Freitag, 20. März 2015

FakeFakeFake


Nein, ich bin kein Fan von Jan Böhmermann. Satire darf zwar alles, aber sie muss nicht. Und eines sollte Satire um jeden Preis vermeiden: Dass Meinung zur Beliebigkeit verkommt. Aber genau das hat Jan Böhmermann geschafft.

Es ist alles egal. Keiner weiß mehr, ob der griechische Minister denn nun Mittelfinger ausgestreckt hat, oder ob es der Böhmermann war, der den Finger in eine Aufzeichnung hineinmanipuliert hat oder ob Jan Böhmermann nur so getan hat, als habe er den Finger in eine Aufzeichnung hineinmanipuliert oder ob Jan Böhmermann vielleicht jetzt nur so tut, als habe er so getan, als hätte er den Finger in eine Aufzeichnung hineinmanipuliert. Die Referenzkette ließe sich ewig weiterspinnen und am Ende steht die vollständige Beliebigkeit. Weil man aber nicht weiß, wo das Ende ist, ist die Beliebigkeit bereits erreicht.

Das ist keine Satire, das ist Selbstdarstellung mit höchstmöglicher Umdrehungszahl, Raab ultra. Und aus der Mitte der völligen Indifferenz entspringt irgendwann einer, der es ernst meint. Von dem werden dann alle denken, er mache Witze, der es aber bitter ernst meint. Das werden die Allesweglacher aber erst merken, wenn es zu spät ist.


3 Kommentare:

  1. "Keiner weiß mehr, ob der griechische Minister denn nun Mittelfinger ausgestreckt hat" -- das liegt aber nicht am Böhmermann, das liegt daran, dass Jauchs Redaktion schlampig recherchiert. Youtube-Videos sind keine journalistischen Quellen; Sie lesen ja auch nicht Wikipedia, um sich auf ihr nächstes Verfahren vorzubereiten. Wenn die Jauch-Redaktion verünftig recherchiert hätte, und bei der Quelle nachgefragt hätte, würde sie wissen, ob ihr Material ein Fake ist oder nicht, und dann hätten wir auch schon eine Pressemitteilung von denen auf dem Tisch -- und alle Berichterstatter, die das auch nicht wissen, haben es auch nicht getan.

    Und ob Varoufakis die Geste gemacht hat oder nicht, ist völlig zweitrangig und nur für den Boulevard interessant: was er 2013 gesagt hat, war, dass Griechenland 2010 Europa den Stinkefinger hätte zeigen sollen und Insolvenz anmelden; was er 2015 gesagt hat, ist, dass die Finanzhilfen der EU de fakto Insolvenzverschleppung sind, und die damit verbundenen Auflagen inhuman sind und "financial waterboarding" darstellen. Ob er das damals (auf einer obskuren Konferenz) mit einer Geste illustriert hat oder nicht, ist politisch vollkommen belanglos.

    Und genau das ist es, was Böhmermann hier entlarvt: dass in Jauchs Sendung Belanglosigkeiten zum Skandal hochstilisiert werden; "dass Meinung zur Beliebigkeit verkommt" müssen Sie Jauch zuschreiben, nicht Böhmermann. Denn wenn unsere Meinung über Varoiufakis davon abhängt, ob er vor 2 Jahren eine Geste gebraucht hat, zu der er heute nicht mehr steht (möglicherweise aus gutem Grund, weil sie eben nie existiert hat); wenn unser Bild von Varoufakis davon geprägt wird, dann ist Meinung wirklich beliebig.
    Das ist eben Boulevard und nicht politischer Diskurs, und dass die Qualität der Recherche dazu eben auch Boulevard ist, das hat Böhmermann sehr schön vorgeführt, und dafür bin ich ihm dankbar.

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    1. Böhmermann entlarvt gar nichts.
      Er zieht lediglich etwas ins lächerliche.
      Der Stinkefinger ist zwar eigentlich belanglos, aber diese Meinung muss nicht jedermann teilen. Insofern ist das eine Ansichtssache.

      Aber seriöse Meldungen sollte man nicht verfremden !
      Man kann sich darüber lustig machen und darüber scherzen, aber niemals verfremden oder in Zweifel ziehen, wenn es nicht einen entsprechenden Anlass gibt.
      Böhmermann hat hier rein egomanisch (nicht egoistisch) gehandelt.

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    2. Ganz im Gegenteil:

      Er entlarvt die Vermischung von Boulevard und Politikberichterstattung einerseits und und das Spielen mit Ressentiments, die mit der verkürzten Darstellung der "Mittelfingerszene" und der falschen Übersetzung (direkte statt indirekte Rede) bei Günter Jauch schon fast BILD-würdig gewesen wäre.

      Entscheidend für das Verständnis ist hier nämlich nicht nur die (künstlerisch anspruchsvoll gestaltete) Behauptung, die Mittelfingerszene selbst gefälscht zu haben, sondern der Wortbeitrag von Böhmermann:

      "Liebe Redaktion von Günther Jauch. Yanis Varoufakis hat Unrecht. Ihr habt das Video nicht gefälscht. Ihr habt einfach das Video nur aus dem Zusammenhang gerissen und nen griechischen Politiker am Stinkefinger durchs Studio gezogen. Damit sich Muddi und Vaddi abends nach dem „Tatort“ nochmal schön aufregen können. „Der Ausländer! Raus aus Europa mit dem! Er ist arm und nimmt uns Deutschen das Geld weg. Das gibt’s ja wohl gar nicht. Wir sind hier die Chefs! So!“ Das habt ihr gemacht.
      Und der Rest ist von uns."

      Und nachdem die gesamte Medienmeute auf den Zug aufgesprungen war und sich quasi selbst in entlarvender Weise zum Teil von Böhmermanns satirischer Performance gemacht hatte, erklärte er sinngemäß, er würde niemals ein solches Video fälschen und damit diese außerordentlich wichtige "journalistische Debatte über einen aus dem Zusammenhang gerissenen Finger der Lächerlichkeit preisgeben".


      Fazit:

      1. Ein professionell und moralisch überaus fragwürdiges Verhalten großer Teile der Medien wurde durch Überspitzung der Lächerlichkeit preisgegeben und so verdeutlicht.

      2. Das ganze geschah auf künstlerisch anspruchsvolle und darüberhinaus auch (das bleibt aber letztlich dem Geschmack des Einzelnen überlassen) überaus lustige Art und Weise.

      3. Dadurch dürfte sich der Horizont des einen oder anderen, der die Debatte zuvor nur so eindimensional wahrgenommen hatte, wie sie geführt wurde, erweitert haben.

      Im Ergebnis: Satire im besten Sinne des Wortes.

      Jan Boße

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