Donnerstag, 5. März 2015

Vertrauen Sie der Justiz!


Vertrauen Sie der Justiz?  Das sollten Sie unbedingt tun, denn ohne Ihr Vertrauen würde die Justiz ihre einzige Legitimation verlieren. Danach wäre der Rechtsstaat am Ende und die Gesellschaft würde sich wieder auf den Urzustand zubewegen, von dem Thomas Hobbes sagte, dort wäre "der Mensch dem Menschen ein Wolf" (homo homini lupus). Lassen Sie es nicht soweit kommen. Denn sonst würden Sie gebissen.

Was aber ist mit der Justiz? Die muss dieses Vertrauen nicht verdienen, denn es ist die Voraussetzung des Rechtsstaates. Aber sie muss es rechtfertigen, indem Sie dem Rechtssuchenden - und auch dem gegen seinen Willen vor Gericht gerufenen - ein Verfahren anbietet und die Einhaltung der festgeschriebenen Verfahrensregeln überwacht. "Legitimiation durch Verfahren" hieß das bei Niklas Luhmann und dem ist auch heute nicht viel hinzuzufügen.

Dass die Justiz dabei Fehler macht, ist dabei zwingend, denn Staatsanwälte und Richter sind auch nur Menschen. Fehler sind daher entgegen der etwas idealisierten Sichtweise der FR nicht hauptsächlich für den Ansehensverlust der Justiz verantwortlich. Einzelne Fehler mögen den einzelnen Betroffenen desillusionieren, aber die Masse nimmt sie für die Vielzahl richtiger Entscheidungen in Kauf. Auch einige Extremisten, die bei jeder Gelegenheit krähen, kann der Rechtsstaat verkraften.

Was dem Vertrauen in den Rechtsstaat aber auf Dauer den Garaus macht, ist, wenn der Rechtsstaat sich selbst an seine eigenen gesetzten Regeln nicht hält oder seine Fehler vertuscht. Wenn Staatsanwälte, statt zuzugeben, dass sie sich geirrt haben, Verteidigern den Gruß verweigern; wenn Richter, weil sie das Ergebnis eines korrekten Prozesses aus persönlichen Gründen nicht ertragen, anfangen, Recht zu verdrehen, zu dehnen und schließlich zu brechen. Wenn Rechte des Beschuldigten verkürzt werden unter dem Vorwand, eine Bestrafung könnte den Rechtsfrieden wieder herstellen, selbst wenn das Verfahren rechtsstaatswidrig war.

Eine Justiz, die ihre Fehler nicht einsieht und korrigiert, verliert jedes Vertrauen und damit ihre Legitimation.





6 Kommentare:

  1. " wenn Richter, weil sie das Ergebnis eines korrekten Prozesses aus persönlichen Gründen nicht ertragen, anfangen, Recht zu verdrehen, zu dehnen und schließlich zu brechen"

    Volle Zustimmung! Aber haben Sie ein Beispiel?

    "Wenn Rechte des Beschuldigten verkürzt werden unter dem Vorwand, eine Bestrafung könnte den Rechtsfrieden wieder herstellen, selbst wenn das Verfahren rechtsstaatswidrig war."

    Volle Zustimmung! Aber haben Sie ein Beispiel?

    "Wenn Staatsanwälte, statt zuzugeben, dass sie sich geirrt haben, Verteidigern den Gruß verweigern"

    Wer grüßt Sie nicht, Herr Nebgen?

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  2. Herr Nebgen,

    so sehr ich Ihren Ausführungen zum Ende hin zustimme, so sehr habe habe ich Probleme mit dem Anfang.

    Das Argument "Vertrauen Sie der Justiz, sonst geht der Rechtsstaat zugrunde" ist inhaltlich richtig, aber Ihre Punkte im zweiten Teil entkräften das bereits insofern, als der Rechtsstaat von alleine zugrunde geht, wenn er sich nicht an seine eigenen Regeln hält. Sie vergessen dabei, dass der Rechtsstaat als solcher - vor allem im Hobbes'schen Verständnis - nur so lange einer ist, während er auch von den Bürgern in der Mehrheit als solcher wahrgenommen wird.

