Dienstag, 16. Juli 2013

Die Diktatur der Kunst grüßt


Jonathan Meese ist Künstler. Als Ausdruck seiner Kunst grüßt Herr Meese gerne und häufig. Und da er für die Diktatur der Kunst eintritt, grüßt er auf die ihr eigene Weise; man sieht das beispielsweise auch auf seiner Homepage.

Nun war Herr Meese vor einiger Zeit zu einem Gespräch mit dem "Spiegel" verabredet. Auch die beiden anwesenden Redakteurinnen und das Publikum hat er begrüßt, angeblich sogar mehrfach. Der Spiegel berichtet in seiner aktuellen Printausgabe, eine Vorschau mit sehenswertem Photo sieht man hier.

Das hat die Staatsanwaltschaft nicht ruhen lassen und sie hat einen Strafbefehl gegen Jonathan Meese beantragt wegen des "Verwendens von Kennzeichen verfassungsfeindlicher Organisationen", § 86a StGB. Das Gericht hat eine mündliche Hauptverhandlung anberaumt für übermorgen. Wahrscheinlich wollte das Gericht diesen seltsamen Menschen nur mal sehen und hat deshalb den Strafbefehl nicht erlassen.

Hätte man einfach nur das Gesetz angewendet, hätte man den Antrag auf Erlass eines Strafbefehls nur ablehnen dürfen, denn eine strafbare Handlung ist weit und breit nicht ersichtlich. Wie man sich denken kann, bedroht § 86a StGB nur denjenigen mit Strafe, der verfassungsfeindliche Kennzeichen ernsthaft und im eigentlichen Sinne verwendet, verbreitet oder herstellt. Im Kommentar von Thomas Fischer ist etwas gestelzt die Rede von "Handlungen, welche nach den Umständen des Einzelfalls geeignet sind, bei objektiven Beobachtern den Eindruck einer Identifikation des Handelnden mit den Zielen der verbotenen Organisation zu erwecken".

Damit siebt die höchstrichterliche Rechtsprechung all jene Handlungen aus, die so etwas wie einen ironischen Unterton haben oder gar künstlerischen Zwecken dienen. Da können einem bei Jonathan Meese schon bestimmte Gedanken kommen, sieht man beispielsweise das Photo, auf dem er ein Plüschbambi im nicht grüßenden Arm hält. Aber mit Ironie tut sich die Justiz von jeher schwer, und Kunst duldet sie höchstens, wenn sie still und alt im Gerichtsflur hängt.

Und so eröffnet das Amtsgericht Kassel dem Künstler Jonathan Meese am Donnerstag die Möglichkeit, seine Performance an einem Ort zu veranstalten, zu dem er sonst keinen Zutritt hat: im Gerichtssaal.

Vielleicht grüßt er ja auch wieder.


6 Kommentare:

  1. Warum sollte er da sonst keinen Zutritt haben? Zutritt sollte er fast immer haben, nur die Performance aus dem Zuschauerraum wird wohl sosnt nicht gern gesehen.

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  2. Ich teile Nebgens Auffassung. Ansonsten wäre ja auch der "Deutsche Gruß" auf der Theaterbühne in Zuckmayers "Des Teufels General" strafbar.

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  3. Stellt sich mal wieder die Frage: was ist kunst ?

    Ist jeder Müll Kunst, nur weil es als Kunst bezeichnet wird ?

    Aber das hat ja nichts direkt mit dem Artikel zu tun. Wenn der - Ähem, "Künstler" - meint, der Hitlergruß wäre Kunst, oder Teil der Kunst, dann soll er damit glücklich werden.
    Solange es nichts mit Gewaltverherrlichung nach den typisch faschistischen Untrieben zu tun hat.

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  4. Ich soll übrigens grüßen.

    Von Tante Käthe.

    Sie mag Jonathan.

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  5. Richter murmelt nach der Verhandlung: "Unschuldig, aber unhöflicher Kerl. Hat mich nicht mal gegrüßt."

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  6. Vielleicht haben Sie recht, was die Strafbarkeit angeht

    Aber gerade beim Hitlergruß sollte mal jemand den "Künstler" fragen, ob er noch alle an der Waffel hat, ein solches Symbol des menschenverachtenden Nazi-Regimes wieder "normal" werden zu lassen. In diesem Fall hat die vollständige Tabuisierung schon sehr viel für sich.

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