Dienstag, 25. Januar 2011

Fernab von Mannheim

Fernab von Kachelmann, im eher beschaulichen Hannover, fand bis gestern ein Strafverfahren statt, dass von den Pressen mit weit weniger Aufmerksamkeit verfolgt wurde - obwohl es sogar vor dem Schwurgericht stattfand und vor kurzem auch bereits den 50. Verhandlungstag erlebte.

Auch das Sujet ist eigentlich weit interessanter als die Frage, ob Kachelmanns Sexspiele freiwilliger Natur waren oder vielleicht doch nicht. Denn es ging um Leben um Tod: Der Ärztin Dr. Mechthild Bach wurde vorgeworfen, unzählige, teilweise gesunde Patienten durch die Gabe von Morphium und Valium zu Tode gebracht zu haben. Ermittelt wurde in diversen Fällen, von denen etwa ein Dutzend zur Anklage gekommen sind; Verdachtsmomente seitens der Klinik sollen in über hundert Fällen bestanden haben. Die Sterberaten im Zuständigkeitsbereich der Ärztin sollen jedenfalls über Jahre hinweg auffällig hoch gewesen sein; auf den Vorgang aufmerksam geworden ist wohl erstmals die AOK.

Es mag auch ein Verdienst der Verteidigung sein, dass dieser Prozess sein Dasein vergleichsweise im Schatten geführt hat. Jetzt ist der Prozess zu Ende gegangen; einzustellen wegen des Todes der Angeklagten.

Mechthild Bach hat sich nach Presseberichten - z. B. der Bild - selbst eine tödliche Infusion gelegt. Zuvor hatte das Schwurgericht wohl einen Hinweis erteilt, dass auch eine Verurteilung wegen Mordes in Betracht komme. Möglicherweise hätte die Verhaftung gedroht. Ihr Verteidiger hat mittlerweile eine Erklärung abgegeben, dass der Freitod nicht als Schuldeingeständnis zu werten sei.

Was bis dahin ein interessantes Strafverfahren war, wird durch das Ende zur Tragödie.

4 Kommentare:

  1. "Was bis dahin ein interessantes Strafverfahren war, wird durch das Ende zur Tragödie." Aus der Sicht der Angehörigen der mutmasslichen Opfer der Ärztin könnte der Status der Tragödie bereits vor dem Freitod erreicht worden sein.

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  2. Ich hatte nicht das Gefühl, dass dieses Verfahren medial unterrepräsentiert war - was natürlich daran liegen kann, dass ich auch die regionale Presse verfolge. Es war das Glück (wenn man in deisem Zusammenhang das Wort verwenden darf), dass sich die Bildzeitung nicht zum Ziel gesetzt hatte, Verfahrenbeteilgter zu werden... Aufmerksam war sie dennoch

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  3. "Was bis dahin ein interessantes Strafverfahren war, wird durch das Ende zur Tragödie."

    Aus der Sicht eines Juristen mag das richtig sein. Aus der Sicht von Mandanten "ohne Justizerfahrung" beginnt die Tragödie in aller Regel wesentlich früher. Der rechtliche Hinweis des Gerichts dürfte nur noch der Auslöser gewesen sein.

    PS: Der Link zur Bild geht nicht (mehr). Die Welt berichtet hier: http://www.welt.de/print/die_welt/hamburg/article12345218/Krebsaerztin-toetet-sich-mit-Morphium-Debatte-um-Taten-geht-weiter.html

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  4. "Was bis dahin ein interessantes Strafverfahren war, wird durch das Ende zur Tragödie."

    Eine selbst für die Verhältnisse in diesem blog an Peinlichkeit nicht für möglich gehaltene Entgleisung.

    rough justice

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