Montag, 23. Juni 2014

Post von Wagner, Teil 2


Und weiter geht's mit dem Anwälte-Bashing: Jetzt hat Joachim Wagner - der von Panorama - nachgelegt: Nach seinem bereits früher einmal erwähnten Buch zeigt er jetzt auch dem Zeitungsleser die finstere Seite des Rechts. In seinem Artikel in der Welt zieht er weiter ordentlich gegen die Anwälte vom Leder. Dabei zeigt sich einmal mehr eindrucksvoll, dass nicht die Lüge der Feind der Wahrheit ist, sondern die Halbwahrheit. Aber Hauptsache, man hat einen guten Aufmacher und eine heiße Story.

Die Überschrift spricht von einem "Enormen Qualitätsgefälle" bei Anwälten, was zumindest nahe legt, dass es auch gute Anwälte zu geben scheint. Von denen ist im Text aber nur noch einmal die Rede, dann nämlich wenn es um Abrechnungsbetrug und Gebührenüberhöhung geht. Zum Einstieg geht es aber um das immer bedrohlicher wuchernde Anwaltsproletariat am Beispiel des in derlei Klagereden mittlerweile obligatorischen Abo-Fallen-Anwalts, der eigentlich Stripper in einem Nachtclub war und "wegen schlechter Examensnoten" leider keine Anstellung gefunden hat. Daraufhin hat er sich der Kriminalität an den Hals geworfen. Das ist bedauerlich, aber sicherlich nicht exemplarisch für die Rechtsanwaltschaft. "Schwarzes Schaf" nennt Wagner ihn.

"Symptomatisch" sei der Fall aber trotzdem, nämlich für die "ungesteuerte Vermassung des Berufsstandes". Haufenweise Juristen mit schlechten Examina, denen nur noch übrig bleibe, Rechtsanwalt zu werden. Und so strömen sie auf den Markt und sind schlechte Anwälte, weil niemand es ihnen verbietet. Die Anwaltsgerichtsbarkeit sei ein "zahnloser Tiger", weil sie den Wildwuchs nicht unterbinde. Sogar "Banken und Unternehmen" hätten inzwischen "Professional Governance-Regeln" nur die böse Anwaltschaft leiste durch fehlende Berufsethik dem Sittenverfall Vorschub.

Das alles liest sich, als hätte der Autor sich kaum nennenswert mit dem Anwaltsberuf auseinandergesetzt. Alles, was Wagner beschreibt, gibt es; es gibt aber auch dessen genaues Gegenteil. Es gibt Juristen, die mit mäßigen Examina hervorragende Rechtsanwälte geworden sind, vor allen Dingen aber gibt es hervorragende Juristen, die furchtbar schlechte Anwälte sind. Genau deshalb darf man niemandem, der die formalen Voraussetzungen dazu erfüllt, den Zugang zur Rechtsanwaltschaft verweigern.

Nun gibt es innerhalb dieser heterogenen Gruppe Kriminelle, Hochstabler und Speichellecker, aber wo gibt es die nicht?

Für deren Existenz soll bei Joachim Wagner "die Anwaltsgerichtsbarkeit" herhalten, die viel zu lasch dem bösen Treiben kein Ende setze. Sie gehöre abgeschafft und solle "der Strafjustiz übertragen" werden. Herr Wagner, Sie schreiben blühenden Blödsinn!

Die Strafjustiz beschäftigt sich mit Straftaten; begehen Rechtsanwälte Straftaten, unterfallen sie genauso der Strafjustiz wie jeder andere Bürger auch. Das weiß Herr Wagner offenbar nicht und das ist einfach nur unendlich peinlich. Wie war das noch mit dem ungehinderten Zugang zum Journalismus? Stattdessen möchte er einer heterogenen Gruppe einen Verhaltenskodex aufdrücken, wie ihn - weil der Dualismus so schön blöd ist, zitiere ich ihn hier noch einmal - "Banken und Unternehmen" hätten. Nun ist ein Unternehmen eine Einheit, die Anwaltschaft aber besteht aus Tausenden solcher Einheiten.

Eine gemeinsame Ethik wäre da keine Ethik mehr, sondern ein Gesetz. Genau deshalb hat das Bundesverfassungsgericht 1987 (!) die Standesrichtlinien der Rechtsanwälte für verfassungswidrig erklärt. Damals war das umjubelt, heute möchte Joachim Wagner es offenbar in vollständiger Unkenntnis der Umstände wieder einführen.

Es gibt viel zu viele schlechte Rechtsanwälte, da hat Joachim Wagner Recht. Wer aber schützt uns vor schlechten Journalisten?









8 Kommentare:

  1. Ungefähr so dämlich wie der andere Wagner, beide offensichtlich professionelle Dummschwätzer. Nur bei der Blöd-Zeitung erwartet man nichts anderes, bei der ZEIT (eigentlich) schon.

    Aber in einem Punkt hat er nicht ganz Unrecht: Die derzeitige Anwaltsgerichtsbarkeit braucht tatsächlich keiner - jedenfalls nicht die „Doppelstrafbarkeit", der sich Kollegen ggf. ausgesetzt sehen: Einer strafrichterlichen Verurteilung folgt eine weitere durch die Anwaltsgerichtsbarkeit mit (nahezu) absoluter Sicherheit. Verfassungsrechtlich eher zweifelhaft (ne bis in idem).

