Mittwoch, 5. November 2014

Recht und Krawall


Unter meinem Beitrag über Unhanseatische Verteidigung findet sich unter anderem ein schöner Kommentar, den ich den Lesern, die vielleicht nicht bis zu den Kommentaren gekommen sind, keinesfalls vorenthalten möchte:

"Andere Ansicht"schreibt :

"Ich bin anderer Auffassung. Zu einer guten Strafverteidigung gehört m.E., dass man sich nicht nur innerhalb der Grenzen des Rechts bewegt, sondern auch Anstand, Respekt und Moral nicht vermissen lässt.
Es gibt hanseatische Kaufmannspflichten, die für einen Strafverteidiger auch gelten sollten, etwa wass man Wort hält, wenn man etwas (mündlich) zugesagt hat.
Und wenn man durch eine aufbrausende, undistanzierte Art der Verteidigung auffällt, ist das keine Konfliktverteidigung, sondern Krawallverteidigung. Das muss m.E. auch nicht sein.
"

Trotz seines Titels muss ich "Andere Ansicht" hier zunächst einmal voll zustimmen. Anstand, Respekt und Moral sind unbedingt wünschenswert, wenn nicht sogar notwendig. Bei den hanseatischen Kaufmannspflichten bin ich mir nicht ganz so sicher, aber das ist eine andere Geschichte.

Gar nicht wünschenswert ist eine aufbrausende, undistanzierte Art der Verteidigung. Auch wenn einige Mandanten diese Form der Verteidigung sehr schätzen, aber auch das ist eine andere Geschichte.

Nur: Darum geht es doch gar nicht.

Jeder gute Verteidiger wird bestrebt sein, in einer angenehmen Atmosphäre in höflichem Tonfall sachlich zu verhandeln. Wer das nicht will, den kann man Krawallverteidiger nennen, auf jeden Fall wäre so jemand in meinen Augen kein guter Verteidiger. Wer von Anfang an sein Ego in den Vordergrund stellt, schadet im Zweifel den Interessen seines Mandanten und nutzt nur seinen eigenen. Aber das ist eine Binse.

Die eigentliche Frage ist: Wie soll ein Verteidiger reagieren, wenn Gericht oder Staatsanwaltschaft es an notwendiger Neutralität, Anstand und Rechtschaffenheit missen lassen? Hier wird der Mandant sich nicht nur einen Verteidiger wünschen, der dem entschlossen entgegentritt, er hat sogar einen Anspruch darauf. Sonst bräuchte man nämlich gar keine Verteidigung.

Zu einigen Zeiten und in einigen Staaten war (und ist) das so.


4 Kommentare:

  1. "Anstand, Respekt und Moral" sind so weiche Kriterien, die jeder einzelne anders bewertet. Gerade in bestimmten Fällen sieht es der ein oder andere sogar als "moralisch höchst verwerflich" an, dass "der Anwalt überhaupt so einen verteidigt" und als "respektlos", dass der Anwalt "dem armen Opfer solche Fragen stellt" usw.

    Nach solchen Vorstellungen von Moral und Respekt kann sich ein Verteidiger unmöglich richten.

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  2. Es bleibt die Frage, was denn - im Kontext anwaltlichen Handelns - eigentlich "hanseatisch" ist?
    Ich habe in zwanzig Jahren nur drei Kollegen erlebt, die eine telefonische Vereinbarung über eine Unterbevollmächtigung nicht eingehalten bzw. der Wahrheit zuwider hinterher bestritten haben. Die kamen alle drei aus Hamburg. Kann Zufall sein.

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  3. Noch so ein Gästchen5. November 2014 um 11:53

    Ich kann dem Beitrag nur voll zustimmen. Auch und gerade von der anderen Seite der Theke. Schwierig sind aus Richtersicht nicht diejenigen, die in höflicher Form den Finger auf den/die wunden Punkt(e) legen (die machen schließlich nur ihren Job, auch wenn es im Einzelfall (weil mehr Arbeit) "lästig" sein kann... und peinlich, wenn man bei einer Wissenslücke ertappt wird.;)) Man kommt als Richter auch notfalls klar mit denjenigen, die in auch unhöflicher Form rechtlich gut verteidigen. Wobei auch gegenseitige rechtliche Ansichten kein Hindernis sein sollten, zumindest grundlegende Höflichkeitsformen zu wahren (gilt für beide Seiten.;)) Ein echtes Problem sind aber aus meiner Sicht vor allem diejenigen (miesen) Anwälte, die an Stellen Ärger machen, wo es dem Mandanten nicht mal hilft, dafür an Punkten schweigen oder nur Blödsinn reden, an denen der Angeklagte aus Richtersicht eine echte Chance hätte (und dann womöglich das Bemühen des Gerichts um Klärung gerade dieses Punktes zugunsten des Angeklagten hintertreiben), dabei aber immer dicke Backen aufblasen und zT die Verteidigungsstrategie fahren, das Gericht so lange (in zT sehr persönlicher Form) zu beleidigen, bis einem der Kragen platzt und ein Befangenheitsantrag gestellt werden kann. Wenn der Befangenheitsanfang gerechtfertigt sein und durch die zeitliche Verzögerung Verjährung eintreten sollte, vielleicht auch eine erfolgversprechende Strategie... aber meistens ist so ein Verhalten doch eher kontraproduktiv, v.a., wenn klar wird, dass der Verteidiger nur mit Nebelkerzen wirft. Dann spricht man am Ende manchmal nicht wegen, sondern trotz der Verteidigung frei...;) Kurz: wenn die Argumente gut sind, braucht man in aller Regel keine dicken Backen. Wenn die Argumente mies sind, sorgt man mit rhetorischen Ausfällen allenfalls für Langeweile oder eine miese Stimmung auf der Richterbank, die es u. U. sogar schwerer machen kann, Umstände zu Gunsten des Angeklagten in vollem Umfang zu würdigen (darf nicht sein, man muss sich da aber wirklich kontrollieren). Wenn das Gericht stur sein sollte trotz guter Argumente, ist ein nicht mehr zurückhaltendes Auftreten der Verteidigerseite angebracht und verständlich. Herumgebrülle und Gezetere sowie persönliche Beleidigungen rufen aber in den allerwenigsten Fällen den Anschein von Souveränität hervor. Aufgebracht, aber dennoch höflich beim Stellen der dann erforderlichen Anträge sein, dürfte auch in solchen Fällen erfolgversprechender sein.;)

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  4. Die "Krawallverteidigung" scheint ein Geschäftsmodell zu sein, womit man durchaus Kunden gewinnen kann.
    Aber erfolgreich scheint eine derartige Verteidigung nicht zu sein.
    Ein solcher hatte es mal fertig gebracht für eine Kleinigkeit mit abgelaufener Einspruchsfrist 3 Seiten voll zu schreiben, wovon aber alles irrelevant war.
    Es bringt nichts, kostet aber Zeit.

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