Dienstag, 20. März 2012

Dezernat für Wirtschaftsstrafsachen

Der Kollege Siebers berichtet hier von einem Staatsanwalt, der die Einnahmen eines Selbständigen addiert und offenbar aus voller Überzeugung als Einkünfte deklariert. Das ist leider das betriebswirtschaftliche Niveau, wie man es bei der Staatsanwaltschaft immer wieder antrifft.

Entsprechendes gilt auch für Richter, die Rechtsanwälten immer mal wieder voller Sozialneid vorrechnen, wieviel sie mit einer Zivilsache verdient hätten, dabei aber sämtliche Kosten unberücksichtigt lassen. Das kennt man als Rechtsanwalt irgendwann.

Bei der Staatsanwaltschaft gibt es allerdings so genannte Wirtschaftsdezernate, in denen man sich vorrangig mit Wirtschaftskriminalität befasst. Das arbeiten die richtigen Experten. Die Leiterin einer solchen Abteilung hatte ich vor einiger Zeit in einem Verfahren wegen Insolvenzverschleppung auf Seiten der Anklage. Gericht und Verteidigung wunderten sich einige Zeit über deren Ausführungen, da sie dem Angeklagten ein Delikt vorwarf, dessen tauglicher Täter nur der Geschäftsführer einer GmbH sein kann. Der Mandant hingegen war Gesellschafter der GmbH.

Im Rechtsgespräch wurde dann klar, dass die Dame den Unterschied zwischen Gesellschafter (einer GmbH) und Geschäftsführer nicht kannte, sondern beides synonym verwendete.

Da freut man sich, dass bei der Staatsanwaltschaft auch in gehobenen Positionen echte Fachleute sitzen.

3 Kommentare:

  1. Abgesehen von der bedauerlichen Unkenntnis der Staatsanwältin, was GF und Gesellschafter angeht, liegen Sie ebenfalls leicht falsch:
    Delikte, deren tauglicher Täter ausschließlich der Geschäftsführer einer GmbH, nicht aber der Gesellschafter sein kann, gibt es aber nicht.
    § 14 StGB, der "faktische Geschäftsführer" und 15 a Abs. 2 InsO machen es für jedermann möglich, bei einer GmbH sämtliche Tatbestände aus StGB,HGB, InsO, KWG u.a. zu erfüllen, ohne Geschäftsführer zu sein....

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  2. Wäre jetzt nur zu klären, ob Herr Nebgen 'Geschäftsführer' im Sinne von 'führt praktisch die Geschäfte' oder 'steht als [angestellter] Geschäftsführer im Geschäftsbericht' gemeint hat. Ein 'faktischer GF' ist fraglos ein GF, auch wenn er zufällig nebenbei noch Gesellschafter ist.

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  3. Die betriebswirtschaftlichen Kenntnisse, insbesondere der Unterschied zwischen Umsatz und Gewinn, tendiert bei manchen Richtern und Staatsanwälten gegen Null. Standardbeispiel ist § 170 StGB. Von den Ermittlungsverfahren sind oftmals Selbständige betroffen. Man beschlagnahmt Geschäftsunterlagen oder befragt die Kunden des Selbständigen, addiert die Umsätze, setzt diese mit dem bereinigten Nettoeinkommen des Beschuldigten gleich und klagt fröhlich an. Im schlimmsten Fall erfolgt auf dieser Grundlage auch noch eine Verurteilung. Eine Unterhaltsberechnung, wie sie ein Familiengericht - und bei § 170 StGB auch der Strafrichter - vorzunehmen hat, findet man mangels fachlicher Kompetenz praktisch nie. Ich lasse mir es in diesen Fällen nicht nehmen, jeden einzelnen Fehler genüßlich aufzuzeigen und die verantwortlichen Justizbediensteten in aller Höflichkeit als komplett unfähig dastehen zu lassen. Da gibt es auch keinen Deal und kein Entgegenkommen, sondern nur einen zähneknirschenden Freispruch.

    Nicht jeder kann alles wissen und man selbst greift auch häufig genug daneben. Aber diese Unkenntnis ist nicht hinnehmbar und wirklich einmal "typisch Beamter".

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