Viele Menschen wissen nicht, was der Unterschied zwischen einem Wahlverteidiger und einem Pflichtverteidiger ist. Erstaunlicherweise scheint Gisela Friedrichsen es auch nicht zu wissen. Auf Spiegel Online schreibt sie heute zum Prozess gegen Beate Zschäpe:
"Falls die Angeklagte bisweilen andere Vorstellungen als ihre Anwälte gehabt haben sollte, muss diese das nun nicht mehr bekümmern. Als vom Gericht bestellte Pflichtverteidiger können sie sich ohnehin erst einmal als Organe der Rechtspflege verstehen und müssen sich nicht, wie Wahlverteidiger, ausschließlich den Interessen ihrer Mandantin verpflichtet fühlen. Die Situation, die Zschäpe ausgelöst hat, ist jedenfalls ein Grenzfall für Verteidiger und alles andere als Routine im Strafprozess."
Au weia, Frau Friedrichsen! Da sind so viele Fehler drin, dass man gar nicht weiß, wo man anfangen soll.
Also zunächst einmal: Der Rechtsanwalt ist stets allein und ausschließlich den Interessen seines Mandanten verpflichtet. In § 3 Abs. 1 Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO) heißt es dazu wörtlich: " Der Rechtsanwalt ist der berufene unabhängige Berater und Vertreter in allen Rechtsangelegenheiten." Vertreter der Interessen seines Mandanten, könnte man noch hinzufügen, aber das hielt der Gesetzgeber für redundant, weil ohnehin klar.
Der Rückgriff auf das so genannte "Organ der Rechtspflege" ist alter Trick, um Pflichten des Rechtsanwaltes dem Staat gegenüber zu postulieren, die das Gesetz nicht hergibt und die Verfassung verbietet. Vollständig heißt es in § 1 BRAO deshalb auch "unabhängiges Organ der Rechtspflege". Das verdient eigentlich keiner Erwähnung, aber Frau Friedrichsen scheint es nicht zu wissen. Der einzige Unterschied zwischen Wahlverteidiger und notwendigem Verteidiger (so nennt ihn das Gesetz) ist der Gebührenschuldner: Beim Wahlverteidiger ist das der Mandant, beim notwendigen Verteidiger (in weit schmalerem Umfang) die Staatskasse.
Völlig hanebüchen wird es daher, wenn Frau Friedrichsen eine Unterscheidung der Pflichten von Wahlverteidigern und so genannten Pflichtverteidigern herbeiredet, die es nicht gibt, und aus den genannten Gründen auch nicht geben kann und darf. Als ob der zum Pflichtverteidiger degradierte Rechtsanwalt von nun an das Lied der Staatsmacht singen dürfte. Das ist insbesondere anlässlich des Falles Zschäpe nun wirklich auf allen Kanälen so lang und breit dargestellt worden, dass man nicht glauben kann, dass gerade Gisela Friedrichsen es nicht wissen sollte. Pflichtverteidiger waren die drei übrigens vorher auch schon. Es hat sich also formal rein gar nichts geändert.
Vielleicht mag Frau Zschäpe ihre Verteidiger jetzt etwas weniger als früher, aber so richtig wahrscheinlich ist auch das nicht. Das Mandanten ihre "Pflichtverteidiger" nicht wirklich mögen, ist übrigens keinesfalls so ungewöhnlich, wie es in dem Artikel anmutet. Von "Grenzfall" kann da mitnichten die Rede sein.
Ein Grenzfall ist höchstens dieser Artikel - ein Grenzfall der seriösen Berichterstattung.
Deswegen sollte man sich vom Begriff des Pflichtverteidigers verabschieden. Das Gesetz kennt ihn ja auch nicht. Dort ist es der beigeordnete Verteidiger. Klare Begriffe können solche Irritationen vermeiden. Auch manche häufig beigeordneten Anwälte könnten dann vielleicht ihr Radar neu justieren.
AntwortenLöschenIch finde Journalisten sollten es wie die Jesuiten halten, mindestens zwei Hochschulabschlüsse: einen in Journalismus und einen im Fachgebiet der Berichterstattung. Wobei auf den Abschluss in Journalistik auch mal verzichtet werden darf ...
AntwortenLöschenWahnsinn Herr Nebgen, muss das mit den Captchas unbedingt sein? Ich brauchte fünf versuche um die extrem schiefen Zeichen zu entziffern!! Sind "Bot-Postings" wirklich so ein gravierendes Problem auf Ihrer Seite!!
AntwortenLöschenLieber Anonym, ich habe möglicherweise ein Problem mit der IT, Sie haben ganz sicher eines mit deutscher Grammatik. Ich habe leider nicht ansatzweise verstanden, wovon Sie reden. Wenn Sie es mir noch einmal in verständlichen Worten sagen möchten, nur zu! Herzlichst, Christoph Nebgen
LöschenEs geht um diese "nette" bestätigung, dass man als mensch antwortet
LöschenNatürlich ist das vollkommen falsch was Frau Friedrichsen da so schreibt. Aber:
AntwortenLöschen"Als vom Gericht bestellte Pflichtverteidiger können sie sich ohnehin erst einmal als Organe der Rechtspflege verstehen und müssen sich nicht, wie Wahlverteidiger, ausschließlich den Interessen ihrer Mandantin verpflichtet fühlen."
beschreibt sehr gut die Arbeitsweise und das Selbstverständnis der Rechtsanwälte, die Gerichte von sich aus zu Pflichtverteidigern machen. Klar: Das hat mit dem NSU-Fall nichts zu tun.
Na ja... Wenn ich Frau Zschäpe richtig verstehe, geht es ihr ohnehin auf den Nerv, dass sich ihre Anwälte zwar als eine Art junges Boston-Legal-Team in der Presse tummeln, tatsächlich aber wenig machen/taugen.
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