    Wenn Sie also Fehler des Justizsystems - vor allem als Strafverteidiger - damit verteidigen, dass Sie schreiben, dass die Masse „Fehler“ durchaus als Preis einer Vielzahl richtiger Entscheidungen in Kauf nimmt, keimt bei mir der Eindruck, dass Sie etwas sehr wichtiges nicht verstanden haben: Ein Rechtsstaat, bei dem Fehler nicht zu einem Umdenken und Verbesserungen führt, ist de facto kein Rechtsstaat, sondern einer, der Willkür toleriert.

    Mich wundert es insbesondere deswegen, weil Sie als Strafverteidiger doch an die recht hohen Maßstäbe für den „dubio“, in dessen Fall zugunsten Angeklagter entschieden wird, gewohnt sein sollten. Es ist doch de facto weniger ein „in dubio pro reo“, sondern ein „in dubio pro cessatio“ mit Auflagen. Auch das ist für mich kein Rechtsstaat. Was soll das denn sein, wenn man vor die Wahl gestellt wird, entweder irgendeinen kleinen Obulus zu bezahlen oder sich dem faktisch bestehenden Risiko einer Willkür auszusetzen?

    Ich bin kein Anwalt, und ich habe weitestgehend positive Erfahrungen mit dem deutschen Rechtssystem, aber ich zweifle schon die Rechtsstaatlichkeit des Systems an, nur von meinen diesem Kontakt:

    Mein erster Kontakt mit der Justiz war ein Auffahrunfall, mein Schaden 1.100 Euro für die Stoßstange. Da denkt man schon nach, auch nur die 250 Euro Selbstbehalt der Rechtsschutz zu investieren, wenn man hört, dass die Schuld da meist geteilt wird – das bringt nun finanziell herzlich wenig, wenn man denn überhaupt positiv rauskommt, bei dank der Entfernungen horrenden Verfahrenskosten. Wollte ich aber, sonst könnte man sich die Versicherung ja auch sparen. Der Anwalt meinte nach der Verhandlung, das wäre das dümmste Verfahren gewesen, das er in 35 Jahren erlebt hatte, und in der Urteilsbegründung war von „offensichtlichen Unwahrheiten“ der Gegenseite bzgl. der ursprünglichen Einlassungen zu lesen.
    Gut für mich. Aber: Wäre es da nicht Aufgabe eines Rechtsstaates, so etwas zu sanktionieren, allein aus Eigeninteresse, also zur Wahrung des Rechtsstaates? Natürlich (?) nicht. Ich hab ja schließlich nur 3.000 Euro für meine 1.100 riskiert, und gewonnen, also was hab ich mich zu beschweren?

    Es ist kein Rechtsstaat, wenn eine Seite gegenüber der Justiz ein Risiko eingehen muss, während es die andere nicht muss. Das mach Recht sein, aber es geht den meisten Bürgern weniger um Recht, als um Gerechtigkeit, und ungerechtes Recht mag zwar Recht sein, aber das hilft halt niemandem.

    Sehen Sie das wirklich anders?

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  3. Nachtrag: Meine negative Erfahrung mit dem Rechtssystem decken sich sehr mit ihrem "Staatsanwälte, die nicht grüßen" - ich fasse das mal als "Wie, Sie wollen die [Stadt]-Versicherung verklagen? In Stadt]? Das können Sie vergessen.

    Ich bin dem Anwalt, der so ehrlich war, übrigens im Nachhinein dankbar.

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  4. Anonym fragt: "Wenn Rechte des Beschuldigten verkürzt werden unter dem Vorwand, eine Bestrafung könnte den Rechtsfrieden wieder herstellen, selbst wenn das Verfahren rechtsstaatswidrig war."

    Volle Zustimmung! Aber haben Sie ein Beispiel?


    Was die Hamburger Ziviljustiz betrifft, so habe ich Beispiele.

