Der Bundespräsident durfte NPD-Mitglieder und -Sympathisanten als "Spinner" bezeichnen. Das sagt das Bundesverfassungsgericht und ich stimme ihm darin im Ergebnis zu. Wer nationalsozialistisches Gedankengut gut heißt oder vertritt, ist ein Spinner und man muss ihn auch so nennen dürfen.
Aber hätte man das nicht auch so sagen können? Großartige Abhandlungen hätte man schreiben können, über den überdrehten Quatsch, den Nationalsozialisten so glauben, von der Rassenlehre angefangen bis hin zu deren offenen Sympathie für Massenmörder. Aber das Bundesverfassungsgericht hat sich vor einem solchen Bekenntnis gedrückt und stattdessen versucht, dem Wort "Spinner" aus dem Mund des Bundespräsidenten einen anderen Sinn zu geben. Dabei windet es sich wie ein Aal und erweckt leider den Eindruck, dass man mit seiner eigenen Entscheidung nicht wirklich glücklich ist. Darum ist die Entscheidung - zumindest soweit die Pressemitteilung reicht - entgegen anders lautender Einschätzungen keine Sternstunde, sondern eher ein Einfallstor für zukünftige Diskriminierungen von der anderen Seite.
Denn natürlich ist "Spinner" eine Beleidigung, da beißt die Maus keinen Faden ab. Und beleidigen darf man eigentlich niemanden. Das weiß auch das Bundesverfassungsgericht, wenn es wie folgt formuliert:
"Der Antragsgegner (der Bundespräsident, Anm. d. Verf.) hat damit über die Antragstellerin (die NPD, Anm. d. Verf.) und ihre Anhänger und Unterstützer ein negatives Werturteil abgegeben, das isoliert betrachtet durchaus als diffamierend empfunden und auf eine unsachliche Ausgrenzung der so Bezeichneten hindeuten kann."
Im Falle des Bundespräsidenten soll die Beleidigung aber trotzdem nicht tatbestandsmäßig (oder gerechtfertigt?) gewesen sein, hier diene die Bezeichnung "Spinner" nämlich
"neben derjenigen als "Ideologen" und "Fanatiker" als Sammelbegriff für Menschen, die die Geschichte nicht verstanden haben und, unbeeindruckt von den verheerenden Folgen des Nationalsozialismus, rechtsradikale - nationalistische und antidemokratische - Überzeugungen vertreten."
Das Bundesverfassungericht macht also nicht etwa eine inhaltliche Unterscheidung zwischen solchen Spinnern, die man als Spinner bezeichnen darf, und normalen Spinnern, die man nicht als solche bezeichnen darf, sondern es weist dem Wort "Spinner" in diesem Fall einfach eine andere Bedeutung zu, so etwas wie "Unverbesserlicher" oder "Demokratiefeind". Das ist ein juristischer Taschenspielertrick und eines Verfassungsorgans unwürdig.
Die Argumentation ist außerdem ein Einfallstor für semantische Sperenzchen und man kann nur hoffen, dass die angesprochenen Spinner sie nicht allzu genau lesen. Dann nämlich könnten sie beispielsweise auf die Idee kommen, den Bundespräsidenten als "Spinner" zu bezeichnen und anschließend behaupten, "Spinner" wäre "isoliert betrachtet" zwar möglicherweise eine Beleidigung, im Sachzusammenhang aber lediglich die Bezeichnung für einen ehemaligen Pfarrer aus der DDR, der die Anhänger einer zumindest noch nicht verbotenen Partei beleidige.
Nach der Logik des Bundesverfassungsgerichts müsste das dann eigentlich auch erlaubt sein, zumindest dürfte es außerordentlich schwierig werden, das Gegenteil zu begründen.
Deshalb könnte dieser Schuss böse nach hinten losgehen. Und das hätte man vermeiden können.
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