Dienstag, 13. September 2011

Hier schreibt die Kavallerie

Es gibt Dinge, die muss man wohl nicht verstehen.

So ist mir z. B. bis zum heutigen Tage rätselhaft, welches Selbstverständnis bei Staatsanwälten der Generalstaatsanwaltschaften bzw. des Generalbundesanwaltes herrschen mag. Deren Aufgabe besteht laut Gesetz unter anderem darin, Revisionsbegründungen der Angeklagten zu würdigen und einen eigenen Antrag zum Revisionsgericht zu stellen.

Was dabei herauskommt, ist in der Regel unter aller Sau. In den zumeist aus maximal einer DIN A-4-Seite bestehenden Pamphleten wird in 99 % der Fälle die Zurückweisung der Revision als offensichtlich unbegründet beantragt, und zwar völlig unabhängig von den erhobenen Rügen. Die Begründungen bestehen durchweg aus vorgefertigten Textbausteinen, die in der Regel keinerlei Bezug zum konkreten Fall aufweisen. Kollege Hoenig zitiert hier eine solche Antragsschrift. Allerdings würde ich die erbärmliche Qualität weniger auf Ahnungslosigkeit als auf Faulheit (und manchmal auch auf Bösartigkeit) zurückführen wollen.

1.
Der erste Baustein ist stets der Antrag, die Revision als unbegründet zurückzuweisen. In fünfzehn Jahren Berufstätigkeit, von denen ich mich neun vorrangig mit Revisionen im Strafrecht befasst habe, habe ich genau einmal erlebt, dass die Generalstaatsanwaltschaft einen von mir gerügten Rechtsfehler als solchen akzeptiert hätte. Die Regel gilt selbst für solche Fälle, in denen die gerügten Fehler so offensichtlich sind, dass das Revisionsgericht die Revision nur noch mit dünnen Sätzen begründet durchwinkt. Aus Sicht des Generalbundesanwaltes ist die Revision des Angeklagten per se unbegründet, egal, was in seinem Antrag steht.

2.
Rügt man Fehler in der Beweiswürdigung des Tatgerichts, schließt sich dem Antrag des Generalbundesanwaltes regelmäßig die Floskel an, die Revision ersetze lediglich die Beweiswürdigung des Tatgerichts durch seine eigene. Das ist bereits argumentativ eine Fehlleistung, denn gerügt wird ja nicht - zumindest nicht, wenn die Revision von mir stammt - gerügt wird ja nicht, dass das Gericht Beweise anders hätte würdigen müssen, sondern dass es bei seiner Würdigung Fehler gemacht hat. Das kümmert den durchschnittlichen Beamten beim Generalbundesanwalt aber nicht einmal dann, wenn man - als umsichtiger Verteidiger - bereits mit der Revisionsbegründung selbst auf diesen Unterschied hingewiesen hat. Die Floskel kommt in 90 % der Revisionen unabhängig davon, ob sie passt oder nicht; schließlich will der Kollege diesen Baustein ja damals nicht umsonst geschrieben haben.

3.
Der staatsanwaltschaftliche Rechtsbaukasten schließt zumeist mit einigen uralten Leerfloskeln, die wahrscheinlich schon Staatsananwalts Urgroßvater auf Ärmelschonern in seine Stoßstangenschreibmaschine gehämmert hat und die seither in den Resopaltischen hängen. Man erkennt sie an ihrem altmodischen Stil:
  • Gegen den Rechtsfolgenausspruch ist nichts zu erinnern,
  • Die Sachrüge greift nicht durch.
  • Der Vortrag des Revisionsführers deckt keinerlei Rechtsfehler zu seinem Nachteil auf.
4.
Ausfertigen, unterschreiben, fertig ist die Laube. Nur mit der Rechtslage im konkreten Fall hat das alles leider gar nichts zu tun.

21 Kommentare:

  1. Den Ärger über "die" Revisionsgegenerklärungen des GBA und den GenStA'en kann ich verstehen, aber die Pauschalierung ist doch falsch: Für viele Anträge mag in der Tat das Lego-System Pate gestanden haben. Aber ich habe auch schon eine ganze Reihe von Aufhebungsanträgen des GBA gelesen; im neuen Heft der HRRS (in einigen Tagen) wird zB eine Entscheidung des BGH erscheinen, in der seitenlang ein Aufhebungsantrag des GBA mit einer Ohrfeige für den Tatrichter nach der anderen eingerückt wird.

