Mittwoch, 13. Oktober 2010

Tatort Schundjournalismus

Da ich in der Regel kein Fernsehen gucke, habe ich erst mit einigen Tagen Verzögerung erfahren, dass RTL2 offenbar ein Format ausstrahlt, dass sich "Tatort Internet" nennt. Die weiteren Informationen hätte ich mir selbst mit meiner übelsten Phantasie nicht ausdenken können, aber sie scheinen zu stimmen:

Diese Reality-Show wird produziert von Stephanie Freifrau zu Guttenberg - der Frau frei von Fakten - und moderiert von - man mag es nicht glauben - Udo Nagel, einem ehemaligen bayrischen Polizeibeamten, der von Hamburgs Antwort auf Judge Dredd, Ronald B. Schill, seinerzeit zum Polizeipräsidenten ernannt worden war, ihm später im Amt nachfolgte und im Anschluss einer Sicherheitsfirma vorstand, die derzeit im Verdacht steht, im Auftrag einer Landesbank unliebsamen Arbeitnehmern Kinderpornographie (!) untergeschoben zu haben.

Der Gegenstand dieser - sagt man da noch Reality-Show? - wäre zu meiner Kindheit geeignet gewesen, sämtliche an der Produktion beteiligten Personen für einige Zeit in den Knast zu bringen und dem Sender eine ordentliche Hausdurchsuchung zu bescheren. Über gezinkte Zeitungsanzeigen soll Männern vorgegaukelt werden, sie könnten sich mit einer Dreizehnjährigen zum Sex verabreden und werden dann bei ihren Geschlechtsverkehr-mit-Minderjährigen-Anbahnungsversuchen gefilmt. Allein dieser Modus verstößt gegen so viele Gesetze, dass man kaum weiß, wo man mit der Aufzählung anfangen soll. Das scheint aber niemanden zu interessieren.

Hinter dem ganzen versteckt sich, wie manche mutmaßen, eine perfide Strategie einiger Lobbyisten, mit Hilfe mutmaßlicher Kinderpornographie eine Zensurinfrastruktur zu eigenen Zwecken zu etablieren. Vielleicht ist es aber auch nur grenzenlose Geschmacklosigkeit und Dummheit, gepaart mit etwas pervertiertem Gutmenschentum, das Menschen dazu bewegt, bei so etwas mitzutun.

Wie ich gestern in meinem Stammlokal sah, hat sich auch "Der Stern" diesem fragwürdigen Projekt angeschlossen. Möglicherweise möchte man beweisen, dass Journalismus unterhalb jeder verfügbaren Thekenkante auch ohne gefälschte Tagebücher möglich ist.

Es ist.

8 Kommentare:

  1. Herr Nagel ist doch eigentlich ein Experte für Wirtschaftskriminalität und war schon früher mit Selbstversuchen sehr experimentierfreudig auf diesem Gebiet:
    http://www.augsburger-allgemeine.de/Home/Nachrichten/Aus-aller-Welt/Artikel,-trickbetrug-nagel-geschirr-07122008-_arid,1413099_regid,2_puid,2_pageid,4293.html

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  2. Das kommt heraus, wenn ein Trash-Sender versucht, sich ein seriöses Mäntelchen umzuhängen, indem er eine telegene Politigergattin vor seinen Karren spannt.
    Mich wundert nur, das eine gestandene Gräfin, die im allgemeinen als stilsicher gilt, sich für so einen Müll als "QuotenS**" hergibt.

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  3. @Nebgen: Wie Frau Braun schon angemerkt hat, werden die "Täter" über das Internet angelockt, genauer gesagt in einem Chatroom zu einem Treffen überredet. Nach meinen Informationen (Telepolis, Niggemeier, etc...) werden in der Sendung auch nur die Antworten der zu lockenden Personen gezeigt, nicht aber was das vermeintliche "Kind" für Angebote gemacht hat. Und Pornosteffi wollte halt ein bisschen gute PR (Denkt denn niemand an die Kinder!!!111einseinself). Hat wohl nicht so geklappt, wie sie es sich vorgestellt hatte...

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  4. Guten Tag zusammen

    "Allein dieser Modus verstößt gegen so viele Gesetze, dass man kaum weiß, wo man mit der Aufzählung anfangen soll. Das scheint aber niemanden zu interessieren."

    Steht so oben im 3. Absatz, ganz unten. Warum, frage ich mich, macht dann niemand etwas dagegen.?

    Basler

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  5. "Diese Reality-Show wird produziert von Stephanie Freifrau zu Guttenberg" - falsch, sie steht der Sendung lediglich als Aushängeschild und Expertin vor.

    "Über gezinkte Zeitungsanzeigen soll Männern vorgegaukelt werden, sie könnten sich mit einer Dreizehnjährigen zum Sex verabreden" - falsch, es geht im das Internet aka Chatrooms, Zeitungsanzeigen hatten hier keinen Auftritt.

    "Allein dieser Modus verstößt gegen so viele Gesetze" - falsch, Grauzone, eine Verzichtserklärung vor Ausstrahlung bewirkt Wunder und ist zudem legal.

    Ich äußere mich nicht zum Format, aber bitte etwas besser recherchieren. Fehlerhafte Berichterstattungen in einem journalistischen Blog können nämlich ebenso eine strafbare Handlung darstellen. Der Beitrag ist eine einzige Fehlmeldung, sorry.

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  6. Trotzdem Herr Kollege Nebgen,
    spricht mir Ihr Beitrag aus der Seele.
    Anstatt effektiv gegen Kindesmißbrauch vorzugehen, wird publikumswirksam vermarktet; sprich gegen Geld ausgestrahlt.
    Da hatte schon meine Oma nur einen Satz für:
    Sowas macht man nicht!

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  7. Ich habe die Sendung gestern erst gesehen, nach dem ganzen Medientrubel - ich empfand die erste Hälfte sogar noch als recht sinnvoll, erst ab der zweiten Hälfte fielen mir eklatante Fehlschläge in der Berichterstattung auf die nicht zu leugnen sind. Ein 19-jähriger, der einfach mal ohne Widerworte 20 wurde, und dem man nichts vorwerfen konnte, ausser ein paar (zugeben geschmacklose) Entgleisungen...und die Dame Journalistin wird plötzlich aufdringlich und drängt in die Ecke, lässt gar keine vernünftige Äusserung mehr zu, egal ob es eine gegeben hätte oder nicht, das ist kein Journalismus.
    Trotzdem: Der Beitrag hier ist fehlerhaft wie die Berichterstattung durch RTL2 selbst.

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