Das OLG München hatte über den Fall eines Betrunkenen zu urteilen, der bei einer Personenkontrolle zu einer Beamtin gesagt hatte: "You're completely crazy". Das AG München hatte ihn dafür wegen Beleidigung verurteilt. Da könnte man sich fragen, ob dieser Ausspruch objektiv überhaupt geeignet ist, die Angesprochene herabzuwürdigen. Wir wollen das hier nicht tun.
Man könnte sich auch fragen, ob das Verhalten des Angeklagten nicht zumindest gerechtfertigt war, zumal die Beamtin zuvor ihn beleidigt hatte, und das grundlos. Wir wollen auch das hier nicht tun. Der Sachverhalt und die Rechtsauffassung des OLG sind nachzulesen in der StrFO 1/15, Seite 30.
Wir könnten uns auch fragen, warum mittlerweile bei praktisch allen Verfahren wegen Beleidigung - diejenigen mit sexuellem Hintergrund mal ausgenommen - Beamte oder Richter die Geschädigten sind. Wo doch gerade Beamte und Richter als Inhaber rechtlicher oder tatsächlicher Macht die Souveränität haben sollten, gewisse Anwürfe stillschweigend zu ertragen. Wir wollen auch das nicht weiter ausführen.
Wir zitieren lieber das AG München aus seinen Urteilsgründen:
"Es sei auch eine gewisse Verärgerung nachzuvollziehen, da der Angeklagte zutreffend seine Personalien angegeben habe und ihm diese Angaben erst einmal nicht geglaubt worden seien. Andererseits habe die Geschädigte ihm keinen Anlass zu der Beleidigung gegeben..."
Wer so etwas schreibt, muss Jurist sein, und zwar ein ziemlich schlechter. Wir wollen mal den Gedankengang analysieren: Der Angeklagte war zu Recht ("nachvollziehbar") verärgert. Da sollte man meinen, er habe sich auch angemessen zur Wehr setzen dürfen. Soll er aber nicht gedurft haben, denn: "Andererseits" sei kein Anlass erkennbar gewesen. Das Wort "andererseits" drückt - in der Regel mit dem voran gehenden Wort "einerseits" verbunden - zwei gegenläufige Aspekte einer Situation aus.
Hier hat das Amtsgericht einen für den Angeklagten sprechenden Gesichtspunkt benannt, bleibt aber den gegen ihn sprechenden Gesichtspunkt schuldig. Stattdessen spricht es dem für den Angeklagten sprechenden Gesichtspunkt ("zur Recht verärgert") jegliche Bedeutung ab ("kein Anlass"), und dass noch dazu ohne jede Begründung.
So etwas bringt nur fertig, wer schon vorher weiß, was am Ende herauskommen soll. Dann aber könnte man sich die ganze Prüfung sparen. Das wäre ehrlicher.
Immerhin: Das OLG München hat dem mangelhaften Rechtsempfinden zumindest in diesem Fall ein Ende bereitet.
Sie verkennen einfach, dass eine (nachvollziehbare) Verägerung noch keine Anlass zur Beleidigung darstellt.
AntwortenLöschenEs ist mir schleierhaft, wie man andere als ,,schlechte Juristen" bezeichnet und in seiner recht ausführlichen Analyse eine solche Selbstverständlichkeit übersieht.
Es könnte natürlich sein, dass dies vor dem Hintergrund, dass sie stets vorschnell urteilen und herabwürdigen, nur kosequent ist.
Überraschenderweise finden sie das Kor... ich meine bringen es auf den Punkt:
,,So etwas bringt nur fertig, wer schon vorher weiß, was am Ende herauskommen soll. Dann aber könnte man sich die ganze Prüfung sparen. Das wäre ehrlicher."
Sie behaupten "zumal die Beamtin zuvor ihn beleidigt hatte, und das grundlos".
AntwortenLöschenKann es sein, dass Sie sich das einfach ausgedacht haben? In der Entscheidung des Oberlandesgerichts, die zB hier ( https://www.burhoff.de/insert/?/asp_weitere_beschluesse/inhalte/2792.htm ) nachgelesen werden kann, steht davon jedenfalls kein Wort.
