Donnerstag, 22. März 2012

Unseriöses Blatt

In einer mündlichen Hauptverhandlung stellt der nicht gänzlich unbedarfte Verteidiger einen Beweisantrag. Er begründet seinen Antrag ausführlich und zitiert höchstrichterliche Rechtsprechung, veröffentlicht in der anerkannten Fachzeitschrift "Der Strafverteidiger".

Die Richterin lacht auf und fragt:
 "Was soll das denn für eine Zeitschrift sein? Das klingt ja nicht besonders seriös!".
Und was lernen wir jetzt daraus? Sollte "Der Strafverteidiger" sich vielleicht einen anderen Titel geben? Hätte die Vorsitzende wohl auch gelacht, wenn die Verteidigung aus der Deutschen Richter Zeitschrift (DRiZ) zitiert hätte? Haben Strafverteidiger möglicherweise ein Problem mit fehlendem Renommee? Bei Richtern? Das macht dann vielleicht auch wieder nicht so viel.

Vielleicht ergeben sich ja neue Chancen, wenn man unterschätzt wird.

12 Kommentare:

  1. Vielleicht sollte man bei dieser Dame den BGH eher aus "Essen und Trinken" zitieren oder aus der neu zu gründenden Zeitschrift "R1 und BMI 400".

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  2. Oder aus "Der Salat und die Glaubwürdigkeit".

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  3. "Da ist ja gar keine Butter bei Ihre Fische, Herr Verteidiger!"

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  4. Wer kennt sie nicht? Die zahlreichen Rechtsanwaltspropagandablätter, die gefälschte Rechtsprechung abdrucken...

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  5. Aber Herr Kollege! Da muss man doch für die arme Richterin Verständnis aufbringen! Fachzeitschriften!!!! Zuzüglich der sich auf dem Richtertisch stapelnden Akten auch noch Fachzeitschriften!!!! Da steht nur Zeug drin, die die in Jahrzehnten gebildete Überzeugung erschüttern könnte! ;-)

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  6. Die Richterin dürfte sich auch mit der Lektüre strafrechtlicher Entscheidungen sehr zurückgehalten haben, schließlich wird auf den StV auch dort regelmäßig verwiesen. War die Richterin neu im Strafrechtsdezernat und hat im Studium bei Strafrecht "auf Lücke gesetzt"?

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  7. Nee, ist klar,
    das kann man ja von einem Strafrichter (m/w) auch nicht erwarten, dass er alle von vielleicht drei führenden Strafrechts-Fachzeitschriften - jedenfalls dem Namen nach - kennt.

    Ca. vor 2 Jahren hat ein anwaltlicher Kollege in einem Kammertermin vor dem Arbeitsgericht, nachdem das Gericht Rspr. referiert hatte, gefragt: "was ist NZA?" und einen eisigen richterlichen Todesblick geerntet, der in etwa bedeutete: "Das ist eine Zumutung, mit was für Volltrotteln und Dilettanten in Anwaltsrobe man es hier zu tun hat". und das mit Recht.

    Aber ein Strafrichter und die StV? Wahnsinn. Vielleicht eine Woche zuvor während der Proberichterzeit vom VerwG nac dort umdeligiert worden...

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  8. Der StV hat eine Auflage von 2.900 - wenn man die institutionellen Abonnenten abzieht, kennen 90% der als Strafverteidiger tätigen Anwälte die Zeitschrift auch nur vom Hörensagen ...

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  9. Mandanten bringen immer gerne Kopien aus "Frau im Spiegel" etc. mit. Das ist doch mal eine Fachzeitschrift.

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  10. Haben Sie - zumindest - in Erwägung gezogen, einen Befangenheitsantrag zu stellen ?
    Es ist m.E. ein Unding, dass ein Richter - selbst wenn, wie einige Vorredner meinen, die Richterin vlt. "neu" im Dezernat war- über die Rspr.-Quelle lacht! Das ist gleichfalls ein Lachen über die Begründung des Antrags und den Antrag selbst, damit auch über das (grds. berechtigte) Verteidigungsbegehren des Angeklagten/Mandamten. Es ist also eine Herabwürdigung des Mand. u. seines Rechtsanspruchs auf ein gesetzmäßiges, vorurteilsfreies Verfahren.
    In einer halbwegs vergleichbaren Situation habe ich einen B.-Antrag gestellt. Zwar wurde der vom "Vorgesetzten" zurückgewiesen, aber der "betroffene"Richter hat mich bis zu seinem Ausscheiden bei jedem Treffen ehrerbietig gegrüßt. Keiner hat mehr derlei (Lächerlich Machen, Wegsehen, Nicht richtig Zuhören(-Wollen) etc.)mit mir versucht.
    Mehr Mut. Zeigen Sie, dass auch Sie ein Organ der Rechtspflege sind-

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  11. Ich nehme mal an, dass Herr Nebgen einen Befangenheitsantrag standardmäßig stellt, wenn's nicht auf einen Freispruch rausläuft.

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  12. Die Zeitschrift heißt übrigens einfach nur "Strafverteidiger" und nicht "Der Strafverteidiger". Ich finde den Namen auch nicht ganz glücklich, klingt irgendwie wenig objektiv, obgleich dort natürlich auch regelmäßig Beiträge von Richtern, Staatsanwälten sowie von diesen eingereichte Entscheidungen abgedruckt werden. Die Zeitschrift sollte man schon aus Studium und Referendariat kennen oder sich wenigstens die Frage stellen, was die merkwürdige Abkürzung "StV" in Kommentaren bedeutet ("StaatsanValt"?).

    Kürzlich habe ich in einer komplizierten Wirtschaftsstrafsache verteidigt. Die rechtlichen Probleme waren nicht alltäglich, die Standardliteratur und juris schwiegen, weshalb ich wochenlang Spezialkommentare gewälzt und anschließend zitiert habe. Der Staatsanwalt mochte sich dieser Mühe nicht unterziehen und war sich nicht zu blöd, in der Verhandlung mit einem Schinken namens "Wirtschaftsstrafrecht für den Staatsanwalt" (o.ä.) aufzutauchen, aus dem er stolz wie Bolle und dem Brustton der Überzeugung den Gesetzeswortlaut vorlas - mehr stand da nämlich nicht drin. Hörbares Fremdschämen auf allen Seiten...

    Vertieftes Lesen scheint mancher während des Berufslebens zu verlernen (Anwälte natürlich eingeschlossen).

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