Montag, 16. April 2012

Eine kurze Geschichte der Abmahnung, Teil 2

Seit alle Welt im Internet zugange ist, sind Abmahnungen zum Problem geworden. Oder ist das Internet das eigentliche Problem? Denn eigentlich ist das doch alles ganz einfach: Ohne Rechtsverstoß keine begründete Abmahnung. Die unbegründeten Abmahnungen wollen wir hier zunächst zurückstellen; die sind nämlich nicht das eigentliche Problem.

Das Problem ist, dass die meisten Abmahnungen sehr wohl begründet sind. Sonst hätte die Abmahner längst mit dem Abmahnen aufgehört. Der Grund dafür ist, dass das Internet seinen Nutzern vorgaukelt, jeder könne mit dem Internet auf einmal alles selbst. Piraten und Artverwandte finden das toll; es ist aber in Wahrheit alles andere als toll.

Auf einmal möchte jede zweite Hausfrau ihre selbst gemachte Marmelade über das Internet vertreiben und wundert sich, dass sie sich dabei an gewisse Regeln halten muss. Stattdessen ist die Hausfrau empört, wenn sie per Abmahnung darauf hingewiesen wird, dass sie dabei vielleicht einen Rechtsverstoß begangen hat. Ob dem tatsächlich so ist, klären seit jeher die Gerichte. Warum also die ganze Aufregung?

Weil einige Anwälte versuchen, aus Abmahnungen Kapital zu schlagen? Warum sollten die das nicht dürfen? "Anpinkeln ist erlaubt" pflegte einer meiner Ausbilder zur Frage unberechtigter Forderungen die Rechtslage zusammenzufassen. Die Frage ist doch auch hier wieder nur: Gibt es einen Rechtsverstoß oder gibt es keinen? In Wahrheit profitieren diese Anwälte von bestimmten Eigenarten des Internets, weniger vom Instrument der Abmahnung. Komischerweise empört sich aber kaum einer über die Ursache, sondern alle nur über das Symptom.

Wie gesagt: Ich bin kein Abmahnanwalt. Ich wundere mich nur.

Weil das Internet bestimmte nicht unbedingt rechtskonforme Verhaltensweisen begünstigt, hat sich sogar eine eigene Partei gegründet, deren bisher einziges bekannt gewordenes Ziel es ist, der Gesellschaftsordnung ihr Betriebssystem überzustülpen. Man möchte nicht etwa das Internet dem Recht anzupassen, sondern umgekehrt. Darüber kann man nur staunen und ein bisschen Angst bekommen.





10 Kommentare:

  1. Anpinkeln ist erlaubt

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  2. Das Problem ist die willkürliche Höhe der Abmahnkosten. Sehr oft werden für einen automatisiert generierten Serienbrief mehrere hundert Euro an Abmahnungs + Anwaltskosten verlangt, die sehr oft in keinerlei Zusammenhang mit der schwere des Verstoß und dem tatsächlichen Aufwand für den Abmahner bestehen.

    Wenn wir ein ähnliches System bei z.B. bei Falschparkern auch hätten, könnte die Polizei regelmäßig Strafmandate in der Höhe von mehreren tausend Euro ausstellen, und dies mit der teuren Auspuffreparatur am Polizeiwagen begründen.

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  3. Sie haben es doch im ersten Teil ganz richtig beschrieben: Abmahnungen waren einmal ein Mittel unter Geschäftsleuten, mit dem Privatpersonen nie in Berührung kamen.

    Jetzt geht es im Internet aber eben NICHT um die Hausfrau, die Marmelade verkauft, sondern um ihre 14-jährige Tochter, die in einem Blog über Pferde und Einhörner schreibt. Oder, um das Bild zu verlassen: Um Leute, die keinerlei kommerzielle Interessen vertreten, sondern sich ohne jeden Profit in die Öffentlichkeit des Internets begeben.