    Kurzum: Die Verwerfungsanträge sind zwar oft krass tendenziös und werden dem Ideal der unparteilichsten Behörde der Welt sicher nicht gerecht - aber immer sind sie auch nicht falsch. Und es gibt eben auch unfassbar schlechte Revisionen, durch die sich der arme an dem GBA abgeordnete Staatsanwalt quälen muss - nein, sicher nicht Ihre, aber sie sind so selten nicht.

    Beste Grüße

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  2. @vieuxrenard: Schöner Beitrag, kann ich so unterschreiben. Natürlich gibt es lobenswerte Ausnahmen, aber was mich befremdet ist, dass es tatsächlich Ausnahmen sind. Immerhin ist die Staatsanwaltschaft ja, Sie wissen schon - sind ja ein alter Fuchs - der Objektivität und dem Gesetz verpflichtet. Rechtsanwälte haben es da einfachenr; die dürfen auch mal eine schlechte Revisionsbegründung schreiben, obwohl sie es dann lieber ganz lassen sollten.

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  3. @vieuxrenard
    Womit ja nur "kein Grundsatz ohne Ausnahme" bewiesen ist.
    Das ist noch lange kein Grund, davon abzusehen, diese Behörde aufzulösen, neu zu sortieren und nochmal von vorn anzufangen.
    -> gehen Sie zurück auf Los.

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  4. "In fünfzehn Jahren Berufstätigkeit, von denen ich mich neun vorrangig mit Revisionen im Strafrecht befasst habe, habe ich genau einmal erlebt, dass die Generalstaatsanwaltschaft einen von mir gerügten Rechtsfehler als solchen akzeptiert hätte."
    1. Interessante Selbstwahrnehmung.
    2. Vielleicht wäre ein anderer beruflicher Schwerpunkt erfolgversprechender.

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  5. Ich muss dann aber auch mal eine Lanze für die GStA brechen: Ich habe in den rund 13 Jahren, in denen ich beim OLG Hamm Rechtsbeschwerden und Revisionen bearbeitet habe, auch eine Menge guter Stellungnahmen der GStA gesehen. Und zwar nicht nur von den Hiwis, die schon im eigenen Interesse gute Arbeit abliefern müssen, sondern auch von den alten Hasen. Natürlich gibt es auch die anderen (eine davon hat der Kollege Hoenig ja an den Pranger) gestellt. Aber das ist nun mal wie mit den Revisions- und Rechtsbeschwerdebegründungen der Verteidiger. Es gibt "sone" und "sone". Ihre Herr Kollege Nebgen sind sicherlich immer gut :-) :-).

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  6. Kavallerie hat gar keine Ärmelschoner.

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  7. Danke, Herr Burhoff, dass Sie dem Krawallblogger Nebgen widersprochen haben

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  8. @ Anonym: Es sind Menschen mit einer bestimmten Geisteshaltung, die die Wahrnehmung und Einforderung subjektiver Rechte als Krawall diffamieren.

    Sollten Sie einmal von einem Gericht fehlerhaft verurteilt werden, und die Staatsanwaltschaft ohne Würdigung dieser Fehlerhaftigkeit beantragen, das gegen Sie ergangene Urteil aufrecht zu erhalten, können Sie nur hoffen, dass jemand für Sie Krawall macht.

    Denn Ihren eigenen Krawall wird niemand zur Kenntnis nehmen.

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  9. Je nach BGH-Strafsenat werden ja auch 80 - 90 % der Revisionen als "offensichtlich unbegründet" zurückgewiesen - der Generalbundesanwalt ist also mit seinem Antrag, Textbaustein hin oder her, offenbar relativ nah dran an der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs.

    Da wird man den Fehler doch eher bei den Strafverteidigern sehen müssen, die - der Steuerzahler bezahlt's ja (Pflichtverteidigung) - in großer Zahl substanzlose Revisionen einlegen.

    Im Zivilprozess, wo nur ein paar Dutzend hoch qualifizierte Anwälte die Revision einlegen dürfen (und die Parteien es in der Regel selbst bezahlen müssen), funktioniert das besser.

