Montag, 24. November 2014

Nachts und am Wochenende


Die Kollegin Braun hat eine Notfall-Rufnummer, andere Kollegen - ich z. B. - nicht. Dafür finden Sie meine Mobilfunknummer relativ problemlos im Netz und können es gerne versuchen, auch nachts. Manchmal schlafe ich allerdings.

Andere machen es anders. Strafverteidigerorganisationen, die etwas auf sich halten, unterhalten regelrechte Notruftelefone, deren Rufnummern zumeist werbewirksam auf den Frontseiten der Telefonbücher platziert werden. Jedes Mitglied der Organisation darf dann ein-, zweimal im Jahr für eine Woche das Telefon an sich nehmen und es sich unter das Kopfkissen legen.

Und jetzt kommt die Überraschung: Es ruft fast nie jemand an. Falls doch, ist es meist ein Betrunkener, den die Polizei um 2:30 Uhr aus Verzweiflung mit auf die Wache genommen hat und der dort von seinem aus Funk und Fernsehen verbrieften Recht Gebrauch macht, einen Anwalt anzurufen. Ob der Rechsanwalt sich dann auf den Weg machen will, muss jeder selbst wissen. Häufig ist der nächtliche Anrufer auch schon wieder auf freiem Fuß, bevor der Rechtsanwalt anrücken kann. Häufig folgt auch gar kein Strafverfahren und der Rechtsanwalt hatte einen unvergüteten Ausflug auf Kosten seiner Nachtruhe. Es mag hart klingen, aber: Es gibt wirksamere Methoden, das Vertrauen potentieller Mandaten zu gewinnen. Richtige Kriminelle kennen sowieso andere Wege, einen Rechtsanwalt zu finden. Viele von denen kennen auch schon einen, dem sie vertrauen, und den sie nachts anrufen können.

Manche von denen wissen sogar, dass der Rechtsanwalt nachts und am Wochenende rein gar nichts für sie tun kann. Zugegeben, es sind die ganz abgezockten, die langmütig bis Montag warten, wenn die Haftabteilung wieder besetzt ist. Aber auch den anderen bleibt gar nichts anderes übrig als abzuwarten.


4 Kommentare:

  1. ein wahres Wort gelassen ausgesprochen....

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  2. "Zugegeben, es sind die ganz abgezockten, die langmütig bis Montag warten, wenn die Haftabteilung wieder besetzt ist. Aber auch den anderen bleibt gar nichts anderes übrig als abzuwarten."

    Sie werden lachen: Ich habe auch schon Sonntags Rechtsanwälte im Gericht gesehen. Gerade in der Haftabteilung...

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  3. Sie könnten doch immerhin telefonisch auf Ihren (künftigen) Mandanten einwirken. Etwa "Machen Sie sich nicht ins Hemd, das ist alles halb so wild, ein paar Tage Knast haben schon ganz andere überstanden, siehe Middelhoff, die Gefahr von Vergewaltigungen durch die Kapos der Knastmafia wird überschätzt, und umbringen wird man Sie schon nicht gleich".

    (Ach, sowas würden Sie nie sagen? Dann überlegen Sie mal, wie es wirkt, dass Sie sich nicht mal als Ansprechpartner zur Verfügung stellen wollen - das wirkt nämlich so, als würden Sie genau das Obige erklären. Für das Herausfiltern von Spaßanrufern gibt es übrigens kommerzielle Anbieter.)

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  4. Ein Verhafteter ist unverzüglich, spätestens nach Ablauf des auf die Verhaftung folgenden Tages dem Haftrichter vorzuführen. Wird er Freitag Abends verhaftet, erfolgt die Vorführung spätestens Samstags, ein am Samstag Verhafteter wird spätestens Sonntag dem Haftrichter vorgeführt. Aus diesem Grund ist an jedem Amtsgericht Deutschlands ein richterlicher Eildienst eingerichtet.

    Wird ein Haftbefehl erlassen, soll dem Beschuldigten sofort ein Pflichtverteidiger bestellt werden. Meinen Sie nicht, dass es im Interesse des Beschuldigten wäre, diesen auch telefonisch erreichen zu können? Oder verteidigen Sie nicht so gerne Verhaftete?

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