Donnerstag, 19. Februar 2015

Der Verurteilungsbegleiter im Licht der Kommentierung


Die Kollegin Braun und der Kollege Siebers haben mal wieder Bestandsaufnahme zum leidigen Thema der Pflichtverteidigerbestellung gemacht. Das liest sich gut, besonders interessant aber sind die Kommentare.

Das Meinungsbild ist diffus. Es lässt sich feststellen, dass Richter die Problematik eher nüchtern betrachten (zumindest die, die sich dazu äußern), während Verteidiger zwischen Emotionalität und Defätismus schwanken. Andere Personen scheint das Problem eher weniger zu interessieren.

Die Vorschläge zur Verbesserung des Systems kommen ausschließlich von Verteidigern und erfordern entweder einen enormen Verwaltungsaufwand, von dem keiner weiß, wer ihn leisten soll (Auswahl des geeigneten Verteidigers durch Rechtsanwaltskammer, Gericht oder Rechtspfleger) oder die Auswahl des Verteidigers soll vollständig dem Zufall überlassen werden ("Lostrommel").

Die folgenden Zitate haben mir am besten gefallen:

"Ein Ermittlungsrichter" schreibt über die Unfähigkeit der Angeklagten, sich selbst einen geeigneten Verteidiger auszusuchen:
"Wenn sie einen senilen, vorbestraften und überschuldeten Winkeladvokaten ohne Ahnung von der Materie haben wollen, nur weil der Ihre Schwester im Rechtsstreit gegen ihren Vermieter so toll vertreten hat, dann kriegen Sie den selbstverständlich von mir (...), auf dass Sie mit ihm glücklich werden.
"Björn Nordmann" betreibt Ursachenforschung zum Phänomen der Verurteilungsbegleiter:
"Die Beiordnungshandhabung der Amtsgerichte unterläuft Sinn und Zweck der Vorschrift des § 140 StPO. Da werden Kollegen beigeordnet, die ihre Mandanten im Flur das erste Mal sehen, die Akte nicht kennen, keine einzige Frage stellen und am Schluss die Strafe in das Ermessen des Gerichts stellen. Warum? Weil es geht!"
"Th.RiAG" schreibt zu möglichen Auswahlkriterien:
"X Berufsjahre und Fachanwalt? Klingt leider nur auf den ersten Blick prima, läuft aber letztlich auf einen closes shop hinaus. Für ältere Anwälte sicher attraktiv, potientielle Konkurrenz so auf Abstand zu halten, aber gerecht?"
"RA Hermann" schließlich schreibt zur Hoffnungslosigkeit allen Strebens:
"Abgesehen davon, bedeutet die Bestellung eines "Urteilsbegleiters" nicht, dass ein engagierter Anwalt mehr hätte herausholen können."
Da kann sich jetzt jeder seinen persönlichen Lieblingsstandpunkt heraussuchen.







2 Kommentare:

  1. Ich nehme "Ein Ermittlungsrichter" und "Björn Nordmann" - tendiere mehr zu "ein Ermittlungsrichter". Denn das Beispiel des Kollegen Nordmann scheint doch ein extremeres zu sein, das des Ermittlungsrichters ein alltägliches.

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  2. Mir kommt bei der ganzen Diskussion (hier und anderswo) ein wenig der Gedanke zu kurz, dass gerade Kollegen, die die richterinitiierte PV-Bestellung zum Geschäftsmodell ihrer Kanzlei gemacht haben, unter Umständen ein für den Angeklagten besseres Ergebnis herausholen können, als ein (vor diesem Richter) selten auftretender Konfliktverteidiger, der mit letztlich erfolglosen Anträgen nur so um sich wirft. Bei uns gab es (vor vielen Jahren, zugegeben, aber das hat sich im Grundsatz nicht geändert) den Spruch "wer mit Bossi kommt, wird entweder freigesprochen oder bekommt ein Jahr zusätzlich".
    Vertrautheit aus häufigen Begegnungen und Verzicht auf sinnlose Konflikte kann durchaus auch ein paar Monate Rabatt bringen ... was von "Dauerkunden", die selbst wissen, was ihnen blüht, auch durchaus honoriert wird und nicht gerade selten dazu führt, dass sie genau diese "stillen Urteilsbegleiter" haben wollen.

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