Im Gerangel erleidet einer der Gäste einen Messerstich in die Brust. Wo das Messer auf einmal hergekommen ist, wird sich später nicht ermitteln lassen. Der unerwünschte Gast wird sagen, er habe es im Kampf einem seiner Gegner abgenommen und sich damit gegen weitere Angriffe gewehrt.
Der unerwünschte Gast wird vom zuständigen ostdeutschen Landgericht daraufhin wegen versuchten Totschlags zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt.
In den Urteilsgründen erwähnt das Landgericht auf 82 Seiten mit keinem Wort, dass es sich bei der Feier in der Scheune um eine Zusammenkunft der örtlichen Neonazi-Szene gehandelt hat. Dass der Angeklagte als einziger nicht aus der Szene kommt: Völlig unerheblich. Dass der Geschädigte auf der verletzten Brust diverse verfassungsfeindliche Zeichen und Parolen tätowiert hatte, z. B. Sigrunen: Nicht der Rede wert. Dass auf der Veranstaltung drei Gesangskombos mit arischen Kampfnamen auftraten: Für die Beurteilung der Tat ohne jede Relevanz. Und über das äußere Erscheinungsbild der Gäste spricht das Gericht lieber auch gar nicht erst. Für das Gericht deutet auch nichts darauf hin, dass der Angeklagte in Notwehr gehandelt haben könnte; deshalb widmet es dieser Frage auf 82 Seiten: Kein Wort.
Kaum der Rede wert auch, was der Bundesgerichtshof auf die Revision gegen dieses Urteil entschieden hat: Keine Rechtsfehler zu Lasten des Angeklagten erkennbar.
Wie ich jetzt darauf komme? Ich habe wahrscheinlich zu viele Artikel wie diesen hier gelesen. Denn in Deutschland werden Straftaten politisch rechts motivierter Täter natürlich genauso hart verfolgt wie solche politisch links motivierter Täter. Hat der bayrische Innenminister zumindest Sonntag bei Jauch gesagt. Der bayrische Innenminister heißt übrigens Herrmann. Nicht verwandt und nicht verschwägert mit Eva. Aber die hieß ja auch Braun.
Ich begebe mich freiwillig und bei vollem Bewußtsein in einen Löwenkäfig. Die Löwen greifen mich an und ich erschlage einen. Ist das auch Notwehr?
AntwortenLöschenOder als Skinhead gehe ich zu einer Antifa-Veranstaltung. Die Linksfaschisten greifen mich an und ich steche einen nieder. Notwehr?
Oder ich gehe erkennbar als Jude morgen zu der Versammlung der rechtsextremen, nationalistischen "Grauen Wölfe" in die Essener Grugahalle. Selbstverständlich werden mich einige dieser türkischen Wölfe nicht gerne sehen und teilen mir dies mit. Im Gerangel steche ich einen nieder. Notwehr?
Schönen Gruß von Herrn Freisler, möchte man da sagen. Wenn es schon soweit ist, ist der Begriff Rechtsstaat ziemlich böse...
AntwortenLöschenZum ersten Kommentar: Ja, Notwehr, denn der Angriff, gegen die sich diese richtet, ist und bleibt rechtswidrig, auch, wenn die Höhle den Löwen gehört.
AntwortenLöschenJup Notwehr. Das Recht braucht dem Unrecht nicht zu weichen. A classic one. Es gibt keinen rechtsfreien Raum (auch nicht das I-Net) und auch Neo-Nazi Treffen sind kein Grund irgendwo nicht hingehen zu dürfen. Wo kämen wir denn da hin?
AntwortenLöschenIch halte das Urteil für absolut richtig. Da der Verurteilte der Aggressor der gesamten Szenarie ist, denn ohne seine Rückkehr (aus welchem Grund??) nach seinen Rauswurf, wäre es nicht zu der Auseinandersetzung gekommen. Vielleicht hat er sich die Herbeiführung einer möglichen Notwehrsituation sogar gewünscht, um aus dieser heraus seinem Widersacher schwere Verletzungen zuzuführen.
AntwortenLöschen... das waere dann eine Notwehrprovokation:
AntwortenLöschenhttps://de.wikipedia.org/wiki/Notwehr#Notwehrprovokation
Aber die sehe ich hier nicht wirklich.
Man kann dem BGH ja vieles vorwerfen, aber nicht, dass er das mit der Notwehr besonders eng sieht - alle Senate des BGH haben in den letzten Jahren immer wieder Verurteilungen aufgehoben bzw. freigesprochen, wenn sich ein Angegriffener mit dem Messer gewehrt und dabei sogar getötet hat.