    Und da beginnt Ihre Argumentation zu wanken:
    Wenn jemand in Eigenregie einen kleinen Onlineshop aufzieht, dann ist einzusehen, dass er wie ein Geschäftsmann behandelt wird, auch wenn denjenigen das überrascht. Aber, wie Sie wirklich wissen sollten, das ist nicht annähernd der Kern des Abmahnproblems. Es geht viel mehr zB darum, dass an Amateurblogs ohne journalistischen Anspruch die gleichen Regeln angelegt werden, wie an eine Veröffentlichung der FAZ, weil "gewerbsmäßig" gern im Sinne von "regelmäßig + eine Google-Werbung" ausgelegt wird.

    Hätte nun also die bildliche Tochter wissen sollen, dass "Marions Pferdekochbuch" sich als "direkter Mitbewerber" ausgibt und wegen fehlerhaften Impressums abmahnen würde, für geschmeidige vierstellige Kosten?

    Das Problem des Internet ist es, dass viele Privatleute, Amateure und Hobbyschreiber Öffentlichkeit erhalten - und dass sie dabei juristisch behandelt werden, als seien Ihre Veröffentlichungen so zu bewerten wie eine Ausgabe einer überregionalen Tageszeitung.

    Das heißt eben nicht, dass Gesetze für Privatleute nicht gelten. Es heißt aber, dass nicht einzusehen ist, warum Gesetze, die explizit für Unternehmen und Geschäftsleute geschrieben sind, nun plötzlich für jeden Hans und Franz gelten sollen (siehe Impressumspflicht), nur weil sie im Internet Katzenfotos veröffentlichen.

    Nochmal zurück auf Marions Kochbuch: Ich nehme nicht an, dass Sie diese Episode des Abmahnens im Internet vergessen haben. Sind Sie wirklich so verbohrt, da keinen Missbrauch eines juristischen Instruments zu sehen? "Anpinkeln erlaubt"? Ist es jetzt ein Zeichen von Kultur und Moral, sich unanständig zu verhalten, nur weil man es wegen einer Regellücke darf?

    Oder sind da auch wieder die Piraten Schuld?
    "Gesellschaftsordnung ihr Betriebssystem überzustülpen"... das klingt ja, wie... DAS, WAS ALLE PARTEIEN MACHEN, WEIL WIR DAFÜR PARTEIEN HABEN!
    Politik nennt man das, was Ihnen solche Angst macht - und als ich diese Zeilen von Ihnen gelesen habe, war ich wirklich sprachlos.
    Da erdreistet sich also wirklich eine demokratisch legitimierte Partei, das Recht den modernen Gegebenheiten anzupassen, anstatt umgekehrt - an die Wand sollte man sie stellen, diese Hippies!

    Ehrlich, Herr Nebgen, ich denke ja, dass Sie ein sinnvolles Ziel verfolgen mit dieser Beitragsreihe.
    Aber dieser hier, das war ein Totalausfall.

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  4. Sie sind doch hauptsaechlich im Strafrecht tätig - akzeptieren Sie es da, wenn die StA Ihren Mandanten immer automatisch zur höchstmöglichen Strafe im Rahmen des Strafrahmens "verknacken lassen" will ? Und ist es nicht so, dass sich z.B. die Tagessätze, mit deren Hilfe die Geldstrafen ausgedrueckt werden, an der Hoehe des Einkommens orientieren ? Auch im Abmahnwesen sollte schlicht mehr Augenmaß geuebt werden ....

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  5. Auch ich habe mich etwas an dem gefühlten "nachtreten" hinsichtlich der Piraten gestört. Dies mag auch daran liegen, dass ich als Jurist in der Piratenpartei aktiv bin und so auf manche schnell gemachte Aussagen "empfindlicher" reagiere.

