Mittwoch, 23. November 2016

Therapiebedürftig


Es ist falsch, Menschen als dumm zu bezeichnen, nur weil sie z. B. Donald Trump gewählt haben.

Wer so etwas schreibt, kann sich sicher sein, allseits wohlgefälliges Nicken zu ernten. Die Aussage klingt differenziert, problembewusst, verständnisvoll. Eine moderate Stimme im Meer der Schreihälse.

Gronkh ist so einer. Auf Spiegel Online gibt es derzeit ein Interview mit Erik Range - so heißt er, wenn er nicht gerade auf YouTube Spiele testet - und der sagt dort genau das. Wörtlich heißt es:

"Ich erlebe zum Beispiel immer mehr politischen Hass. Ein Trump wurde zum Beispiel nicht zwingend von "dummen" Menschen gewählt, wie es gerne stark vereinfacht wird. Er wurde gewählt von Menschen, die das Gefühl haben, sie werden nicht gehört. In Deutschland ist aus ähnlichen Gründen die AfD auf dem Vormarsch."

Gut, ich soll also Menschen, die Donald Trump gewählt haben, nicht als "dumm" bezeichnen. Die hatten schließlich ihre Gründe. Nun hat derjenige, der um der Erbschaft willen Mutter und Vater erschlägt, auch einen Grund. Möglicherweise sollte man sich also die Qualität des Grundes mal etwas näher anschauen.

Den Grund der Trump-Wähler liefert Gronkh in seinem Zitat ja gleich mit: Die Menschen hätten das Gefühl, sie würden nicht gehört. Aber ist das ein Grund?  Wird man in einer Demokratie nicht institutionalisiert gehört - im Wege so genannter Wahlen?  Was meinen diese Leute damit, sie würden nicht "gehört"? Dass sie nach Wahlen in der Minderheit sind? Ist das dann nicht gerade das Wesen der Demokratie? Wollen diese Menschen die Demokratie abschaffen?

Da scheint mir der Schwerpunkt der Aussage dann doch eher auf dem Gefühl zu liegen. Aber kann ein Gefühl ein Grund sein? Das klingt wie: "Wir müssen die Sorgen der Menschen ernst nehmen". Aber muss ich die Sorge eines Kleinkindes, unter dem Bett könnte sich ein Monster verstecken, ernst nehmen? Sicherlich nicht, zumindest nicht in dem Sinne, dass ich das Kind in seinem Glauben um die Existenz des Monsters noch bestärke. Damit würde ich dessen Angst nur vergrößern. Richtig wäre allein, dass Kind von seinen Ängsten zu befreien, also es zu therapieren.

Nun haben viele Menschen also offenbar Donald Trump gewählt aus einem Gefühl, das in der Realität keine Entsprechung hat. Das geht vielen AfD-Anhängern ganz ähnlich, da hat Gronkh wohl Recht. Und diese Leute darf ich jetzt aus welchem Grund genau nicht als dumm bezeichnen?

Weil sie wie ein Kind Angst haben vor einem Monster, das es nicht gibt? Gut, eingesehen, ich sage nicht mehr "dumm".

Ich sage "therapiebedürftig".





4 Kommentare:

  1. Das Problem ist, dass Menschen zunehmend institutionalisiert und pauschaliert angegriffen werden. Das Phänomen ist auch in Deutschland präsent, beispielsweise in Person durch die sexistischen Minister Maas und Schwesig bzw. in Gesetz und Rechtsprechung am Beispiel vieler Details im Familien- und Strafrecht.

    In den USA ist das noch mal eine Spur heftiger. Zu dem sexistischen Feminismus kommt noch eine deftige Portion Rassismus in Form von Weißenhass. Wer weiße Männer angreift darf sich alles erlauben. Wer den Tod von Polizisten fordert darf sich alles erlauben. Wer den richtigen Präsidentschaftskandidaten auf einer Wahlveranstaltung vom Pult drängt und das Mikro einfordert darf sich alles erlauben. Wer Clinton als schlechte Kandidatin bezeichnet sei ein Sexist. Wer irgendetwas macht, und sei es noch gut gemeint, findet immer jemanden, der sich daran stört und viel Lärm macht. Es ist eine rießige Mob-Mentalität und die Medien haben fleißig dabei mitgemacht.

    Clinton hat sich mit dieser Denkweise assoziiert, weil sie glaubte damit die entscheidende Menge an Wählern zu gewinnen. Daher ihr übermäßiger Erfolg bei den Randgruppen. Bei den Frauen hat das nicht funktioniert und das obwohl quasi ihr einziges politisches Thema war, dass sie eine Frau ist. Zudem war sie eine äußerst schlechte und manipulative Kandidatin mit einer Vergangenheit, die ihr mehr auf die Füße gefallen ist als Trumps Vergangenheit.

    Es gibt viele Gründe warum man gegen Clinton sein kann. Was soll man denn Ihrer Meinung nach tun um sich von ihr und den mit ihr assoziierten Themen zu distanzieren? Das Winner-takes-it-all Wahlsystem ist - ähnlich wie bei uns mit der Erststimme - ein rießiges Problem, weil es effektiv nur zwei Möglichkeiten zulässt. Eine Nicht-Clinton-Stimme ist dann nun mal eine Pro-Trump-Stimme. Selbst wenn man Trump für einen schlechten Kandidaten hält und beispielsweise lieber Sanders gewählt hätte.

