Das wäre das Ende des Tatortes; Derrick würde sich im Grabe umdrehen: Der Mord soll abgeschafft werden. Zumindest wurde darüber diskutiert. Beim diesjährigen Strafverteidigertag in Lübeck stand die Abschlussveranstaltung unter dem Titel "Was wird aus der Reform der Tötungsdelikte?". Die Rechtsvorstellungen von Millionen Menschen würden über den Haufen geworfen, aber das machte nichts, denn sie sind sowieso falsch.
Was Derrick und Dutzende Tatort-Kommissare uns in den letzten Jahrzehnten nämlich stets verschwiegen haben: § 211 StGB - der "Mord-Paragraph" - ist ein Relikt aus Deutschlands dunkelster Zeit und sein Menschenbild ein "völkisches", wie der Vorsitzende Richter am BGH, Thomas Fischer, es nennt. Sein Beitrag in der ZEIT ist wirklich lesenswert.
Formuliert wurde der bis heute gültige Gesetzeswortlaut vom späteren Präsidenten des Volksgerichtshofes, Roland Freisler, persönlich. Und § 211 StGB ist ein Unikum im deutschen Strafrecht, stellt er letztlich keine Tat unter Strafe, sondern einen Tätertyp. Den es angeblich geben soll. Sollte. Heute hat sich das Gesetz von derlei Gedankengut eigentlich entfernt. Eigentlich.
Nur der § 211, der ist nach wie vor da. Glaubt man den Diskussionsteilnehmern, so soll es in der Bundesrepublik tatsächlich Politiker geben, die dieses Machwerk behalten wollen, und diese Politiker befinden sich in demokratischen Parteien. Man mag es kaum glauben. Teile der Bevölkerung beklatschen das auch noch, obwohl sie meist gar nicht wissen, wovon sie reden. Kaum ein Tatbestand wird derart konsequent missverstanden wie der Mord.
"Die Bevölkerung ... hält es für Mord, was im Fernsehen so heißt, für Totschlag irgendetwas zwischen Affekt und Fahrlässigkeit",schreibt Thomas Fischer dazu.
Wahrlich Zeit, dieser Vorschrift den seit Jahrzehnten verdienten Garaus zu machen.
Zum Präsidenten eines Reichsgerichtshofs wäre Herr Freisler kaum zu ernennen gewesen.
AntwortenLöschenWas täte ich ohne aufmerksame Leser, die mich auf kleine Fehler hinweisen. Danke!
LöschenJa, die Tätertypenlehre ist vom NS-Ungeist beseelt. Der Versuch, innerhalb der vorsätzlichen Tötungselikte Tatbestände erhöhten Unrechts zu definieren, ist es nicht (auch historisch nicht). Um nichts anderes geht es denen, die die geltende Gesetzesfassung verteidigen.
AntwortenLöschenDie Ausführungen von Thomas Fischer sind in der Tat äußerst lesenswert (insbesondere der Hinweis auf § 212 Abs. 2), allerdings gab es den Mordparagraf, welcher derzeit allenfalls noch im Hinblick auf § 78 StGB Relevanz besitzt, bereits seit 1872, also weit vor der NS-Unzeit.
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