    "eine eigene Partei gegründet, deren bisher einziges bekannt gewordenes Ziel"
    Das mag strafrechtsrelevant sein, erweckt aber trotzdem in mir den Wunsch, jemandem mit unserem Programm zu schlagen. Gerne das Bundesprogramm oder auch das gerade frisch erstellte neue NRW-Programm. Wir mögen einige Lücken haben, aber "einziges Ziel" ist es seit Jahren nicht mehr. Informationstünche auf Bild-Niveau erwarte ich eigentlich nicht von einem Kollegen.

    Ja, wir wollen eine Anpassung des Urheberrechts auf moderne Gegebenheiten, weil das aktuelle Recht den aktuellen Gegebenheiten etwa 30 Jahre weit hinterherläuft.

    Ja, wir wollen ein Recht auf die Privatkopie, dass sich nicht einfach aushebeln läßt, wie es vor einigen Jahren noch war.

    Ja, wir wollen das die Regelung der Begrenzung von Abmahngebühren bei privaten greift und nicht sofort wieder ausgehebelt wird.

    Nein, wir wollen das Urheberrecht nicht abschaffen. Hierzu kann man auch auf Wunsch einen der vielen kreativen und Künstler fragen, die bei uns aktiv sind.

    Eine Abschaffung der Abmahnung ist auch nicht unsere Ziel, aber eine Eingrenzung der "Auswüchse" wie abmahnende Anwälte ohne Auftraggeber.

    Lieber Herr Nebgen, ich lade Sie gerne ein, sich über die Piratenpartei zu informieren, damit solche "Fehlinformationen" nicht zur Grundlage Ihrer Blogartikel werden. Zum Beispiel auf einem Stammtisch ind Hamburg http://www.piratenpartei-hamburg.de/ oder auch auf dem Bundesparteitag am 28 April in Neumünster. Auf Wunsch organisiere ich aber auch gerne einen Kontakt mit einem juristischen Kollegen.

    Leider bei dieser Auswahl nur als Anonymer...

    Paranoia

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  6. Den Käse bezüglich der Piratenpartei lasse ich mal beiseite. Dazu könnte man viel schreiben...ehrlich gesagt fehlen mir bei so viel Unverständnis die Worte.

    Das mit den Abmahnungen ist so eine Sache. Grundsätzlich gebe ich Dir da ja recht. Aber wo sich die ganze Abmahnsache hin entwickelt hat, kann kein normaler Mensch (also alle Nicht-Juristen) verstehen.

    Und wenn ich mir Deine Homepage so ansehe, könnte man durchaus auf die Idee kommen, dass Dein Impressum nicht unmittelbar erreichbar ist, weil man sich immer wieder auf die Hauptseite klicken muss und es nicht mit jeder Seite verlinkt ist. Und ich denke, so richtig richtig fändest Du es auch nicht, dafür abgemahnt zu werden. Und der Blog hat irgendwie überhaupt kein Impressum.

    Was ich damit sagen will ist, eine Abmahnung ist richtig, wenn wirklich ein nachvollziehbarer Rechtsverstoß vorliegt. Wenn es sich aber um irgendwelche Kinkerlitzchen handelt, hört bei mir der Spaß auf.

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  7. Aber gibt es für "Kinkerlitzchen" nicht ohnehin den § 8 Abs. 4 UWG? Oder greift oder reicht der nicht?

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  8. Zusammenfassung: Sie finden Anpinkeln ok und wenn eine Partei dagegen ist, staunen sie und haben ein bisschen Angst!

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  9. Das Problem mit den Abmahnungen ist, dass unsere Gesetze teilweise so kompliziert sind, dass man sich ohne Studium nicht in ihnen zurecht findet. Letztlich, und da stimme ich mit Ihnen überein, sind also die Abmahnungen eher das Symptom als die Krankheit.

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  10. sollte man aber nicht vorher den menschen anschreiben und ihm sagen das er die bilder entfernen soll und falls das nicht geschied das ihm geldstraffe droht?

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