Montag, 28. Juli 2014

Eine Art Feindseligkeit


"Eine Art Feindseligkeit" verspüre er bei seinen Anwälten, hat Gustl Mollath gesagt und damit seinen Antrag begründet, seine Verteidiger zu entpflichten. Das Gericht hingegen sehe ihn als "hervorragend verteidigt" an und lehnte den Antrag ab, obwohl sich auch die Verteidiger ihm angeschlossen hatten.

Ansonsten scheint es zwischen Gustl Mollath und seinen Verteidigern eher Dissonanzen hinsichtlich der Verteidigungsstrategie zu geben. Das kennt man ja auch aus anderen Verfahren. Herr Mollath hätte gerne dreißig Beweisanträge gestellt, sein Verteidiger habe ihm aber nur erklärt, warum die alle "Mist" seien. Liest man die Berichterstattung, muss man sich geradezu mit Gewalt gegen den Eindruck zur Wehr setzen, an der Diagnose bei Herrn Mollath könnte vielleicht doch etwas dran sein.

Das ist der richtige Moment, mal einige Dinge zwischen Verteidigern und ihren Mandanten klar zu stellen:
  1. Der Verteidiger verteidigt seinen Mandanten und ist dabei ausschließlich dessen Interessen verpflichtet.
  2. Bei manchem Mandanten deckt sich allerdings der Wille nicht immer mit dem Interesse.
  3. Noch einmal ganz deutlich gesagt: Manche Mandanten wollen Dinge, die nicht in ihrem Interesse sind, die nicht in ihrem Interesse sein können. 
  4. In diesen Fällen ist es die Aufgabe ihres Verteidigers, ihren Mandanten auch schon mal den Kopf zu waschen.
  5. Das mögen manche Charaktere - nennen wir sie mal mit äußerster Zurückhaltung "willensstark" - das mögen die nicht haben.
  6. Und dann verspüren sie bei ihrem Anwalt auch schon mal "eine Art Feindseligkeit", die objektiv vielleicht eher Fürsorge ist.
Das ist zum Beispiel dann der Fall, wenn der Angeklagte mit einem Beweisantrag Dinge beweisen möchte, die ihm zwar sehr wichtig erscheinen mögen, die für das Verfahren aber bestenfalls irrelevant, wenn nicht schädlich sind. Das aber wird der Verteidiger in der Regel eher beurteilen können als der Angeklagte. 

Vielleicht sollte man Herrn Mollath mehr Vertrauen in seine Verteidiger wünschen.

Donnerstag, 24. Juli 2014

Wahl oder Pflicht mit Gisela


Viele Menschen wissen nicht, was der Unterschied zwischen einem Wahlverteidiger und einem Pflichtverteidiger ist. Erstaunlicherweise scheint Gisela Friedrichsen es auch nicht zu wissen. Auf Spiegel Online schreibt sie heute zum Prozess gegen Beate Zschäpe:
"Falls die Angeklagte bisweilen andere Vorstellungen als ihre Anwälte gehabt haben sollte, muss diese das nun nicht mehr bekümmern. Als vom Gericht bestellte Pflichtverteidiger können sie sich ohnehin erst einmal als Organe der Rechtspflege verstehen und müssen sich nicht, wie Wahlverteidiger, ausschließlich den Interessen ihrer Mandantin verpflichtet fühlen. Die Situation, die Zschäpe ausgelöst hat, ist jedenfalls ein Grenzfall für Verteidiger und alles andere als Routine im Strafprozess."

 Au weia, Frau Friedrichsen! Da sind so viele Fehler drin, dass man gar nicht weiß, wo man anfangen soll.

Also zunächst einmal: Der Rechtsanwalt ist stets allein und ausschließlich den Interessen seines Mandanten verpflichtet. In § 3 Abs. 1 Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO) heißt es dazu wörtlich: " Der Rechtsanwalt ist der berufene unabhängige Berater und Vertreter in allen Rechtsangelegenheiten." Vertreter der Interessen seines Mandanten, könnte man noch hinzufügen, aber das hielt der Gesetzgeber für redundant, weil ohnehin klar.

Der Rückgriff auf das so genannte "Organ der Rechtspflege" ist alter Trick, um Pflichten des Rechtsanwaltes dem Staat gegenüber zu postulieren, die das Gesetz nicht hergibt und die Verfassung verbietet. Vollständig heißt es in § 1 BRAO deshalb auch "unabhängiges Organ der Rechtspflege". Das verdient eigentlich keiner Erwähnung, aber Frau Friedrichsen scheint es nicht zu wissen. Der einzige Unterschied zwischen Wahlverteidiger und notwendigem Verteidiger (so nennt ihn das Gesetz) ist der Gebührenschuldner: Beim Wahlverteidiger ist das der Mandant, beim notwendigen Verteidiger (in weit schmalerem Umfang) die Staatskasse.

Völlig hanebüchen wird es daher, wenn Frau Friedrichsen eine Unterscheidung der Pflichten von Wahlverteidigern und so genannten Pflichtverteidigern herbeiredet, die es nicht gibt, und aus den genannten Gründen auch nicht geben kann und darf. Als ob der zum Pflichtverteidiger degradierte Rechtsanwalt von nun an das Lied der Staatsmacht singen dürfte. Das ist insbesondere anlässlich des Falles Zschäpe nun wirklich auf allen Kanälen so lang und breit dargestellt worden, dass man nicht glauben kann, dass gerade Gisela Friedrichsen es nicht wissen sollte. Pflichtverteidiger waren die drei übrigens vorher auch schon. Es hat sich also formal rein gar nichts geändert.

