Mittwoch, 17. Dezember 2014

Typologie der Großbudenanwälte



Viele Rechtsanwälte arbeiten nicht allein verantwortlich, sondern in großen Zusammenschlüssen, die mittlerweile sogar als Kapitalgesellschaften organisiert sein dürfen. Man mag von diesen "law firms" halten, was man will. Hier ist jedenfalls ein ganz anderer Menschenschlag zuhause als bei den Einzelanwälten, die wir gestern hier abgehandelt haben. Auch diese Kollegen kann man schön kategorisieren. Wir fangen mal oben an:
  1. Der Seniorpartner - Der Seniorpartner ist Namensgeber seiner Sozietät, z. B. Denny Crane in Crane, Poole & Schmidt. Der Seniorpartner ist - der Name deutet es an - in erster Linie alt.  Es gibt angestellte Rechtsanwälte, die den Seniorpartner ihrer eigenen Sozietät noch nie zu Gesicht bekommen haben. Nennenswerte operative Tätigkeit übt der Seniorpartner nicht mehr aus, er betreut allenfalls noch einige Mandanten aus frühen Tagen, die mindestens genauso alt sind wie er selbst. Der Seniorpartner residiert in einem Büro weitab von der arbeitenden Masse, bestenfalls in einem eigenen Stockwerk. Das macht den Seniorpartner zur Zielscheiben von Witzeleien und Gerüchten. Eine gelungene Parodie des Seniorpartners findet sich in der Serie Ally Mc Beal: In der ersten Folge darf Ally den sagenumwobenen Seniorpartner ihrer Kanzlei aufsuchen. Der geschätzt hundertjährige Mann sitzt in einem sehr kleinen Raum am Ende des Ganges, vollgestellt mit Büchern und altem Zeugs, und macht den Eindruck der fortgeschrittenen Mumifizierung. Ein weiteres schönes Beispiel des Seniorpartners in der Anwaltsserie ist der schon erwähnte Denny Crane, dessen fortschreitendes Alzheimer-Leiden sich als running gag durch die Serie zieht. Normale Menschen werden dem Seniorpartner niemals begegnen, außer, er ist zufällig ihr Nachbar.
  2. Der Partner - Der Partner hat sein Leben lange gearbeitet. Er hat eine Ehefrau und zwei Kinder. Der Partner hatte seine erste Lebenskrise, als sein Erstgeborener ihn im Alter von zwei Jahren einmal nicht wieder erkannt hat und bei seinem Anblick zu Heulen begonnen hat. Das war, als der Partner am Wochenende wegen eines Stromausfalls ausnahmsweise früher nach Hause gekommen war. Zu diesem Zeitpunkt war der Partner beruflich sehr eingespannt, wie eigentlich immer, nur noch mehr. Die Aufgabe des Partners ist die Akquise und die Delegation. Dazu ist er führendes Mitglied in der jeweils stärksten Partei am Orte, in mindestens fünf Vereinen, in denen er jeweils mindestens das Amt des Schatzmeisters bekleidet; er wird auf alle wichtigen Veranstaltungen eingeladen, wo er die Sozietät repräsentiert. Wenn er damit fertig ist, arbeitet er. Er geht fremd mit seiner Assistentin. Das hat sich irgendwann nachts so ergeben.
  3. Der angestellte Rechtsanwalt - der angestellte Rechtsanwalt trägt die Last der Kanzlei auf seinen Schultern. Aufgrund seiner hervorragenden Examina wurde ihm die Gnade er Einstellung zuteil, jetzt arbeitet er bis zur vollständigen Erschöpfung die Akten ab, die der ihm zugeordnete Partner ihm hinschiebt. Natürlich hat der angestellte Rechtsanwalt das Ziel, auch einmal Partner zu werden. Das schafft je nach Größe und Zielvorgabe der jeweiligen law firm vielleicht jeder Zehnte, Hundertste oder Fünfhundertste. Der Rest wird irgendwann von den Partnern zu einem vertraulichen Gespräch gebeten, in dem die Partner ihm mit Sorgenfalten auf der Stirn eröffnen, dass er intern zu den Minderleistern gehöre und man beabsichtige, seinen Vertrag einvernehmlich aufzulösen. Das Einvernehmen wird dabei stillschweigend vorausgesetzt. Dem zukünftigen ehemaligen Angestellten wird mit auf den Weg gegeben, dass Kündigungsschutzklagen unter Anwälten übrigens verpönt seien, und er ja vielleicht noch einmal woanders eine Anstellung finden wolle. Das führt uns direkt zum
  4. Angestellten Rechtsanwalt zweiten Grades - Der a.RA.2.Gr. ist wie 3, nur arbeitet er zusätzlich auf Bewährung, meist bei einer etwas kleineren law firm, zu der er gewechselt ist, nachdem er bei seinem ersten Arbeitgeber freigesetzt wurde. Passiert ihm das ein zweites Mal - die Statistik spricht dafür - wird sich der a.RA2.Gr. mit dem Gedanken vertraut machen müssen, sich einen anderen Beruf zu suchen. Sich selbständig zu machen scheidet aus, denn als selbständiger Rechtsanwalt wäre er heillos überfordert. Der a.RA2.Gr. weiß nämlich nicht einmal, wo sich das örtliche Gericht befindet, denn dort ist er noch nie gewesen.



4 Kommentare:

  1. Sie haben eine rege Fantasie

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  2. Was dieser Kollege wohl dazu meint: https://litigationiswar.wordpress.com/
    ;)

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  3. Nette Glosse, macht Lust auf mehr ;)

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  4. Fast schon perfekt. Aber hinsichtlich Nr. 4 doch etwas schwarzmalerisch. Wenn sich der ehemalige Großkanzleianwalt nicht in einer Boutique wiederfindet dann landet er in der Regel für den Rest seines Juristenlebens in der Rechtsabteilung eines Unternehmens. Das Gericht vor Ort suchen dann weiterhin andere für ihn. Manche dieser Ex-Associates sollen sogar auch schon in der Justiz aufgeschlagen sein...

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