Mittwoch, 12. November 2014

Beratungsresistent


Der Mandant hatte einen Autounfall und wollte den Schaden an seinem Fahrzeug ersetzt haben. Damit kam er zu mir und schilderte einigermaßen empört den Sachverhalt. Er hatte aus einer Parklücke rückwärts ausgeparkt und war dabei mit einem hinter ihm fahrenden Fahrzeug kollidiert. Da sind die Chancen vor Gericht eher überschaubar, denn wer rückwärts fährt, muss dabei besondere Sorgfalt an den Tag legen. Die Argumentation des gegnerischen Versicherers war da kaum angreifbar. Ich habe dem Mandanten daher von einer Klage abgeraten.

Was macht da der Mandant? Er geht zu einem anderen Anwalt, der dann für ihn die begehrte Klage einreicht und verliert. Dieser Anwalt war dann wohl einer von den Rechtsanwälten, von denen Joachim Wagner oder Norbert Blüm behaupten, sie würden arme Mandanten in aussichtslose Rechtsstreits treiben.

Tatsächlich war es wohl hier eher der Mandant, der den Rechtsanwalt in einen aussichtslosen Rechtsstreit getrieben hat. Meiner Erfahrung nach ist dieser Fall übrigens deutlich häufiger als die von den Herrn Wagner und Blüm geschilderte Variante. Über die fehlenden Erfolgsaussichten jedenfalls war der Mandant im Eingangsfall - zumindest durch mich - ausführlichst aufgeklärt worden. Daran kann es also nicht liegen.

Die Ursache für den Rechtsstreit liegt wohl eher darin, dass viele Menschen gar nicht beraten werden wollen, sondern wollen, dass der Rechtsanwalt ihre Interessen vertritt. Daran ist an sich auch nichts Verwerfliches, wenn der Rechtsanwalt die Mandanten über die Risiken hinreichend aufklärt. Wer das Risiko dann sehenden Auges eingeht, soll das tun dürfen. Nur soll er seinem Rechtsanwalt hinterher nicht die Schuld dafür in die Schuhe schieben.

Das eigentliche Problem ist allerdings, das viele Gerichte offenbar ein völlig falsches Mandantenbild haben. Da regiert oftmals die Vorstellung eines emotionslosen Rationalisten, der sich der Einschätzung seines Rechtsanwalts ohne zu murren unterwirft und den Rechtsanwalt dafür auch noch gerne bezahlt.

Mit der Realität hat das leider wenig zu tun.


11 Kommentare:

  1. Das wäre nicht die erste Klage, die ein Rechtsanwalt förmlich aus Notwehr eingereicht hätte.

    Vor der Wahl zu stehen, dem Mandanten stundenlang eine aussichtslose Klage auszureden, oder nach Belehrung(!) die Klage in 30 Minuten abzudiktieren, macht schon einen Unterschied.

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  2. Es wäre auch kein richtiger Nebgen-Post geworden, hätte der zwar ziemlich beliebige, aber inhaltlich komplett nachvollziehbare Beitrag im vorletzen Absatz nicht doch noch die Wende zur indifferenzierten Richterschelte vollzogen.

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  3. Anonym-12. November 2014 02:22 trifft es perfekt.

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  4. ... nun für mich erweckt die "Notwehr-Klage" den Eindruck mangelnder Souveränität. Es bedarf nur geringer Reflexion, sich zu verdeutlichen, was recht kann und was es nicht kann. In der Regel versuchen wir ziemlich emotionale Probleme des Mandanten mit ziemlich rationalen Mittel (auf)zulösen ... da sind die Erfolgsaussichten von vornherein immer begrenzt ;-)

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  5. Sehen Sie es mal so: es gibt halt Anwälte, die beraten derartig klar, dass der doch nicht vollkommen beratungsresistente Mandant sie nicht beauftragt (wenigstens hat er mitbekommen, dass dieser Anwalt nicht bereit ist, seinen Briefkopf für Blödsinn herzugeben) oder die das Mandat niederlegen, bevor sie einen unnötigen Rechtsstreit einzuleiten helfen. Und dann gibt es andere, die jeden Blödsinn in Schriftsatzform gießen und in der Verhandlung dann zT auch noch mit völligem Unverständnis und manchmal auch mit heftigen Worten auf die spätestens dann erfolgenden richterlichen Hinweise reagieren. (Und es gibt die Anwälte, die man spätestens bei der Terminierung anruft und die dann, während sie um einen nochmaligen schriftlichen ausführlichen richterlichen Hinweis bitten, durchblicken lassen, dass es sich um ein subjektiv sehr wichtiges Anliegen des Mandanten handele, ihnen durchaus aber Schwächen der eigenen Rechtsposition bewusst sind... die Grenze zum Parteiverrat ist natürlich immer fließend, aber mit solchen Formulierungen mE noch nicht überschritten.;))

    So von wegen Imagepflege muss ich allerdings sagen, dass die - mit 100% durchgezogene - Notwehrklage u. U. auch durchaus eigene Nachteile für den Anwalt nach sich ziehen kann. Denn jedenfalls bei kleineren Amtsgerichten gibt es durchaus immer diejenigen Anwälte, bei denen entweder Notwehrklagen oder sonstige Probleme recht häufig vorzukommen scheinen und bei deren Briefkopf man weiß, dass man schon die Klageschrift höchst gründlich lesen muss, um Unheil für beide Parteien zu vermeiden. Und dann gibt es andere, aus Richtersicht seriös erscheinende Kanzleien, bei denen man weiß, dass es höchst unwahrscheinlich ist, dass die Klage unschlüssig sein wird oder sich unappetitliche Einzelheiten in der Beweisaufnahme ergeben werden. Raten Sie mal, wer beliebter ist... und bei welchen Anwälten kleinere Fehler dann eher nicht sofort auffallen.;)

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  6. Solange man klar und deutlich berät, spricht rein gar nichts dagegen,
    wenn man trotz zu erwartender Erfolglosigkeit trotzdem klagt.

