Gerade sind mir wieder zwei schöne Beiträge über Belehrungen begegnet, einer von der Kollegin
Braun und einer vom Kollegen
Vetter. Einen bunten Strauß blödsinniger Rechtsumgehungen finden wir da, den Polizei und Justiz gerne anrichten, um die Rechte der Bürger zu unterwandern.
Ermittlungsbehörden und Richter müssen Beschuldigte darüber belehren, dass diese nicht verpflichtet sind, eine Aussage zu machen. Sie müssen Zeugen belehren, dass diese das Zeugnis verweigern können, wenn sie sich selbst oder ein enges Familienmitglied belasten würden. So steht es im Gesetz.
Das ist eigentlich ganz einfach, aber ach: Es erschwert die Überführung des Beschuldigten, pardon: die Aufklärung des Sachverhalts - doch manchmal allzu arg. Deswegen greift der gewiefte Aufklärer zu immer neuen abenteuerlichen Strategien, nicht zu belehren oder die Belehrung wenigstens so zu fassen, dass die Zielperson trotzdem etwas sagt. Hier ein exklusiver Service für unsere wackeren Strafverfolger, mit tollen Tricks, wie man möglichst viele Aussagen erhält:
Trick 1: Möglichst bis kurz vor der Anklageerhebung nicht entscheiden, wer Zeuge und wer Beschuldigter ist und derweil "informatorische Befragungen" aller möglicherweise Beteiligten durchführen. Das Ergebnis dieser Befragungen kann später auch ohne weiteres verwertet werden, weil alle Angaben ja freiwillig gemacht wurden. Gerne praktiziert bei unübersichtlichen Turbulenzgeschehen, in denen nicht ganz klar ist, wer der böse Bube ist.
Trick 2: Einfach gar nicht belehren und hinterher behaupten, man hätte belehrt. So einfach und doch so wirkungsvoll! Denn Gerichte glauben einem Polizisten eigentlich immer, dass er ordnungsgemäß belehrt hat, schließlich ist er ja Polizist und macht das täglich! Notfalls einige Kollegen mitnehmen, die das auch so machen und als Zeugen aussagen können.
Trick 3: Wenn man unbedingt belehren muss, z. B. weil eine junger engagierter Auszubildender dabei ist, der mit den Usancen bei den Ermittlungsbehörden noch nicht so vertraut ist, dann sollte man jedenfalls so belehren, dass der Beschuldigte / Zeuge es nicht versteht. Dafür stehen je nach Pfiffigkeit des ermittelnden Beamten verschiedene Möglichkeiten zur Verfügung.
Trick 4: Die Belehrung auf einen Zettel schreiben und hinterher behaupten, man hätte diesen Zettel dem zu Belehrenden ausgehändigt. Beweis: Weil wir das immer so machen. Über diese Strategie sollten vorher unbedingt alle Kollegen informiert werden, damit sie notfalls als Zeugen für die Aushändigung des Vordrucks herhalten können. Im Optimalfall kann die Vornahme der Belehrung dann später sogar als gerichtsbekannt vorausgesetzt werden.
Trick 5: Einfach Belehrung sagen oder schreiben, es aber trotzdem nicht tun. Diese Strategie ist nur für Fortgeschrittene geeignet und erfordert einen gewissen Erfindergeist. Ein Prachtbeispiel für die gelungene Scheinbelehrung ist das von der Kollegin Braun dargestellte Formular, mit dem nicht belehrt, sondern einfach auf die Nummern der einschlägigen Paragraphen verwiesen wird. Da hätte ja jeder nachgucken können. Selbst schuld, wer sein Strafgesetzbuch nicht dabei hat!
Trick 6: Die Belehrungsformel sehr leise sagen und danach sehr laut fragen, ob man aussagen wolle und dabei drohend gucken.
Trick 7: Die Belehrungsformel sehr schnell aufsagen und im Anschluss laut, langsam und deutlich feststellen, wie sehr man sich darüber freue, dass der so Belehrte jetzt seine Aussage machen wolle.
Trick 8: Die Belehrung mit der Drohung verbinden, dass man bei Aussageverweigerung noch einmal fragen würde, notfalls mit Gewalt. Eine erst im Vordringen befindliche Taktik, von deren schriftlicher Ausprägung der Kollege Vetter
hier berichtet. Bedenken Sie unbedingt: Der Ton macht die Musik. Je fordernder, desto besser.
Trick 9: Wenn gar nichts mehr hilft, sollte man sich auch nicht scheuen, positive Anreize zu setzen, um die erfolgte Belehrung wenigstens zu konterkarieren: "Wenn sie jetzt hier aussagen, kriegen sie später vor Gericht mildernde Umstände". Das stimmt zwar nicht, ist aber unheimlich Erfolg versprechend. Der Zweck heiligt die Mittel. Wozu Gesetze, wenn es anders viel besser klappt?
Trick 10: Wenn der positive Anreiz allein nicht verfängt, sollte man ihn deutlich von den ansonsten drohenden negativen Konsequenzen abgrenzen: "Wenn sie sich weiter so unkooperativ zeigen, wirkt sich das negativ auf die Straferwartung aus.".