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  10. Die schlechte Erfolgsquote wird nichts mit den qualifizierten Rechtsanwälten sondern mit den Vorurteilen zu tun haben.
    Im Verwaltungsrecht ist die Erfolgsquote auch sehr schlecht. Nur Angestellte des öffentlichen Dienstes bekommen oft mit abenteuerlichen Begründungen recht ansonsten schmettert das Bundesverwaltungsgericht so gut wie alles mit oft lächerlicher Begründung ab.
    Im Verwaltungsrecht und im Strafrecht stehen auf der einen Seite die Juristen des Staates, also Kollegen beim gleichen Arbeitgeber und deshalb wird im Lande der Staatsvergottung eine Seite bevorzugt.
    Unschuldig Verurteilte, deren Revision keinen Erfolg hatte, gibt es genügend.
    Und folgender Notwehrfall ist auch grenzwertig als versuchter Totschlag gewertet worden.
    http://www.tz-online.de/nachrichten/muenchen/notwehr-zugestochen-student-endlich-wieder-frei-meta-523182.html
    Falls der Geschäftsmann, der vor einigen Wochen an einer S-Bahnhaltestelle in München tödlich verletzt wurde, nur weil er Kindern helfen wollte, den Tätern die Fresse blutig geschlagen hätte, so wäre heute auch der Geschäftsmann auf der Anklagebank wegen Körperverletzung oder versuchten Totschlags.
    Aber
    http://www.tz-online.de/aktuelles/muenchen/glimpfliche-strafen-brutale-schlaeger-tz-659124.html
    "„Kommt, lasst ihn uns fertigmachen“ auf den Lippen stürzte sich dann der 19-Jährige Spezl des erstens Schlägers auf den am Boden liegenden Freisinger und trat zu."
    Treten ist nicht schlimm, Schuhe sind keine Waffe. Aber sich mit einem Messer gegen Tottreter wehren gibt 3 Jahre Gefängnis.

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  11. @Anonym 23:19:
    Leicht verschobene Zeitwahrnehmung? Der Geschäftsmann in München wurde am 12.09.09 getötet, also vor knapp 2 Jahren und nicht vor "einigen Wochen".

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  12. @Nebgen

    Sie haben noch die Floskel vergessen: "Die Angriffe der Revision versagen / dies hält den Angriffen der Revision stand."

    Aber Revisionen sind nun einmal in ihrer großen Mehrzahl unbegründet. Und deshalb beantragen die GStAs und der Generalbundesanwalt - zurecht - in der Mehrzahl der Fälle nicht nur die Verwerfung des Rechtsmittels der Angeklagten, sondern treten auch häufig den Revisionen der Staatsanwaltschaften nicht bei.

    Verfahrensrügen kann man überwiegend vergessen. Hier hat die Rechtsprechung den Rahmen so eng gezogen, daß man ohne einen unvertretbaren Arbeitsaufwand kaum noch eine auch nur zulässige Rüge formulieren kann, wenn nicht dem Tatgericht, was sehr selten vorkommt, ein ganz offensichtlicher schwerer Fehler unterlaufen ist.

    Beweisverwertungsverbote? Kann man überwiegend auch abhaken. Im Zweifel siegt das Aufklärungsinteresse des Staates.

    Revision sollte man gleichwohl immer einlegen, schon aus haftungsrechtlichen Gründen. Wenn dann doch einmal ein Fehlurteil vorliegt, ist am Ende im Zweifel der Verteidiger schuld, weil der das Rechtsmittel nicht eingelegt hat.

    Also die allgemeine Sachrüge erheben und allenfalls noch kommentieren: "UA. Seite 64 Abs. 1, vgl. BGH NStZ ...." Kann der BGH gefälligst selbst prüfen, ob die Sachrüge begründet ist.

    @Krawallposter

    Klar, die Mega-Pflichtverteidigergebühren motivieren zur Revisionseinlegung. Lange nicht mehr ins RVG geschaut und keine Ahnung von BWL? VV 4130 ist schon nach dem Studium der Urteilsgründe verbraucht. Und diese 412 Euro, von denen der Großteil über direkte und indirekte Steuern und Abgaben gleich wieder ins Staatssäckel zurückfließt, fallen ja auch so kräftig ins Gewicht, wenn 4 Nebenkläger, 20 Zeugen und 5 Sachverständige die Kosten schon auf einen mittleren fünfstelligen Betrag getrieben haben...