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    1. Elegant hingeschleudert. Tüchtig. Andere als "professionelle Dummschwätzer" zu bezeichnen ist schon sportlich, wenn man selbst die "Welt" und die "ZEIT" nicht auseinanderbekommt (was auch ein Hinweis ist, dass Sie den Link zur Welt möglicherweise nicht so richtig geöffnet haben, sonst hätten Sie das vielleicht gesehen), wenn man BVerfG v. 4.4.1984 - 1 BvR 1287/83 nicht kennt oder nachschlägt ("Demgemäß ist eine zuvor verhängte Kriminalstrafe nicht geeignet, den Anspruch auf ein berufsgerichtliches Eingreifen zu verbrauchen. Jedenfalls hindert das Verbot der Doppelbestrafung nicht daran, jemanden nach Verhängung einer Kriminalstrafe wegen derselben Handlung als untragbar aus seiner beruflichen Stellung zu entfernen.") und sich nicht klarmacht, dass das nicht nur arme kriminelle Anwälte trifft, sondern auch arme kriminelle Beamte, Angestellte, Richter, Soldaten, Ärzte, Steuerberater, Wirtschaftsprüfer....

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  2. Hallo,

    als Nichtjurist stimme ich Ihnen grundsätzlich zu. Meine Erfahrungen mit RAs sind zumeist positiv. Das es (wie in jedem anderen Beruf) schwarze Schafe gibt ist auch unbestritten. Etwas differenzierter sehe ich die Arbeit der RAKs. Hier besteht (aus meiner Sicht) durchaus Nachholbedarf. Hier erinnere ich nur an einen gewissen Freiherrn der jahrzehntelang wüten konnte, ohne das ihn jemand stoppt. Soweit ich weiß ist auch ein Tanja M. noch immer gut unterwegs. Von den REDTUBE Abmahnern ganz zu schweigen. Mir sind die Probleme für die RAKs bezüglich Konsequenzen für solche "Superjuristen" durchaus bewußt, trotz allem sollte man sich in den RAKs Gedanken darüber machen.

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  3. "Wie war das noch mit dem ungehinderten Zugang zum Journalismus?" Der Satz des Jahres!

    Ein Journalist möchte eine Geschichte schreiben; hierzu stellt er die Fakten passend zusammen. Was nicht paßt, wird passend gemacht oder weggelassen.

    Über das Selbstverständnis von Journalisten ist schon viel geschrieben worden. Sehr empfehlenswert auch der Zapp-Beitrag über "Journalisten, die die Seite wechseln (in die Politik).

    Wenn sich die Presse u.a. als "vierte Gewalt" empfinden, wer kontrolliert dies "Gewalt" dann?

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    1. Sie fragen: Wenn sich die Presse u.a. als "vierte Gewalt" empfinden, wer kontrolliert dies "Gewalt" dann?

      Antwort: Die qualifizierte und nicht unterdrückte Öffentlichkeit. Diese kann schon unterscheiden, was stimmt und was nicht stimmt. Fragen, Gegenargumente müssten allerdngs erlaubt sein, Kritik an schlechter Presse ebenfalls.

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  4. ... gehört die Zeit nicht zum Springer Verlag?

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    1. Seit dem 1. Juli 1996 gehört der Zeit Verlag und somit die Zeit zur Verlagsgruppe Georg von Holtzbrinck. http://de.wikipedia.org/wiki/Die_Zeit

      Außerdem ist das was die Springer-Presse schreibt nicht automatisch falsch.

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  5. Der Anwaltsberuf unterscheidet sich von dem Beruf der Journalisten und von den meisten anderen Berufen.

    Anwälte sind Juristen und als Organ der Rechtspflege haben die Anwälte Privilegien, die andere nicht haben. Durch den Anwaltszwang und die RVG haben die Anwälte staatliche Sicherheiten für ihr Einkommen, unabhängig von der Leistung. Rechtsanwälte haben das Recht auf Akteneinsicht, welches bei Nichtanwälten beschränkt ist.

    Die anwaltlichen Geschäfte werden begleitet und bewertet von ihren Kollegen, den Richtern. Damit werden Anwälte in den Auseinandersetzungen vor Gericht mit Nichtanwälten bevorzugt. Die Anwälte besitzen ein Wissens- und Kollegenprivileg, welches leicht missbraucht werden kann.

    Die Anwälte sind direkt eingebunden in die Exekutive, die staatliche Gewalt. Anwaltliches Anliegen führt zu staatlichen Zwangsmaßnahmen unabhängig davon, ob berechtigt oder nicht. Anwälte sind der verlängerte Arm der Richter. Zusammen mit den Richtern beraten sich diese Juristen über staatliche Zwangsmaßnahmen, welche dann die Vollzugsorgane durchzusetzen haben. Diese Macht hat kein anderer Berufsstand.

    Einseitige wirtschaftliche Interessen werden von den Anwälten durchgesetzt. Das bildet die Grundlage für viele Abzockmodelle, welche politisch gewollt und gewünscht sind.

    Insofern stehen die Anwälte in besonderer Verantwortung. Schwarze Schafe unter den Anwälten sind nicht Peanuts. Das Verhältnis der Anwaltschaft zu ihren schwarzen Schafen ist für den Rechtsfrieden und die gesellschaftliche Weiterentwicklung von entscheidender Bedeutung.

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