Das Landgericht Nürnberg hat - wie
hier und
hier bereits thematisiert - einen Strafverteidiger verurteilt, weil er seinem Mandanten geraten haben soll, einen Mitbeschuldigten wahrheitswidrig zu belasten. Ich weiß nicht, ob dieser Vorwurf zutrifft, und auch die Prozessakten kenne ich nicht. Möglicherweise stimmt der Vorwurf - besonders wahrscheinlich ist das allerdings nicht.
Grundsätzlich gibt es keinen Grund für einen Angeklagten zu lügen. Denn mit dem Schweigerecht hat der Angeklagte eine sehr viel elegantere Möglichkeit, sich nicht selbst zu belasten. Das gilt schon deshalb, weil man Lügen widerlegen kann, Schweigen dagegen nicht. Von diesem Grundsatz gibt es allenfalls zwei halbe Ausnahmen, die ich hier nicht erläutern werde. Das ist ein Berufsgeheimnis.
Da es keinen Grund gibt zu lügen, gibt es auch keinen Grund für den Rechtsanwalt, seinem Mandanten dazu zu raten. Zumal der Rechtsanwalt die "Wahrheit" nicht kennen dürfte. Der Rechtsanwalt wird also kaum jemals sicher wissen, ob sein Mandant lügt oder nicht. Auch der äußere Anschein hilft da in der Regel nicht weiter, denn mancher verkauft seine Wahrheit äußerst ungeschickt, manch anderer überzeugt womöglich auch mit dreisten Erfindungen. Nur Richter behaupten ab und an von sich, dies sicher beurteilen zu können - obwohl sie in der Regel über keinerlei psychologische Qualifikation verfügen und selbst trainierte Experten regelmäßig daran scheitern, wahre und falsche Behauptungen zu unterscheiden.
Als Rechtsanwalt bin ich übrigens verpflichtet, meinen Mandanten auf den § 31 BtMG hinzuweisen. Dieser Paragraph sieht die Möglichkeit einer Strafmilderung für den Fall vor, dass man bis dato noch unbekannte Mittäter belastet (sog. "Kronzeugenregelung"). Das Gesetz umschreibt diese Form der Denunziation verhalten mit den Worten "eine Tat über den eigenen Tatbeitrag hinaus aufklären".
Möglicherweise hat der verurteilte Kollege nur auf diese Norm hingewiesen. Ob das Gericht hierüber Beweis erhoben hat? Ich mag den Richtern Unrecht tun, aber vorstellen kann ich es mir nicht. Und das hat seine Gründe in beruflicher Erfahrung, nicht in prinzipieller Abneigung gegen Richter.
Ich kann mir nicht helfen: Ich vermag mir einfach nicht vorzustellen, wie ein Gericht vor diesem Hintergrund rechtsfehlerfrei zu der Überzeugung gelangt sein will, dass gerade ein verurteilter Verbrecher in diesem Punkt die Wahrheit gesagt haben soll, während sein Verteidiger eine aus seiner Sicht völlig unsinnige Handlung begangen haben soll, die ihn zudem noch selbst in Gefahr bringt.
Nun sind auch Strafverteidiger vor Dummheit nicht gefeit, aber - wie gesagt - besonders wahrscheinlich ist ein solches Verhalten gleichwohl nicht. Wesentlich wahrscheinlicher - und häufiger - ist, dass ein Angeklagter
- den Hinweis seines Rechtsanwaltes schlicht missverstanden,
- oder falsch wieder gegeben hat,
- oder denkt, dass es ihm einen Vorteil bringe, wenn er seinen Rechtsanwalt wahrheitswidrig belastete.
Und gelogen hat der Angeklagte ja bekanntlich schon einmal. Nur ist die Neigung eine Lüge zu glauben eben auch für Richter viel größer, wenn einem der Inhalt der Lüge gefällt. Und die Vorstellung des zur Lüge anstiftenden Strafverteidigers scheint vielen Menschen große Genugtuung zu bereiten.