Donnerstag, 15. Januar 2015

Aber ich bin doch kein Verbrecher!


Die Kollegin Braun verteidigt gerne Schuldige. Das kann der eine oder andere Kollege vielleicht nachvollziehen, ein Kommentator möchte dagegen geprüft wissen, ob es sich dabei nicht um "massenhaften Parteiverrat" handele. Die Prüfung ist relativ kurz und fällt negativ aus, schon weil Parteiverrat ganz andere Voraussetzungen hat. Aber diese Reaktion führt uns zum eigentlichen Problem.

Hinter der pointierten Aussage der Kollegin steckt natürlich keine Abneigung gegen Tugendhaftigkeit, sondern ganz einfach die Erfahrung, dass ein Rechtsanwalt seinen Mandanten viel effizienter helfen kann, wenn diese wissen, wie Recht und Gesetz funktionieren. Da haben Knastis einfach mehr Erfahrung - eine Erfahrung, die man seinen übrigen Mandanten allerdings in der Regel nicht wünschen möchte.

Mit "unschuldigen" Mandanten ist es hingegen mitunter weit schwieriger, eine gemeinsame Verteidigungslinie zu finden. Das liegt nicht nur an deren Unerfahrenheit, sondern häufig leider auch an fehlender Kenntnis davon, wie die Justiz arbeitet - und wie nicht. Aber auch das ist eigentlich nicht das Problem, denn diese Erfahrung kann ich als Strafverteidiger meinen Mandanten ja vermitteln, das ist sogar Teil meiner Aufgabe.

Auffallend ist allerdings, wie hartnäckig einige Menschen sich weigern, die Erfahrung eines Profis anzunehmen. Das gilt leider im besonderen Maße für Menschen, die sich selbst nichts vorwerfen. Gerade die weigern sich mitunter beharrlich, den Ratschlägen des Verteidigers zu folgen: Weil sie sich keiner Schuld bewusst sind, sehen sie nicht ein, warum sie nicht mit der Polizei reden sollen und finden es stattdessen verdächtig, von ihrem Schweigerecht Gebrauch zu machen. Wenn ihnen der Anwalt dann aber Unschuldsvermutung und Zweifelssatz erklärt, gucken sie ungläubig und ignorieren es einfach. Diese passiv-aggressive Ablehnung, das Offenkundige zu akzeptieren, ist das eigentlich Bemerkenswerte an solchen Menschen.

Im Umgang mit der Strafjustiz herrscht oft noch der naive Glaube, Straftäter seien geborene solche und vor allem: immer die anderen. "Aber ich bin doch keine Verbrecher", ist der mit Abstand häufigste Satz aus dem Mund solcher Zeitgenossen. Dass die ferne Strafjustiz sie für Straftäter hält, wollen sie einfach nicht wahrhaben. Den Beteuerungen eines erfahrenen Verteidigers schenken sie keinen Glauben, auf dass ihre naive Überzeugung von der trennscharfen Abgrenzung in Gut und Böse nicht ins Wanken gerate.

Solchen Menschen zu helfen, ist wahrlich die schwierigste Aufgabe, die ein Verteidiger bekommen kann.



3 Kommentare:

  1. ich hatte vor kurzem einen lieben Opi (70+, unbescholten bis zum geht nicht mehr). § 315c. Der hat allein eine fünfseitige handschriftliche Einlassung mit Teilgeständnischarakter abgegeben. Zu mir ist er erst gekommen, als er in der Anklageschrift etwas von "entziehung der Fahrerlaubnis" laß. War dann naturgemäß schwierig. Beim rechtzeitigen Gang zum Verteidiger wäre es ein glatter Freispruch geworden.

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  2. der bisher im Leben Unbescholtene denkt immer, die Polizei würde schon die Wahrheit herausfinden, und das beste sei, alles auf den Tisch zu legen, damit die Polizei erkenne, wie es gewesen sei. Dann werde alles gut. Wen ich dann die Predigt von "Polizei im Ermittlungsverfahren gegen Sie ist Gegner, sonst nichts, kriege ich manchmal Blicke, als sei ich "Mork vom Ork", Kommunist, Neonazi, Anarchist, ISIS, oder sonstiger Staatsfeind.Nebgen und Kollegin Braun haben recht:Unschuldige (ich will sagen: nicht Vorgeahndete) sind schwierig.

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  3. Die allermeisten Mandanten kann ich auf den "Schweigen, bis die Akte da ist"-Kurs trimmen. Zum Glück!

    Beim Rest gilt: "Des Mandanten Wille..." - verbunden mit einer fetten Aktennotiz, dass man dem Mandanten mehrfach davon dringend abgeraten hat.

    Und fängt der Mandant an, plötzlich selbst zur Polizei zu gehen oder die Staatsanwaltschaft anzurufen, muss man sich ernsthaft überlegen, ob man das Mandat nicht besser niederlegt.

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