@ Gast
AntwortenLöschenViertletzter Absatz !
@ Caspar
Das OLG sah statt eine Beleidigung, eine drastische Kritik an der polizeilichen Maßnahme.
Im übrigen sieht sogar ein Gesetz (§199 StgB) eine Kompensation vor.
Mal etwas unjuristich:
Es ist völlig in Ordnung, wenn Beleidigungen geahndet werden,
aber man muss nicht gleich wegen jedem Kleinkram zum Richter rennen.
@ Tourix: Auch im viertletzten Absatz steht nichts davon, dass das Beleidigungsopfer vorher selbst beleidfigt hätte.
AntwortenLöschengenau lesen Ziff. 2 Abs. 4 : "Die Äußerung des Angeklagten ist anlässlich seiner Personalienfeststellung gegenüber der die Abfrage durchführenden Beamtin gefallen und vor dem Hintergrund zu sehen, dass der - zudem stark alkoholisierte Angeklagte vorher von ihrem Kollegen zu Unrecht der Angabe falscher Personalien bezichtigt worden war und sich die Abfrage eine Weile hinzog."
AntwortenLöschenEben, genau lesen: Da steht nichts von einer Beleidigung, und schon gar nichts von einer durch das Beleidigungsopfer.
AntwortenLöschenEine Äußerung wie "Sie sind doch total verrückt!" als Beleidigung zu 15 Tagessätzen zu verurteilen, ist doch total verrückt. So einen Blödsinn gibt es doch grundsätzlich nur wenn die Justiz glaubt, sich selbst und was sie zu sich zählt, gegen den Pöbel verteidigen zu müssen. Und da ist die Alkoholisierung noch gar nicht berücksichtigt.
AntwortenLöschenWer sich von einer derart harmlosen Bemerkung eines Betrunkenen beleidigt fühlt, sollte vielleicht zum Psychologen gehen. Ich selber würde mich jedenfalls hüten, mich wegen einer solchen Lappalie als 'Geschädigter' zum Gespött der Leute zu machen.
Dem Urteil nach könnte der 'Täter' hier durchaus Geschädigter eines vorangegangen Betrugs gewesen sein. Und ich finde nicht, dass ein Betrunkener dann sauber unterscheiden muss zwischen dem Polizisten, der dem Betrugsopfer fälschlich vorgeworfen hat, falsche Personalien angegeben zu haben, und der Kollegin, die ebenfalls an der Amtshandlung beteiligt ist.
Schließlich muss der Betrunkene dann, wenn er seinen Unmut auf Englisch äußert, sicher nicht noch erst umständlich überlegen, welche Möglichkeiten es da so gibt, klarzumachen, dass man mehrere Personen meint und nicht nur eine einzelne. (Der neue amerikanische Plural 'you all' hat sich ja noch nicht generell durchgesetzt und ist vor allem bei Nicht-Muttersprachlern noch kaum bekannt.)
Soweit meine Meinung als Laie. Sollte sie juristisch nicht haltbar sein, gehören die Gesetze geändert. Das könnte dann sicher sehr schnell gehen, wenn die Gerichte anfingen, Beleidigungen gegen Penner, Schwarzfahrer, Ausländer in rein zufälligen Personenkontrollen usw. genauso unnachgiebig zu verfolgen wie solche gegen die Staatsgewalt ausübende Beamte.
Die Beleidigungstatbestände nach §§ 185 ff. StGB sind zu einem Staatsbedienstetensonderrecht geworden, weil fast ausnahmslos die StA bei Beleidigungen unter Zivilisten das öffentliche Interesse verneint (§ 376 StPO). Das ist in meinen Augen mit dem allgemeinen Gleichheitsgrundsatz aller Menschen vor dem Gesetz nach Artikel 3 Absatz 1 Grundgesetz nicht mehr vereinbar.
AntwortenLöschenist doch ganz einfach: Verärgerung auch wenn nachvollziehbar ist kein Grund. Rechtfertigende Gründe beginnen ab einem Liter Blutverlust aufwärts.
AntwortenLöschen"Das OLG München hat dem mangelhaften Rechtsempfinden zumindest in diesem Fall ein Ende bereitet."
Na also! Da sistem worrkx!