    Als Beklagter - ich klage selbst so gut wie nie - habe ich über 120 Prozesse gewonnen. Das finden Sie auf meiner web-Site. Das passt vielen Juristen (Anwälten und Richtern) nachvollziehbar nicht, weil ich gerade über deren Tätigkeit berichte. Ich berichte allerdings zulässig, wie die gewonnenen Prozesse zeigen.

    Trotzdem musste ich schon zwei Mal in den Knast - 2005 - 6 Tage, 2011 - 5 Tage, bis zum 13.03.2014 das dritte Mal, diesmal für 3 Tage.

    Es stehen heute in Hamburg nur noch Prozesse von drei Kriminellen an, welche erfolgreich, aber offensichtlich rechtsirrig, gegen mich bis jetzt erfolgreich klagen.

    Die Vorsitzende Richterin der ZK 24 des LG HH macht ohne wenn und aber mit, argumentiert - falls überhaupt - willkürlich.

    Es wird damit gerechnet, dass ich aufgebe zu berichten.

    Das Vertrauen in den Rechtsstaat ist auch angesichts der sehr hohen Kosten, mit den die Berichterstattung unterdrückt werden soll, gebrochen.

    Die verlorenen Prozesse sind fast alle aus prozessualen Gründen verloren gegangen bzw. wegen Willkür der Richter.

    Auch wenn man zu 100 Prozent gewinnt, werden nicht alle notwendigen Kosten des eigegen Rechtsanwalts erstattet, eigene Kosten erst recht nicht. Bei mir sind auf diese Art und Weise inzwischen in den 10 Jahren überschüssige Kosten für Anwälte und Gericht von ca. 170.000,- Euro angelaufen. Die eigenen Kosten sind nicht einbezogen.

    Wie kann man da noch der Jusrtiz vertrauen?

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  5. Ja, das ist natürlich ein schöner Gedanke, dass ja nicht die Fehler das Problem sind, sondern die Uneinsichtigkeit. Übersieht aber, leider, dass diese Uneinsichtigkeit ja durchaus rational begründet sein kann, denn es ist eben so, dass das Vertuschen und gegen die Wand (der Unanfechtbarkeit) laufen lassen nicht einfach so ein Hobby einiger Betonköpfe von Richtern ist, sondern die Justiz trägt. Ich schließe mich da der Meinung von jck5000 an: würde man klar erkennen, wie oft die Justiz (selbst in Fällen, wo es rechtlich einwandfrei sein mag) neben der Sache liegt, würde der Ruf nach Änderung laut. Insbesondere könnte sich das Berufen auf den "bedauerlichen Einzelfall" was ja in der Übersetzung nichts anders heißt als "im Grundsatz machen wir alles richtig, also kein Grund was zu ändern" abnutzen, wenn jede Woche der Pressesprecher eines Gerichts zur Rechtfertigung ausrücken muss. Die Justiz als Gesamtapparat agiert hier nicht anders als jede Bürokratie: das Bestreiten von Fehlern, bis es gar nicht mehr anders geht, ist ein Mittel zum Zweck, den Ruf nach grundsätzlichen Änderungen schon im Ansatz zu ersticken, denn es klappt doch alles vorzüglich. Es reicht ja vielleicht auch schon, wenn man die Angelegenheit hinzieht, bis das öffentliche Interesse abstirbt oder müde wird. Oder der Angeklagte, Kläger oder Beklagte.

    Dabei kommt der Justiz in diesem Spiel besondere Bedeutung zu, denn sie ist ja auch die Instanz, die Fehler. nämlich der Behörden korrigieren soll. Dem, der sich über eine falsche Entscheidung eines Amts beklagt sagt man "hättest Du eben geklagt", aber was sagt man dem, der ein Fehlurteil vorzeigt?

    Kurz, meine Hypothese ist: die real existierende Justiz hat dasselbe Problem, das der gleichnamige Sozialismus hatte: Ehrlichkeit ist keine Option mehr.

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