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  7. @ noch so`n Gast
    Es gibt Querulanten, die immer recht haben wollen
    und es gibt beratungsresistente Menschen.

    Da hilft auch die beste, klarste und eindeutigste Beratung nichts.

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  8. "Über die fehlenden Erfolgsaussichten jedenfalls war der Mandant im Eingangsfall - zumindest durch mich - ausführlichst aufgeklärt worden. Daran kann es also nicht liegen."

    Das ist nun ein unzulässiger oder jedenfalls höchst blauäugiger Schluss - denn selbstverständlich kann "es" daran liegen, dass der als zweiter aufgesuchte, nunmehr Klage eingereicht habende Rechtsanwalt die Rechtslage völlig anders (eingeschätzt und/oder) dargestellt und den Mandanten - der natürlich, menschlich-allzumenschlich, lieber auf den Rat hört, den er hören möchte - sehr wohl in einen aussichtslosen Rechtsstreit getrieben hat.

    Und dann gibt es jede Variante dazwischen, denn freilich kann man mehr oder weniger intensiv be- oder abraten.

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  9. @ Tourix:
    Ohja, natürlich gibt's Querulanten und beratungsresistente Menschen, und zwar gefühlt verd... viele. Und gerne klagen sie "aus Prinzip", und beim AG gerne mal allein und mal anwaltlich vertreten. Okay, wenn sie allein sind, isses meist noch schlimmer...;)

    Haftungsrechtlich spricht gegen "Notwehrklagen" sicherlich nichts, solange eine ausführliche Beratung über die Risiken dokumentiert ist (auch wenn jedenfalls nach meiner Erfahrung Querulanten auch gerne mal trotz einer solchen Beratung ihre vorherigen Rechtsanwälte in Regress nehmen... diese aussichtslosen Rattenschwanzverfahren sind auch nicht wesentlich erfreulicher als das Ausgangsverfahren).

    Nur: wofür den Stress als Anwalt auf sich nehmen, solange es die Geschäftslage irgendwie hergibt, diesen Kelch weiterzureichen?! Ein unerfreuliches Gerichtsverfahren, womöglich üble Nachrede des enttäuschten Mandanten hinterher statt wärmster Werbung, Kollegen, die einen je nach Ausmaß des Schwachsinns der Klage offen oder versteckt bedauern, dass man entweder keine Ahnung oder offenbar wirtschaftliche Probleme hat, häufig keine ausreichende Honorarzahlung und die Gefahr einer Regressklage... da finde ich als außenstehender Naivling in Richterrobe die Position mutig, das jetzt einfach mal so durchzuziehen, weil ja 2 Stunden unangenehmer Beratung aufwändiger sind als die gleiche oder deutlich mehr Zeit, die man womöglich im Laufe des Verfahrens mit dem zunehmend verbitterten Mandanten verbringt.

    Und war da nicht sogar was mit der "Filterfunktion", die dem Anwalt als "Organ der Rechtspflege" zukommt?;)

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  10. @ Anonym13. November 2014 00:31
    Bei dem geschilderten Sachverhalt ist eine andere Bewertung als "aussichtslos" rechtlich vertretbar kaum möglich. Behauptungen ins Blaue hinein über einen theoretisch möglichen Verkehrsverstoß des anderen, ohne dass konkrete Anhaltspunkte hierfür vorliegen, dürften unzulässig sein. Selbst wenn es die Klage in die Beweisaufnahme mit teurem Rekonstruktionsgutachten schafft, dürfte die weit überwiegende Haftungsquote immer noch den Rückwärtsfahrenden treffen und damit ökonomisch sinnlos sein.

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  11. @Tourix:
    Das ist eine Frage der Wirtschaftlichkeit. Lohnt das Honorar den Aufwend des Erstellens des Aufklärungsschreibens über die Erfolglosigkeit der Klage bzw. Verteidigung gegen eine Klage? "Blamiert" man sich zu sehr, wenn man den Fall macht?

    Ich hatte das neulich mit einem Einspruch gegen ein Versäumnisurteil. Die Mandantin wusste, dass die Klage begründet ist und wollte durch den Einspruch nur Zeit gewinnen. Auf die vorläufige Vollstreckbarkeit von Versäumnisurteilen ohne Sicherheitsleistung habe ich sie mehrfach und am Ende auch schriftlich hingewiesen. Dennoch beharrte sie auf der Einlegung des Einspruchs. Und da es ein ordentlicher Streitwert war und sie einen ordentlichen Vorschuss zahlte, sah ich keinen Grund, einem Kollegen diesen schnellen Hinzuverdienst zu gönnen...

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