Dienstag, 10. März 2015

Halali auf den Täter


Manchmal fahre ich mit Bussen der ehemaligen Pinneberger Verkehrsgesellschaft (PVG), die auch das Hamburg-nahe Schleswig Holstein bedienen. An den Scheiben dieser Busse gibt es regelmäßig eine Werbung, die mich immer wieder ärgert. Dort wirbt nämlich der "Weiße Ring" mit dem Slogan: "Wenn alle den Täter jagen, wer bleibt dann beim Opfer?".

An dieser Werbung stören mich zwei Dinge:

  1. Das Wort "jagen". Jagd macht man auf Tiere, und auch diese Form der Jagd finde ich abstoßend. Aber das ist Geschmackssache. Den Terminus "Jagd" aber in Bezug auf Menschen zu gebrauchen, ist schlichtweg geschmacklos und menschenverachtend. Die Assoziation, die mit dieser Wortwahl einhergeht, ist verheerend. 
  2. Die zweite Störquelle ist etwas komplexer; es ist die unreflektierte Benutzung der Worte "Täter" und "Opfer". Ich halte die Unterscheidung in "Täter" und "Opfer" im realen Leben schon für eher unglücklich, sind doch die meisten Menschen Täter und Opfer in einem. Es gibt niemanden, der ausschließlich tut, und niemanden, der ausschließlich erleidet. Einen Menschen als "Täter" zu bezeichnen, kommt in die Nähe der vom Nationalsozialismus gefeierten Typenlehre, deren Grundgedanke sich im Strafgesetzbuch noch immer beim Mordparagraphen findet.
Dagegen mag man einwenden, dass sich die Unterscheidung in Täter und Opfer immer auf eine bestimmte Straftat bezieht. Im eingangs zitierten Slogan schwingt dies allenfalls konnotativ mit; man stellt sich vielleicht eine am Boden liegende Frau und einen mit ihrer Handtasche davon laufenden Mann vor. Da sehen Sie mal, welche Stereotype aktiviert werden, wenn man seine eigentliche Aussage der Assoziation des Lesers überlässt.

Das trägt nicht unbedingt zum friedvollen Zusammenleben der Menschen bei, sondern zementiert eine vorgeprägte Unterscheidung in böse Menschen und gute Menschen. Die bösen Menschen klauen Handtaschen und verüben noch schlimmere Taten, die guten Menschen erdulden schlimme Straftaten und müssen vom Weißen Ring betreut werden.

Schließlich wird der Begriff des "Opfers" dann in den Strafprozess hineingetragen, und dort richtet er die schlimmsten Schäden an. Zwei sehr schöne Artikel zu diesem Thema finden sich bei der "strafakte", hier und hier. Der Strafprozess dient dem Zweck herauszufinden, ob es überhaupt ein Opfer gibt. Wer in Bezug auf eine Straftat vor einem rechtskräftigen Urteil mit diesem Wort hantiert, untergräbt letztlich den demokratischen Rechtsstaat.

Das sollte sich der Weiße Ring e.V. ("Wir helfen Kriminalitätsopfern") mal durch die Köpfe gehen lassen. Gleiches gilt für die mittlerweile zahlreichen Rechtsanwälte, die sich als "Opferanwälte" bezeichnen oder gar damit werben. 









1 Kommentar:

  1. Nun, wie soll ich sagen, Werbung auf Plakaten ist eben oft plakativ. Irgendwie muss man das jetzt auch sehen, nicht, und, wir wollen ja, ich meine, wir ja sind ja alle guten Willens und der Texter hat sich sicher auch Mühe gegeben, und er hat ja auch ein inneres Kind, wo man berücksichtigen muss, nicht, und übrigens ein sehr schönes Blog hier ... aus handgestrickten Stylesheet? ... ah ja schön, hab ich mir gedacht und die ... ja genau die Elektronen sind aus ökologisch-biodynamischen Anbau, hab ich mir auch gedacht. Jedenfalls hey! peace man und so weiter, irgendwie. Aber gut zu wissen, dass der Blogbetreiber auch Sozialpädagogik und Pastoraltheologie studiert hat. Mit heißem Bemühen, sicherlich.

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