    In Deutschland lässt die Verwendung der Zweitstimme mehr als zwei relevante Parteien zu, das Problem der 5%-Hürde bleibt jedoch. Unser Wahlsystem ist besser als in den USA, jedoch gäbe es einige deutlich bessere Möglichkeiten. So kommt es jetzt leider, dass alle Nicht-(CDU/CSU/Grüne/Linken/..)-Stimmen in der AfD kanalisiert werden, weil diese als einzige die 5% sicher überspringt. Für mich kein Grund diese zu wählen, aber der bundesweite Effekt bleibt.

    Machen Sie nicht den Fehler zu pauschalisieren. Es ist leicht sich einen "Strohmann" zu basteln den man mit allen möglichen negativen Attributen des Gegners versieht. Mit der Realität hat das dann aber auch nicht mehr zu tun als das Monster unter dem Bett. Dann sind Sie das kleine Kind dieser Geschichte ohne es zu merken. Feindbilder helfen uns nicht weiter. Versuchen Sie diese bitte zu vermeiden.

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  2. Wenn nichts mehr geht und alles verloren scheint, hilft eines sicher:
    Die gute,alte Wählerbeschimpfung.
    Richtig ist, in den USA und bei uns wird Politik für Minderheiten gemacht. Es herrscht der Kult der Diffenzierung und der Kult der Minderheiten. Die bisher so schweigsame Mehrheit wählt jetzt eben zurück und zwar Trump dort und AFD hier. Das ist nicht so verwunderlich, Herr Nebgen. Vor allem weder dumm noch therapiebedürftig.

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  3. Kurz gesagt: Trump hat gewonnen, weil die Alternative Clinton hieß. Jetzt isses passiert, schaun mer mal, was er wirklich tut. Er hat ja schon mal klargestellt, dass er praktisch alle Wahlversprechen brechen wird - und das ist in diesem Fall ja mal was Positives. Also: die Hoffnung stirbt zuletzt.

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  4. Ist zwar schon ein etwas älterer Post, aber da ich das Blog erst jetzt gefunden habe, kann ich auch erst jetzt antworten.

    Der Spruch "Wird man in einer Demokratie nicht institutionalisiert gehört - im Wege so genannter Wahlen?" entspricht in etwa dem Vorwurf an Strafverteidiger, dass die StPO ja schließlich klar regele, wann die Polizei Hausdurchsuchungen machen darf und wann nicht und damit rechtsstaatlich alles in Ordnung sei.

    Wie so oft im Leben, ist die Praxis etwas komplizierter als die Theorie. Dank Mehrheitswahlrecht und dem daraus folgenden Zweiparteiensystem ist die Auswahl bereits systematisch stark eingeschränkt. Auf zwei. Es gibt zwar andere Parteien, aber wer für die stimmt, kann seinen Wahlschein auch genauso gut im Klo runter spülen.

    Da wird in den USA der Kongress frisch gewählt und zwei Monate später kommt er bei Umfragen auf eine Zufriedenheitsquote von 10-20%. Warum sind über 80% der Bevölkerung mit dem Kongress unzufrieden, den sie gerade eben erst gewählt haben? Sind die alle therapiebedürftig?

    Warum sagt eine Studie der Princeton-Universität, dass die USA de facto keine Demokratie mehr sind, sondern eine Oligarchie?

    Warum kümmern sich Politiker in den USA primär um die Interessen der Reichen und der Megakonzerne? Hat es vielleicht u.a. damit zu tun, dass der Oberste Gerichtshof der USA entschieden hat, dass Geld = politische Rede ist und damit gesetzliche Beschränkungen von Parteispenden automatisch ein Verstoß gegen die Redefreiheit (Free Speech) sind? Und nun derjenige mit dem meisten Geld auch am lautesten zu hören ist?

    Was bringt einem eine "Wahl", wenn durch sogenanntes Gerrymandering die Wahlbezirke so gezogen werden, dass die Demokraten zwar mehr Stimmen bekommen, die Republikaner aber trotzdem die Mehrheit im Kongress haben?

    Was ist mit den vielen kleinen und großen Tricks, mit denen die Republikaner die Wahlbeteiligung - speziell bei farbigen Minderheiten - künstlich niedrig halten (weil ihnen das nachweislich hilft)? Voter ID laws und ungünstige Öffnungszeiten von Wahlbüros in traditionell eher links eingestellten Bezirken (wir erinnern uns, dass in den USA dienstags gewählt wird und das gemeine Volk da arbeiten muss), um mal zwei Beispiele zu nennen.

    Was ist mit Gebieten, die zwar zum Territorium der USA gehören, deren Bewohner aber keine Bürgerrechte haben und deshalb gar nicht erst zur Wahl schreiten dürfen (Puerto Rico, z.B.)?

    Auf mich wirkt dieser Blogbeitrag so, als habe man sich nicht mal fünf Minuten mit der politischen Realität in den USA befasst. Natürlich ist Trump nicht die Lösung, aber der Frust darüber, keine (echte!) Stimme zu haben, ist durchaus nachvollziehbar.

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