Einer verkauft dem anderen ein Gemälde, ein Kunstwerk oder
wie der Insider sagt, „eine Arbeit“. Nur ist die Arbeit nicht vom angeblichen
Schöpfer, sondern gefälscht, möglicherweise sogar vom Verkäufer selbst. Das
passiert mit schöner Regelmäßigkeit immer wieder; der Kunstmarkt mit seinen
Mechanismen fordert solcherlei Gaunereien geradezu heraus. Wenn es denn
Gaunereien sind.
Ein schönes Beispiel ist der Fall des Herrn B., dessen
gefälschte Werke jahrzehntelang durch die Kunstwelt geisterten. Er hat sie
nämlich nicht nur brillant gefälscht, sondern sich auch noch gute Legenden dazu
ausgedacht. Dessen Interview in der aktuellen Druckausgabe des „Spiegel“ gibt
einen recht guten Eindruck, wie ich finde. Der Kollege Pohlen berichtet hierals Verteidiger eines der Mitangeklagten.
Dem zugrunde liegt ein tolles Problem, mit dem sich an den
Grundfesten des Betrugstatbestandes rütteln lässt. Das Problem an dieser
Konstellation ist nämlich, dass alle Beteiligten profitieren, solange sie nur
von der Echtheit eines Werkes überzeugt sind. Kann man bei dieser Konstellation
überhaupt noch jemals von Täuschung reden? Und wenn ja, wie lange? Denn wer
fragt schon gerne nach, wenn ihm doch selbst gerade das große Geschäft winkt. Müsste
er auch im eigenen Interesse aber eigentlich, insbesondere wenn auf einmal
einer mit einem bisher verschollen geglaubten Gemälde eines angesagten
Expressionisten in der Tür steht.
Aber da kann die Gier eben schon mal alle mitreißen: den
Kunsthändler, den potentiellen Käufer, ja sogar den sachverständigen
Begutachter, denn er bekommt seinen Sold anteilig zum späteren Kaufpreis. So sind
Irrtümer psychologisch leicht zu erklären, wie z. B. der des ausgewiesene
Experten Werner Spies, der durch seine Falschexpertise bei gleich sieben
Fälschungen des Herrn B. jetzt langsam wirklich so berühmt ist, wie er schon
immer zu sein glaubte.
Kann man da Herrn B. wirklich strafrechtlich vorwerfen, dass
er die Gierigen und die Profilneurotiker in ihrem schwach fundierten Glauben
gelassen hat? Er hat doch letztlich nur das getan, was alle tun: Er hat die
Phantasie der Leute ausgenutzt, die wider allen rationalen Überlegungen geglaubt
haben, was sie glauben wollten. Man fühlt sich an die Hitlertagebücher
erinnert, auf denen ja bekanntlich nicht einmal die Initialen mit denen des
Führers übereinstimmten.
Irgendwo zwischen der Täuschungshandlung (Falsches Bild als
echt verkaufen) und dem Vermögensschaden ist da jeglicher Kausalzusammenhang
verloren gegangen. Und das verdankt der Sachverhalt auch einer weiteren
Besonderheit des Kunstmarktes: Die Wertbildung einer Arbeit ist unvorhersehbar
geworden, weil sie praktisch gar nicht mehr von der Qualität des Werkes
abhängt, sondern von der Qualität der dazu erzählten Geschichte.
Und die Geschichten des Herrn B. waren gut. Wie seine
Fälschungen. Die sollen übrigens teilweise besser sein als die Originalwerke.
Das Recht schützt indes (zum Glück) auch die Dummen und die Gierigen. Da mag ein Verteidiger noch so stark rütteln ;)
AntwortenLöschenWas für ein Glück für den Angeklagten, dass RA Pohlen den Angeklagten sachkundiger verteidigt hat, als sie es getan hätten.
AntwortenLöschenAus dem Lehrbuch des Strafverteidigers, Kapitel 1: Die Opfer beschuldigen.
AntwortenLöschenWas ich an Herrn Pohlens Beitrag nicht verstehe, ist, daß er einerseits über das verletzte Persönlichkeitsrecht seines Mandanten lamentiert, andererseits (mit Einverständnis des Mandanten?) die Geschichte in seinem Blog veröffentlicht. Was ich an Ihrem Beitrag nicht verstehe, Herr Nebgen, ist, worauf er hinaus will. Materiellrechtlich ist die Sache klar wie Kloßbrühe. Selbstverständlich ist es Betrug zu behaupten, ein gefälschtes Kunstwerk sei echt, auch wenn der Käufer noch so naiv und gierig ist. Im übrigen haben Herr B. und seine Komplizen die Bilder und deren Geschichte ja gerade so aufbereitet, daß selbst bei Experten sämtliche Zweifel zerstreut werden sollten (bewußte Verwendung alter Leinwände und Farbe, um die Fälschung auch mit wissenschaftlichen Analysen nicht aufdecken zu können). Täuschender geht es doch gar nicht mehr.
AntwortenLöschenAuch die Kausalität zwischen der Täuschung am Anfang und dem Schaden am Ende ist gegeben, wenngleich die Schadenshöhenur im ersten Kaufpreis bestehen dürfte und nicht im letzten Kaufpreis der Veräußerungskette.
Man tausche den Begriff des Gemäldes (Kunstwerk pp.) gegen den Begriff Geld (Banknote pp) und siehe da, Nebgens Überlegungen gelten auch da.
AntwortenLöschenMeine Güte, es war kein Mord.
AntwortenLöschenEs war ein Spiel mit der Eitelkeit.
Erinnert an die Sache mit den
Hitlertagebüchern, die auch schon fast dreißig Jahre her ist.
Wer sich für Betrug mit Kunst/Sammlern interessiert, der blicke nach Wien. Dort sitzt Dietmar B.,der "Stradivari"-König in Haft bzw. noch in der Schweiz, aber in Wien soll der Prozess stattfinden. Seine Vorfahren stammen aus der Musikstadt Markneukirchen, wo man das Verfahren mit Spannung verfolgt.
Wer vorsätzlich Kunst fälscht, um andere zu täuschen und sich selbst zu bereichern, der kann sich nicht auf die Dummheit oder Naivität der Käufer als strafmilderndes Argument stützen.
AntwortenLöschenEs geht hier um die hohe kriminelle Energie der Täter, welche zweifelsfrei vorhanden ist. Und ich bin mir sicher, daß auch das Gericht dies zu würdigen weiß.