Der BGH hat ein Mitglied der Hells Angels freigesprochen, der aus - irrtümlicher - Furcht um sein Leben einen Polizeibeamten erschossen hat. Anders als das Landericht Koblenz wertete der BGH diese Situation als Putativnotwehr. Eine sehr sachliche Darstellung findet sich bei
Udo Vetter, weniger sachliche Darstellungen finden sich in den Massenmedien, allen voran natürlich erwartungsgemäß mal wieder die
BILD-Zeitung.
Dabei ist bemerkenswert, dass es insbesondere die BILD mal wieder nicht für nötig hält, den Sachverhalt vollständig mitzuteilen, schließlich schadet das ja auch der eigenen Meinung: Von zentraler Bedeutung für den Freispruch dürfte nämlich sein, dass die Polizeibeamten vor der Tür des Rockers sich auch auf Zuruf nicht als Polizeibeamte zu erkennen gegeben hatten. Auch hatten sie sich nicht die Mühe gemacht zu klingeln, sondern hatten gleich begonnen, die Tür aufzuhebeln.
Es sind diese Feinheiten, die aus Sachverhalten Rechtsfälle machen. Die Presse tut sich und ihren Lesern sicher keinen Gefallen, über diese Feinheiten mit Empörung hinwegzugehen und stattdessen Stimmung zu machen. Aber während man es von den Revolverblättern kaum anders erwartet, stimmen leider auch immer wieder offizielle Stimmen in die Hetze ein.
Wie zu erwarten war, hat nämlich auch die Gewerkschaft der Polizei sich zum Urteil des höchsten deutschen Gerichts geäußert. Dessen Landesvorsitzender nennt das Urteil eine "Katastrophe". Der Trierische Volksfreund zitiert den Landesvorsitzenden mit den Worten:
"Damit wird Menschen, die im Rockermilieu leben und sich ständig von konkurrierenden Banden bedroht fühlen, ein Freibrief zum ungehinderten Schießen erteilt. Das ist entsetzlich."
Da lohnt es sich, diesen Ausspruch näher zu untersuchen, denn er er verrät einiges über den Horizont seines Urhebers:
Was stellt sich der Herr Gewerkschaftsvorsitzende beispielsweise unter "Rockermilieu" vor? Der Vorfall fand in bzw. vor der Wohnung des Angeklagten statt. Ist das etwa schon "Rockermilieu" - was immer das sein soll - nur weil vielleicht eine Kutte an der Wand hängt? Wer "sich ständig von konkurrierenden Banden bedroht fühlt", verdient der nicht eher den Schutz der Polizei? Deren Aufgabe ist es doch schließlich, für Sicherheit und Ordnung zu sorgen.
Und aus einem Freispruch wegen entschuldigtem Tuns einen "Freibrief zum ungehinderten Schießen" zu machen, strotzt vor Rechtsunkenntnis und Polemik. Was meint der Herr Landesvorsitzende übrigens wohl mit "ungehindert"? Hätte die Polizei vielleicht nicht nur die Tür aufbrechen, sondern auch gleich den Angeklagten am Schießen hindern sollen? Möglicherweise, in dem sie - rein präventiv natürlich - zuerst geschossen hätte?
Eins steht jedenfalls fest: Hätte sie es getan, und wer der Angeklagte das Opfer geworden, dann hätte die Polizei sich mit derselben Empörung ihrerseits auf Notwehr berufen. Wie z. B. in
diesem Fall, in dem ein Polizeibeamter eine psychisch kranke Frau erschossen hat.
Übrigens, ohne vorher einen Warnschuss abzugeben.