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  13. @Krawallposter

    Ja, die ach so hohen Pflichtverteidigergebühren. Da kann man schon mal neidisch und mißgünstig werden, nicht wahr? Scheint mir aber eher der rechtsstaatlich bedenklich Frust darüber zu sein, daß der Gesetzgeber schon seit rund 200 Jahren überhaupt so etwas wie einen Pflichtverteidiger für geboten hält und selbst Monarchen und Despoten dieses Recht nicht abgeschafft haben. Und noch nie habe ich einen Richter, Staatsanwalt, Rechtspfleger, Bezirksrevisor oder Kostenbeamten darüber klagen hören, daß Sachverständige 85,00 Euro die Stunde berechnen und sich für das Studium der Akte alle Zeit der Welt lassen (Aktenstudium: 13 Stunden à 85,- Euro). Das wird in der Regel ohne Murren durchgewunken. Aber 412,- Euro für die Prüfung und Begründung der Revision (die Einlegung ist noch von den Gebühren der Vorinstanz umfaßt) sind natürlich eine skandalöse Schädigung des Steuerzahlers zum Vorteil einer ohnehin überbezahlten Berufsgruppe, gell?

    Wir schreiben in wenigen Wochen das Jahr 2012. Die 412,- Euro wurden 2004 festgelegt. Seitdem haben wir mehr als 13% Inflation gehabt. Die Gebühr ist also nur noch rund 360,- Euro wert bzw. müßte rund 470,- Euro betragen, wenn man den Anwälten auch nur einen Inflationsausgleich zubilligen wollte, von Einkommensverbesserungen ganz zu schweigen.

    Ich will ehrlich sein: als Pflichtheini mache ich für 412,- Euro keinen Finger zuviel krumm, sonst mache ich nur Verluste. Im Gegensatz zu den Staatsdienern zahle ich nämlich Büro, Material, Literatur, Personal und Altersversorgung selbst. Wer für eine Leistung nicht angemessen bezahlen will, hat offensichtlich kein großes Interesse an einer wirksamen Verteidigung, allen gegenteiligen Festreden auf Juristentagen zum trotz. Auf die allgemeine Sachrüge hin unterliegt das Urteil einer umfassenden Prüfung. Ich sehe nicht, was ich den hohen und klugen Senaten vortragen könnte, auf das sie bei gewissenhafter Prüfung nicht selbst kommen könnten.

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  14. @ John Cage: Sie schreiben: "Ich will ehrlich sein: als Pflichtheini mache ich für 412,- Euro keinen Finger zuviel krumm."

    Das sind doch genau die substanzlosen Revisionen, von denen ich gesprochen habe. Warum sollten die der GStA/GBA mehr wert sein als einen Textbaustein (darüber reden wir hie ja)? Und die 500 EUR incl. MwSt, die das am Ende kostet, sind dafür häufig auch noch zuviel und rausgeschmissenes Geld.

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  15. Sorry, ich bin natürlich nicht "Krawallblogger", sondern "Krawallposter".

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  16. Die MwSt. stecken sich die Anwälte übrigens nicht selbst ein, sondern leiten sie postwendend an die Staatskasse zurück...

    Die allgemeine Sachrüge ist keine substanzlose Revision, sondern eine vollwertige und völlig ausreichend. Weshalb sollte man mehr schreiben? Erstens wird man dafür nicht bezahlt, zweitens hat das Revisionsgericht das Urteil auf die Sachrüge hin umfassend zu prüfen. Wer bin ich denn zu glauben, ich könnte die hohen Richter auf etwas aufmerksam machen, daß sie in ihrer fachlichen Überlegenheit und großen Gewissenhaftigkeit nicht selbst entdecken könnten? Der Pflichtverteidiger hat lediglich dafür Sorge zu tragen, daß Revision fristgerecht eingelegt und die allgemeine Sachrüge erhoben wird, so daß im Hinblick auf die regelmäßig schwerwiegenden Folgen einer landgerichtlichen Verurteilung für eine nochmalige Überprüfung gesorgt und materiellrechtliche Fehler ausgeschlossen werden. Wenn sich dann herausstellt, daß 85% aller Revisionen unbegründet sind, immerhin aber etwa jedes siebente Urteil fehlerbehaftet ist, kann ich nicht erkennen, daß der Steuerzahler für den Rechtsstaat zu sehr beansprucht wird.

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  17. @ John Cage: Es sind die 85% ja nicht einfach "unbegründet", sondern dermaßen substanzlos, dass für jeden Sachkundigen ohne längere Prüfung erkennbar ist, dass die Revisionsrügen das Rechtsmittel nicht begründen können. Erfolgreich sind nur etwa 5% der Revisionen (StA + Angekl. zusammengenommen). Im Übrigen wird bei weitem nicht jedes Berufungsurteil mit der Revision angefochten.

