Mittwoch, 23. November 2011

Hamburgische Bräuche: Kollegen aus dem Mandat werfen

Letztens rief mich ein mir bis dato nicht bekannter Kollege an. Er bezog sich auf ein von mir als beigeordnetem Verteidiger geführtes Mandat und kündigte dann vollmundig an, er werde "mich jetzt erst einmal aus dem Mandat werfen". Nun gut, der Umgangston einiger Kollegen war schon immer etwas ruppiger.

In der Sache selbst ist das Routine; dann macht die Arbeit eben ein anderer. Mit so etwas muss jeder Verteidiger leben. Auch nehme ich mit einer gewissen Beruhigung zur Kenntnis, dass dies offenbar selbst solch renommierten Kollegen wie dem Kollegen Vetter passiert.

Der von mir erwähnte Kollege allerdings lebte in der Vorstellung, ich wäre - aus welchen Gründen auch immer - verpflichtet, seiner Beiordnung an meiner Statt zuzustimmen und auf sämtliche bei mir bereits angefallenen Gebühren zu seinen Gunsten zu verzichten. Kurz: Mich rief ein Unbekannter an und verlangte von mir, dass ich ihm etwa EUR 500,00 schenken und dafür auch noch seine Arbeit machen solle. Solch Verhalten mag mancher dummdreist nennen.

Meinem Vorschlag zur Güte, er solle doch einen entsprechenden Antrag bei Gericht stellen und die Entscheidung des Gerichts abwarten, quittierte er mit beleidigenden Worten. Angeblich sei das in Hamburg nicht üblich, und ich wohl rechtlich nicht so bewandert. Er drückte das etwas unfreundlicher aus. Von einer derartigen eigens für Hamburg geltenden Regelung ist mir allerdings nach wie vor nichts bekannt.

Also nahm ich den Termin zur mündlichen Hauptverhandlung wahr, zu dem ich bereits zuvor geladen worden war. Im Termin wurde ich dann nicht nur von dem Kollegen mit der merkwürdigen Rechtsauffassung, sondern auch noch von einem ihm offenbar in Freundschaft verbundenen Mitverteidiger angepöbelt. Für den Staatsanwalt muss es ein innerer Reichsparteitag gewesen sein, für Gericht und Mandanten wird es wohl einfach nur peinlich gewesen sein.

Das Verhaltens des Kollegen kann man wohl nur noch als traurig einstufen. Dabei muss man bedenken, dass es sich um eine Beiordnung handelte. Die Beiordnung ist für den Rechtsanwaltin der Regel mit einer erheblichen Einbuße an Gebühren verbunden. Die Gebühren des Pflichtverteidigers liegen deutlich unter den eigentlichen Gebühren. Deshalb wird die Beiordnung rechtlich als Sonderopfer des Rechtsanwalts eingeordnet. Bis vor einiger Zeit haben Rechtsanwälte dafür gestritten, nicht vom Gericht beigeordnet zu werden.

Diese Zeit scheint vorbei zu sein.



5 Kommentare:

  1. Eine Hamburgensie ist das aber nicht. In Pusemuckel Süd kommt das auch vor.

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  2. Scharnold Warzenegger26. November 2011 um 04:40

    "innerer Reichsparteitag"

    Herr Nebgen, wie können Sie nur! Ist Ihnen nicht klar, daß Sie jetzt vom Verfassungsschutz beobachtet werden?

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  3. Und was sagt der Mandant zu der ganzen Sache? Wen will der denn?

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  4. In der Regel ist es für den Mandanten gar nicht so leicht, seinen Pflichtverteidiger zu wechseln. Auch wenn zwischen dem "alten" und dem "neuen" Einigkeit herrscht, wird es in der Regel nichts mit der Auswechslung, wenn der Mandantn nicht substantiiert eine Erschütterung des Vertrauensverhältnisses zu seinem bisherigen Verteidiger nachweisen kann.

    Die Pflichtverteidigergebühren sind zwar (wie allen anderen Anwaltsgebühren) bereits seit mehr als 7 Jahren nicht mehr erhöht worden. Gleichwohl können Sie je nach Mandat ganz einträglich sein. Wenn man einen Ladendieb verteidigt, der nur deshalb einen Pflichtheini braucht, weil er unter x-facher Bewährung steht oder schon 20 Vorstrafen hat, sind die 600,- Euro, die man für 60 Minuten Arbeit erhält, nicht schlecht. Anders sieht das freilich bei komplizierten U-Haft-Sachen aus, wo sich der Stundenlohn schon einmal in Richtung 4,- Euro bewegen kann.

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  5. Hier in Brandenburg bemühen sich einige Berliner "Kollegen" leider sehr intensiv in Pflichtverteidigermandate "einzudringen". Meistens geschieht dies nach dem Umzug des Mandanten in eine bestimmte JVA. So manches mal entstand der Eindruck, dass in der JVA Drückerkolonnen zur Mandantsgewinnung unterwegs sind. Es sind "Kollegen", die sehr aggressiv verteidigen, was in der JVA Gerüchteküche wohl Eindruck macht. Richter haben mir im Stillen gesagt, dass es für entsprechende Mandatierungen pauschalen Zuschlag beim Strafmaß gibt. Pflichtverteidigungen sind für viele Kanzleien in Brandenburg wichtig. Das Geld kommt spät, aber es kommt.

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