Vielleicht mag Frau Zschäpe ihre Verteidiger jetzt etwas weniger als früher, aber so richtig wahrscheinlich ist auch das nicht. Das Mandanten ihre "Pflichtverteidiger" nicht wirklich mögen, ist übrigens keinesfalls so ungewöhnlich, wie es in dem Artikel anmutet. Von "Grenzfall" kann da mitnichten die Rede sein.

Ein Grenzfall ist höchstens dieser Artikel - ein Grenzfall der seriösen Berichterstattung.




Mittwoch, 16. Juli 2014

Das Ende der Verteidigung


Beate Zschäpe hat ihren Verteidigern das Vertrauen entzogen, schreiben SZ und SPIEGEL, die BILD titelt erwartungsgemäß reißerisch etwas von "rausschmeißen" und "entlassen wollen". Laut SZ hat Beate Zschäpe dem Gericht über einen Polizeibeamten mitteilen lassen, dass sie kein Vertrauen mehr in ihre Verteidiger habe. Rätselraten, warum sie das tut, warum gerade zum jetzigen Zeitpunkt, und was für Folgen das haben kann. Das Gericht hat das Verfahren vorerst unterbrochen.

Eine schöne Übersicht über die verschiedenen Möglichkeiten des weiteren Verfahrengangs findet sich beim Terrorismus-Experten Holger Schmidt.

Aber wer als neuer Verteidiger in das laufende Verfahren einsteigen wollte, bräuchte Monate, um sich in die Aktenlage und den bisherigen Stand der Beweisaufnahme einzuarbeiten. Damit wäre das Verfahren geplatzt. Das kann sich das Gericht, das kann sich der Staat nicht leisten. Mit den alten Verteidigern weiter zu verhandeln oder eine - dann nicht ausreichend vorbereitete - neue Verteidigung zu installieren, würde jedes Urteil der Gefahr einer erfolgreichen Revision aussetzen - eine Zwickmühle für das Gericht. Every way you look at it you lose.

Möglicherweise wird da eine Verteidigungsstrategie sichtbar.


Donnerstag, 10. Juli 2014

Täter + Opfer ≠ Ausgleich


Ein Paar zankt sich. Es fliegen die Fäuste. Beide Parteien erleiden diverse leichtere Verletzungen. Das ist ein zwar nicht schöner, aber relativ alltäglicher Vorgang. Im Fußball bekämen beide Streithähne die gelbe Karte und einen ordentlichen Anranzer vom Schiedsrichter und weiter ginge es.

Aber nicht so bei der deutschen Justiz. Da geht die Geschichte folgendermaßen weiter:

Zunächst einmal geht nur einer der beiden Streithähne zur Polizei. Die nimmt den Vorgang auf und von da an ist dieser Streithahn das so genannte "Opfer". Der andere ist der "Täter".

Dabei ist völlig egal, wer angefangen hat, wer stärker zugeschlagen hat oder wer die Ursache für den Streit gesetzt hat. Ausschlaggebend ist allein, wer den Vorgang angezeigt hat. Das ist selten der Friedfertigere von beiden - schließlich ist er es ja, der den Streit auch noch in die Öffentlichkeit trägt, während der andere ja wenigstens daran kein Interesse zu haben scheint. Das ist der Polizei aber völlig egal; sie hat fortan einen Täter und ein Opfer. Sollte es sich der "Täter" noch anders überlegen und selbst auch Strafantrag stellen, wird dies von der Polizei häufig nicht einmal mehr aufgenommen. Der andere war ja schon vorher da - so original schon etwa zehnmal erlebt.

Gegen den "Täter" wird sodann mit aller Härte des Gesetzes ermittelt und irgendwann Anklage erhoben. Nur manchmal hat ein Staatsanwalt oder Richter ein Einsehen und denkt an den so genannten "Täter-Opfer-Ausgleich". Da kann sich der "Täter" mildernde Umstände verdienen, wenn er dem "Opfer" die Hand schüttelt, sich entschuldigt oder dem "Opfer" Geld zahlt. Dumm nur, wenn eigentlich beide Täter sind. Das nämlich ist beim institutionalisierten Täter-Opfer-Ausgleich nicht vorgesehen. Hier muss es EINEN Täter und EIN Opfer geben, etwas anderes sieht das Formular nicht vor. Pech gehabt.

Also bleiben häufig gerade die Fälle, in denen eine Einigung am aussichtsreichsten wäre, ohne Einigung. Denn wer mag schon bei demjenigen um Entschuldigung bitten, von dem er selbst mächtig auf die Fresse bekommen hat? Stattdessen schreitet die Bürokratie voran und gewährt dem "Opfer"- das eigentlich ja nur das ist, was man früher in der Schule "Petze" nannte,  auch noch zahlreiche Vergünstigungen, z. B. einen Rechtsanwalt auf Staatskosten. Was der "Täter" fortan von der Justiz hält, kann man sich denken.

Diese unsägliche Rechtslage haben sich so genannte "Opferschützer" ausgedacht. Es gibt kaum eine Neuerung im Recht, die den Rechtsfrieden derart gefährdet, wie dieser so genannte "Opferschutz".