haben. Und mir ist auch kein Fall von Kollegen bekannt, in dem mit einem Beweisantrag das Ziel der Prozessverschleppung verfolgt worden wäre. Weil eine Verlängerung der mündlichen Hauptverhandlung dem Angeklagten in der Regel am allerwenigsten nützt. Das Phantom der Prozessverschleppung wird nach meiner Erfahrung stattdessen eher von Richtern bemüht, die keine Lust auf Sachaufklärung haben, sondern lieber gleich verurteilen möchten.

Was mich dann aber vollends verwundert, ist, dass Richter Krumm als Beleg für seine Behauptung auch noch eine Entscheidung des BGH zitiert, in dem gerade keine Prozessverschleppung vorgelegen habe. Dort hat der BGH nämlich wieder einmal entschieden, dass nicht etwa "Prozessverschleppung" nahe liege, sondern eben Sachaufklärung Triebfeder des Antrags gewesen sein dürfte und hat die Ablehnung des Antrags dementsprechend als rechtsfehlerhaft beurteilt. Insbesondere auch deshalb, weil das Tatgericht die Prozessverschleppung lediglich unterstellt und jegliche Darlegungen zum Erfordernis der Sachaufklärung unterlassen habe.

Was bei derlei Ablehnungen leider die Regel sein dürfte.

3 Kommentare:

  1. Natürlich sind Beweisanträge mit prozessverzögernder Wirkung ein Pfund, mit dem man bei Absprachen zur Strafhöhe wuchern kann.

    Und auch der Anwalt hat etwas davon, schließlich bekommt er den zusätzlichen Hauptverhandlungstag ja bezahlt.

    Spielt bei Ihnen natürlich alles keine Rolle, nee, is klar ....

    AntwortenLöschen
  2. Manche Anwälte stellen ihre Beweisanträge aber nacheinander damit das Gericht diese nicht alle auf einmal ablehnen kann sondern bei jedem Beweisantrag die Sitzung unterbrechen muss um sich mit diesem Beweisantrag intensiv zu beschäftigen.

    AntwortenLöschen
  3. Na ja, der BGH hat ja nicht die Absicht der Prozessverschleppung verneint, sondern neben dieser Absicht noch eine erforderliche Sachaufklärung bejaht...oder verstehe ich die Entscheidung falsch?

    AntwortenLöschen