AntwortenLöschenEs spricht deshalb viel dafür, dass Herr Nebgen uns hier eine etwas einseitige Beschreibung des Sachverhalts geliefert hat.
Nachtrag: Die Herstellung der Nazi-Konnotation in den letzten Sätzen ist natürlich ein echter Nebgen. Unter anständigen Leuten disqualifiziert sich sowas von selbst.
AntwortenLöschen@ Gast (06:33): Ich war tatsächlich - ausnahmsweise mal - um Objektivität bemüht und wasche meine Hände somit in Unschuld.
AntwortenLöschenAlles, was ich mitgeteilt habe, wurde so oder in vergleichbarer Form im Urteil festgestellt. Ich habe auch nichts Erhebliches weggelassen. Ich hatte diesen Fall übrigens nicht in der Instanz verteidigt, sondern hatte ihn von einem einigermaßen verstörten Kollegen in der Revision übernommen. Das Urteil habe ich mir daher völlig unbefangen durchlesen können und hatte etwas Derartiges wirklich noch nie vorher gelesen.
Nur mal so zu sagen.
Vorneweg muss ich erstmal eingestehen, dass ich mit dem Strafprozess nicht vertraut bin. Was ich aber an dem oben beschriebenen Fall seltsam finde: Warum sollte der BGH bei der Beurteilung einer Prügelei/Messerstecherei auf die Kleidung oder politische Gesinnung der Beteiligten eingehen? Leider finde ich in der Beschreibung des Sachverhalts auch keine Begründung des BGH, warum es sich nicht um Notwehr handelte.
AntwortenLöschenWar denn das Opfer/der Täter, der nicht zu den rechtsextremen Gästen angehörte, linksextrem oder warum beziehen Sie sich auf die Straftaten von Linksextremen?
Vergessen darf man nie: Straftat bleibt Straftat, ungeachtet dessen welche Motivation man hat.
Objektivität hin oder her, es ist definitiv eine unzureichende Sachverhaltsbeschreibung.
Sorry, aber dieser Sachverhalt gibt für mein juristisches Verständnis keinen Anlaß, Urteilsschelte zu betreiben.
AntwortenLöschenDer Verurteilte wurde bei dieser Veranstaltung des Saales verwiesen; er ist dann erneut hingegangen. Es liegt sehr nahe, hierin einen Hausfriedensbruch zu sehen. Das Hausrecht bei solchen Veranstaltungen in geschlossenen Räumen ist nicht gesinnungsabhängig.
Das ist nichts gravierend Schlimmes, aber eindeutig rechtswidrig. Insbesondere führt es aber dazu, dass der Verurteilte seine erneute Entfernung aus dem Saal dulden muss.
Natürlich kann sich dann bei Gewaltexzessen der Ordner eine Notwehrlage ergeben. Das muss aber dann zur Überzeugung des Gerichts nachgewiesen werden. "In dubio pro reo" führt nicht dazu, dass bei der bloßen Behauptung einer Notwehrlage freizusprechen wäre; Zweifel am Bestehen der Notwehrlage gehen zu Lasten des Angeklagten.
Da ist es dann auch nicht besonders hilfreich, wenn sich die Herkunft des Messers nicht nachweisen lässt ... zumal es bei der geschilderten Situation eher unwahrscheinlich ist, dass der Angeklagte es schafft, einem "Angreifer" mal eben so das Messer wegzunehmen, um es dann selbst gegen einen anderen einzusetzen.
Das sind ja schon BRAUNschweiger Verhältnisse, doch so ist das in einem RECHTSstaat, wo die Rechten regieren, gibt es keine Gerechtigkeit.
AntwortenLöschen@ Nebgen (07:07): Wie denn nun - "alles so oder in vergleichbarer Form im Urteil festgestellt" oder "... erwähnt das Landgericht auf 82 Seiten mit keinem Wort ..." ??
AntwortenLöschen2006 lagen diese ostdeutschen Dörfer noch in den NoGo-Areas.
AntwortenLöschenIm Osten. Das ist da, wo Rechtsbeugung nicht nur nicht bestraft wird, sondern deren Gerichts-präsident auch mal gern zum Generalbundesanwalt vorgeschlagen, aber dann doch nicht genommen wird.
Ein Tucholsky bitte.
In den letzten Wochen war noch zu lesen, dass ein Gericht ohne Ansehen der Person urteilen soll. Da hatte sich nämlich mal ein Gericht zum Erscheinungsbild des Angeklagten geäußert, und alle gestandenen Strafrechtsblogger sind einhellig drüber hergefallen.
AntwortenLöschenWie denn nun?
