Mittwoch, 7. März 2012

Kunst am Recht


Einer verkauft dem anderen ein Gemälde, ein Kunstwerk oder wie der Insider sagt, „eine Arbeit“. Nur ist die Arbeit nicht vom angeblichen Schöpfer, sondern gefälscht, möglicherweise sogar vom Verkäufer selbst. Das passiert mit schöner Regelmäßigkeit immer wieder; der Kunstmarkt mit seinen Mechanismen fordert solcherlei Gaunereien geradezu heraus. Wenn es denn Gaunereien sind.

Ein schönes Beispiel ist der Fall des Herrn B., dessen gefälschte Werke jahrzehntelang durch die Kunstwelt geisterten. Er hat sie nämlich nicht nur brillant gefälscht, sondern sich auch noch gute Legenden dazu ausgedacht. Dessen Interview in der aktuellen Druckausgabe des „Spiegel“ gibt einen recht guten Eindruck, wie ich finde. Der Kollege Pohlen berichtet hierals Verteidiger eines der Mitangeklagten.

Dem zugrunde liegt ein tolles Problem, mit dem sich an den Grundfesten des Betrugstatbestandes rütteln lässt. Das Problem an dieser Konstellation ist nämlich, dass alle Beteiligten profitieren, solange sie nur von der Echtheit eines Werkes überzeugt sind. Kann man bei dieser Konstellation überhaupt noch jemals von Täuschung reden? Und wenn ja, wie lange? Denn wer fragt schon gerne nach, wenn ihm doch selbst gerade das große Geschäft winkt. Müsste er auch im eigenen Interesse aber eigentlich, insbesondere wenn auf einmal einer mit einem bisher verschollen geglaubten Gemälde eines angesagten Expressionisten in der Tür steht.

Aber da kann die Gier eben schon mal alle mitreißen: den Kunsthändler, den potentiellen Käufer, ja sogar den sachverständigen Begutachter, denn er bekommt seinen Sold anteilig zum späteren Kaufpreis. So sind Irrtümer psychologisch leicht zu erklären, wie z. B. der des ausgewiesene Experten Werner Spies, der durch seine Falschexpertise bei gleich sieben Fälschungen des Herrn B. jetzt langsam wirklich so berühmt ist, wie er schon immer zu sein glaubte.

Kann man da Herrn B. wirklich strafrechtlich vorwerfen, dass er die Gierigen und die Profilneurotiker in ihrem schwach fundierten Glauben gelassen hat? Er hat doch letztlich nur das getan, was alle tun: Er hat die Phantasie der Leute ausgenutzt, die wider allen rationalen Überlegungen geglaubt haben, was sie glauben wollten. Man fühlt sich an die Hitlertagebücher erinnert, auf denen ja bekanntlich nicht einmal die Initialen mit denen des Führers übereinstimmten.

Irgendwo zwischen der Täuschungshandlung (Falsches Bild als echt verkaufen) und dem Vermögensschaden ist da jeglicher Kausalzusammenhang verloren gegangen. Und das verdankt der Sachverhalt auch einer weiteren Besonderheit des Kunstmarktes: Die Wertbildung einer Arbeit ist unvorhersehbar geworden, weil sie praktisch gar nicht mehr von der Qualität des Werkes abhängt, sondern von der Qualität der dazu erzählten Geschichte.

Und die Geschichten des Herrn B. waren gut. Wie seine Fälschungen. Die sollen übrigens teilweise besser sein als die Originalwerke.

7 Kommentare:

  1. Das Recht schützt indes (zum Glück) auch die Dummen und die Gierigen. Da mag ein Verteidiger noch so stark rütteln ;)

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  2. Was für ein Glück für den Angeklagten, dass RA Pohlen den Angeklagten sachkundiger verteidigt hat, als sie es getan hätten.

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  3. Aus dem Lehrbuch des Strafverteidigers, Kapitel 1: Die Opfer beschuldigen.

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  4. Was ich an Herrn Pohlens Beitrag nicht verstehe, ist, daß er einerseits über das verletzte Persönlichkeitsrecht seines Mandanten lamentiert, andererseits (mit Einverständnis des Mandanten?) die Geschichte in seinem Blog veröffentlicht. Was ich an Ihrem Beitrag nicht verstehe, Herr Nebgen, ist, worauf er hinaus will. Materiellrechtlich ist die Sache klar wie Kloßbrühe. Selbstverständlich ist es Betrug zu behaupten, ein gefälschtes Kunstwerk sei echt, auch wenn der Käufer noch so naiv und gierig ist. Im übrigen haben Herr B. und seine Komplizen die Bilder und deren Geschichte ja gerade so aufbereitet, daß selbst bei Experten sämtliche Zweifel zerstreut werden sollten (bewußte Verwendung alter Leinwände und Farbe, um die Fälschung auch mit wissenschaftlichen Analysen nicht aufdecken zu können). Täuschender geht es doch gar nicht mehr.

    Auch die Kausalität zwischen der Täuschung am Anfang und dem Schaden am Ende ist gegeben, wenngleich die Schadenshöhenur im ersten Kaufpreis bestehen dürfte und nicht im letzten Kaufpreis der Veräußerungskette.

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  5. Man tausche den Begriff des Gemäldes (Kunstwerk pp.) gegen den Begriff Geld (Banknote pp) und siehe da, Nebgens Überlegungen gelten auch da.

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  6. Meine Güte, es war kein Mord.
    Es war ein Spiel mit der Eitelkeit.

    Erinnert an die Sache mit den
    Hitlertagebüchern, die auch schon fast dreißig Jahre her ist.

    Wer sich für Betrug mit Kunst/Sammlern interessiert, der blicke nach Wien. Dort sitzt Dietmar B.,der "Stradivari"-König in Haft bzw. noch in der Schweiz, aber in Wien soll der Prozess stattfinden. Seine Vorfahren stammen aus der Musikstadt Markneukirchen, wo man das Verfahren mit Spannung verfolgt.

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  7. Ein Staatsanwalt8. März 2012 um 10:12

    Wer vorsätzlich Kunst fälscht, um andere zu täuschen und sich selbst zu bereichern, der kann sich nicht auf die Dummheit oder Naivität der Käufer als strafmilderndes Argument stützen.

    Es geht hier um die hohe kriminelle Energie der Täter, welche zweifelsfrei vorhanden ist. Und ich bin mir sicher, daß auch das Gericht dies zu würdigen weiß.

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