Montag, 2. Januar 2012

Der Arm an der Frau des Präsidenten


Hat sie den Arm gehoben oder nicht?

Diese Frage wird in der Diskussion um den Bundespräsidenten aufgeworfen, in der es auch um dieses Photo geht. Und eine Norm steigt aus dem Dunkel des Strafgesetzbuches auf, die kaum einer kennt: § 90 StGB (Verunglimpfung des Bundespräsidenten).

Der Standardkommentar zum StGB des Herrn Fischer widmet dieser Norm gerade einmal eine halbe Seite, es gibt genau einen Literaturhinweis auf eine Dissertation aus dem Jahre 1990 und lediglich fünf Rechtsprechungsnachweise, von denen die jüngste Entscheidung aus dem Jahr 1984 datiert. Die Norm scheint vornehmlich in den Anfängen der Republik angewandt worden zu sein; einziges aufgeführtes Beispiel ist die Bezeichnung als "Vaterlandsverräter" durch ein Mitglied eines Vertriebenenverbandes. Klingt alles ziemlich lange her.

Es scheinen sich nicht allzu viele Bundespräsidenten verunglimpft gefühlt zu haben in den letzten sechzig Jahren. Bundespräsident Heuss soll sich nach Amtsantritt sogar beim Bundesjustizminister erkundigt haben, wann er sich "verunglimpft" zu fühlen habe (Nachweis hier). Der war offenbar noch ein Souverän im wahrsten Sinne des Wortes.

Aber je seltener eine Norm angewandt wird, desto dunkler erscheint sie dem Betrachter und in der Dunkelheit treten mitunter Halluzinationen auf. § 90 StBG knüpft mit seiner Tathandlung ("Verunglimpfung") an die Tathandlungen der § 185 bis 187 StBG an, also Beleidigung, Üble Nachrede und Verleumdung. Damit erfährt der Tatbestand ebenso wie diese Delikte eine Fülle von inner- und außertatbestandlichen Einschränkungen, von denen der Kollege Hoenig hier nur einige anreißt. Im Ergebnis dürfte eine Verurteilung ausgesprochen unwahrscheinlich sein. Souveränes Verhalten eines Präsidenten sieht anders aus; hier passt eher der Ausspruch von der Eiche und der Sau, die sich daran schuppert.

Aber zurück zum Ausgangsarm: Der gehört nicht dem Präsidenten, sondern - wenn überhaupt - seiner Gemahlin, und liegt somit eindeutig außerhalb des Tatbestandes des § 90 StGB. Der Präsident selbst hat seinen Arm brav eingeknickt und winkt unverdächtig. Das Photo scheint im übrigen echt zu sein, Hinweise von Veränderungen weist es nicht auf. Die Gesamtumstände sprechen wohl eher dafür, dass Frau Bundespräsident etwas ungeschickt gewinkt und ein Photograf einen Zufallstreffer gelandet hat.

NACHTRAG: Mehr zum Präsidenten wird es hier nicht geben. Aus Angst vor Verunglimpfung. Nur noch eins - das hier.

3 Kommentare:

  1. cepag meint:
    "Verunglimpfung der Ehefrau des Bundespräsidenten" ist jedenfalls nicht strafbar, allenfalls über die allg. Gesetze (§§ 185 ff). Hier kann man dann diskutieren, ob die im Internet häufig aufzufindene Bezeichnung "Tattoo-Betty" darunter fällt oder nicht. Armer Christian Wulff, derzeit macht er eigentlich alles falsch, was man nur falsch machen kann...

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  2. Die Anzeige stammt allerdings aus dem Jahre 2010, weshalb von "derzeit" keine Rede sein kann.

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  3. Dann würde also jemand, der positiv-wohlwollend berichtet von unserem Scheibchenpräsidenten, der wohl eher ein schräger Fürst und ein sprechender Drohbrief zu sein scheint, den guten Mann verglimpfen?

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