"ostdeutsches" Dorf, "ostdeutsches" Landgericht, was sollen diese Adjektive im Bericht bezwecken ?! Wenn, dann bitte stringent: "ostdeutscher" BGH (Leipzig) !! Und... auch wenn das Gericht im Ostteil der Republik liegt, sitzen meistens "West-"Richter drin !!
AntwortenLöschen@Matthias: die ersten Urteile wegen Rechtsbeugung ergingen gegen Richter im Osten ! Oder können Sie mir ein einziges Urteil gegen einen Richter oder Staatsanwalt aus der dunkelbraunen Nazi-Zeit benennen ?!
@RASchleicher
AntwortenLöschenSeit die Siegerjustiz sich in den neuen Ländern breit gemacht hat, gelten wieder die alten Regeln:
Das Bundesverfassungsgericht stellte fest, dass der 14. Senat eines OLG im Osten willkürlich das Recht in sein Gegenteil verkehrt hat und das Verfahren der Kontrolle des Bundesverfassungsgerichts entziehen wollte, und der erste (und einzige) Strafsenat desselben Gerichts (hmm, wie geschmackvoll) lässt die Anklage wegen Rechtsbeugung gegen die beteiligten Richter nicht zu, weil a) das Beratungsgeheimnis höher wiegt und b) ein Reichsgericht (das auch während des 12 Jahre dauernden tausendjährigen Reichs aktiv war) schon mal entschieden hat, dass die Unterschrift unter einem Urteil nicht bedeutet, dass der Unterschreibende sich der Rechtsbeugung schuldig macht.
!Einfach Lecker!
Und niemand der Verantwortlichen hat den Anstand dieses Unrechtsoberlandesgericht aufzulösen, sich bei dem Opfer der Rechtsbeugung zu entschuldigen oder sonst etwas dem Unrechtsgehalt angemessenes zu tun.
Der Anstand in diesem Land ist schon mit Willy zurückgetreten.
@Matthias: Ihrem letzten Absatz kann ich nur zustimmen !!
AntwortenLöschenZu Ihren vorherigen Ausführungen kann ich im Hinblick auf z.B. "Bayerntrojaner" etc. als Ruhrpöttler nur antworten: woanders is auch scheiße.
Da mir der Fall persönlich bekannt ist, möchte ich anmerken, das Herr Nebgens Angabe, der Verurteilet stamme nicht aus der Neonazi-Szene, unzutreffend ist.
AntwortenLöschenSehr geehrter Herr Nebgen,
AntwortenLöschenKönnten sie das BGH Aktenzeichen veröffentlichen um es dem interessierten Leser zu ermöglichen den offiziellen Sachverhalt zu studieren und die Argumentation des Gerichtes nachzuvollziehen?
Mit freundlichen Grüßen
In einer Scheune wird Geburtstag gefeiert.
AntwortenLöschenEs ist eigentlich nicht üblich, als Gast ungebeten eine Privatparty zu stören.
Nun mag der "Überraschungsgast" vielleicht wirklich edle Motive gehabt haben, die anderen von seiner linken Gesinnung zu überzeugen; es ist sinnlos, als Einzelner eine Gruppe gegenüberzutreten und es ist für jeden POlizisten schwer, zu ermitteln, was auf solchen Partys tatsächlich passiert ist, wenn alle unter erheblichem Alkoholeinfluss standen.
Man mag von Glück reden, dass die Scheine nicht abgebrannt ist. Falscher Ehrgeiz, Selbstüberschätzung, bewusste Provokation....
es mag sein, dass das Urteil zu hart ist und eine erneute Revision zu empfehlen wäre, aber die Story ist so pauschal beschrieben, dass man im Detail wissen müsste, was tatsächlich geschehen ist.
Im übrigen hätte er der Polizei verbotene Musiktitel melden können, aber wenn ich mit dem Messer steche, ob da im Hintergrund Mozart läuft oder das Horst-Wessel-Lied, dürfte dem Opfer, was verblutet, egal sein.
Es hat mit dem Osten nichts zu tun. Warum provoziert einer, den man nicht dabeihaben will. Wenn mich Menschen hassen, gehe ich denen grundsätzlich aus dem Wege.
Darf ich das so verstehen, dass sie braune Gesinnung zur Begründung einer Notwehrlage als hinreichend betrachten? Andere Anhaltspunkte für eine Notwehrlage sehe ich nämlich nicht.
AntwortenLöschenIst Hausfriedensbruch kein gegenwärtiger, rechtswidriger Angriff und berechtigt also nicht zur Notwehr? Wäre dann nicht der Eindringling der Rechtsverletzer? Und zu dieser Frage der Notwehrlage von den Gerichten kein Wort? Kann ich ehrlich gesagt nicht glauben. Das ist doch die entscheidende Frage hier.
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