    Warum so viele Revisionen völlig substanzlos sind, wird aus Ihrer Schilderung ja erneut sehr schön deutlich. Für den von Ihnen beschriebenen Vorgang - "Verfügung an Büro: bitte in der Strafsache Brause Revisionsformular mit Aktenzeichen beschriften und zur Unterschrift vorlegen!" - sind natürlich selbst 412 EUR bei weitem übersetzt.

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  18. @ Posting zuvor: Es ist schon spät - ersetze "Berufungsurteil" durch "(erst- oder zweitinstanzliche) Urteil des Landgerichts".

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  19. Da müssen Sie aber ein Superjurist mit Totalüberblick sein, wenn Sie bei einem durchschnittlich 50 Seiten starken Strafkammerurteil auf den ersten Blick (Urteil in 3 Sekunden durchgeblättert?) erkennen, daß die allgemeine Sachrüge im Hinblick auf Beweiswürdigung, materiellerechtliche Bewertung, Strafzumessungserwägungen, usw., offensichtlich unbegründet ist. Ich vermute, selbst der Generalbundesanwalt, der BGH und deren Hiwis benötigen dafür mehr als nur einen "ersten Blick". Und wenn auch nur eine von 1000 Revisionen auf diese Art und Weise Erfolg hätte und ein Fehlurteil aufdeckte, müßte uns das der Rechtsstaat wert sein.

    Das anwaltliche Gebührensystem ist ungerecht, keine Frage. Die Gebühren sind fast nie angemessen, sondern benachteiligen entweder den Gebührenschuldner oder den Anwalt, weil sie völlig unabhängig sind von Umfang und Qualität der anwaltlichen Tätigkeit. Der kompetente Anwalt, der sich ein Bein ausreist und hunderte von Stunden Arbeit in einen Fall investiert, bekommt nicht mehr als der faule Doofkopp, der nichts macht oder nur Unsinn verzapft.

    So ist es ja auch (aber nicht nur) bei VV 4130 RVG. Ob ich 50 Stunden in der Bibliothek verbringe und eine glänzende Revisionsbegründung fertige, der auch noch Erfolg beschieden ist, oder ob ich mich auf die allgemeine Sachrüge beschränke: mehr als 412 Euro werden es nicht. Und Pauschgebühren kann man in den meisten OLG-Bezirken vergessen. Da wird das anwaltliche Bemühen nicht gewürdigt, sondern offenbar als Sand in die Mühlen der Justiz begriffen, für das die 412,- Euro, wie auch sie offenbar meinen, noch viel zu viel sind. Diese Haltung ist zwar bar jeder betriebswirtschaftlichen und rechtsstaatlichen Kenntnis, aber nun einmal Realität. Und deshalb gibt es für 412,- Euro von mir auch keine Mehrleistung, weil ich für weniger als 150,- Euro die Stunde meine Kanzlei nicht betreiben kann. Wenn der Gesetzgeber und die Justiz mit diesem Zustand leben können, kann ich das auch. Jetzt werden sie sagen: 150,- Euro die Stunde? Man benötigt doch höchstens 5 Minuten für die allgemeine Sachrüge. Auch dieses Argument würde die Realität in einer Anwaltskanzlei verkennen.

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  20. @Krawallposter

    Ich weiß gar nicht, weshalb Sie über substanzlose Revisionen lamentieren. Der Gesetzgeber und die Strafjustiz haben nachvollziehbarerweise doch gar kein Interesse daran, daß mittellosen Angeklagten ein kompenter Jurist als Pflichtverteidiger zur Seite steht.

    Polemisch formuliert könnte man sagen: die Armen werden von den Dummen verteidigt (viele Ausnahmen bestätigen die Regel). Ich habe damit kein Problem. Ich verteidige keine Armen. Urteile sind nun einmal "käuflich" (was ich nicht im Sinne einer Bestechlichkeit der Justiz mißzuverstehen bitte) und im übrigen viel zu wichtig, um sie Richtern zu überlassen.

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  21. Da ich als Reffi nunmehr die vierte Revision zum BGH anfertige, spricht mir der Ausgangsbeitrag völlig aus der Seele! Erst die Praxis verdeutlicht, zumindest mir, dass es erhebliche Gerechtigkeitsdefizite gibt. Von den Gebühren völlig abgesehen, so dass mir i.d.R. der eine Satz zur Sachrüge reicht! Aber auch nur i.d.R.!

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