Donnerstag, 10. Juli 2014
Täter + Opfer ≠ Ausgleich
Ein Paar zankt sich. Es fliegen die Fäuste. Beide Parteien erleiden diverse leichtere Verletzungen. Das ist ein zwar nicht schöner, aber relativ alltäglicher Vorgang. Im Fußball bekämen beide Streithähne die gelbe Karte und einen ordentlichen Anranzer vom Schiedsrichter und weiter ginge es.
Aber nicht so bei der deutschen Justiz. Da geht die Geschichte folgendermaßen weiter:
Zunächst einmal geht nur einer der beiden Streithähne zur Polizei. Die nimmt den Vorgang auf und von da an ist dieser Streithahn das so genannte "Opfer". Der andere ist der "Täter".
Dabei ist völlig egal, wer angefangen hat, wer stärker zugeschlagen hat oder wer die Ursache für den Streit gesetzt hat. Ausschlaggebend ist allein, wer den Vorgang angezeigt hat. Das ist selten der Friedfertigere von beiden - schließlich ist er es ja, der den Streit auch noch in die Öffentlichkeit trägt, während der andere ja wenigstens daran kein Interesse zu haben scheint. Das ist der Polizei aber völlig egal; sie hat fortan einen Täter und ein Opfer. Sollte es sich der "Täter" noch anders überlegen und selbst auch Strafantrag stellen, wird dies von der Polizei häufig nicht einmal mehr aufgenommen. Der andere war ja schon vorher da - so original schon etwa zehnmal erlebt.
Gegen den "Täter" wird sodann mit aller Härte des Gesetzes ermittelt und irgendwann Anklage erhoben. Nur manchmal hat ein Staatsanwalt oder Richter ein Einsehen und denkt an den so genannten "Täter-Opfer-Ausgleich". Da kann sich der "Täter" mildernde Umstände verdienen, wenn er dem "Opfer" die Hand schüttelt, sich entschuldigt oder dem "Opfer" Geld zahlt. Dumm nur, wenn eigentlich beide Täter sind. Das nämlich ist beim institutionalisierten Täter-Opfer-Ausgleich nicht vorgesehen. Hier muss es EINEN Täter und EIN Opfer geben, etwas anderes sieht das Formular nicht vor. Pech gehabt.
Also bleiben häufig gerade die Fälle, in denen eine Einigung am aussichtsreichsten wäre, ohne Einigung. Denn wer mag schon bei demjenigen um Entschuldigung bitten, von dem er selbst mächtig auf die Fresse bekommen hat? Stattdessen schreitet die Bürokratie voran und gewährt dem "Opfer"- das eigentlich ja nur das ist, was man früher in der Schule "Petze" nannte, auch noch zahlreiche Vergünstigungen, z. B. einen Rechtsanwalt auf Staatskosten. Was der "Täter" fortan von der Justiz hält, kann man sich denken.
Diese unsägliche Rechtslage haben sich so genannte "Opferschützer" ausgedacht. Es gibt kaum eine Neuerung im Recht, die den Rechtsfrieden derart gefährdet, wie dieser so genannte "Opferschutz".
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Sehr geehrter Herr Kollege,
AntwortenLöschenich gebe Ihnen zwar insoweit recht, dass die Namensgebung des TOA und die darin typischerweise vorgesehene Rollenverteilung für solche Fälle unglücklich ist. Dennoch erlebe ich insbesondere in Rheinland-Pfalz, dass der TOA gerade in solchen Fällen (Familiäre oder häusliche Gewalt, Bagatellstreitigkeiten zwischen Bekannten mit beiderseitigen Verschuldensanteilen) dennoch durchaus ein probates Mittel zur Befriedung solcher Konflikte genutzt wird. Bei einem kompetenten TOA-Moderator wird das nämlich durchaus ein Gespräch auf Augenhöhe, bei dem auch eine wechselseitige Entschuldigung rauskommen kann. Wenn von vorne herein keine hohen Strafen im Raum stehen, kommt es sogar häufig vor, dass die StA nach § 153a vorläufig einstellt mit der einzigen Auflage, einen TOA durchzuführen, d.h. der Anspruch auf die endgültige Einstellung entsteht unabhängig vom konkreten Ergebnis des TOA, der Beschuldigte muss nur ernsthaft daran mitwirken und es muss irgendeine Einigung herauskommen (Und auch dann, wenn nur deshalb keine Einigung herauskam, weil das "Opfer" ersichtlich auf überzogenen Forderungen beharrt hat, kommt es oft zur Einstellung).
Ich glaube, hier haben Sie etwas nicht ganz verstanden. Dass es zu einer solchen Eskalation kommt, liegt nicht am Täter-Opfer-Ausgleich sondern daran, dass die Staatsanwaltschaft in einem solchen Fall Anklage erhebt.Ich gebe Ihnen Recht, dass es völlig egal ist, wer angefangen hat (können Sie auch auf meinem Blog nachlesen).
AntwortenLöschenDer Täter-Opfer-Ausgleich ist eigentlich gerade in solchen Fällen sinnvoll, weil die beiden Streithähne sich dann gegenseitig entschuldigen können. Im Täter-Opfer-Ausgleich ist es durchaus vorgesehen, dass beide Täter sind und es geht auch nicht nur darum, dass sich einer entschuldigt oder irgendetwas zahlt. Vielleicht wäre es gut gewesen, wenn Sie sich über den Täter-Opfer-Ausgleich genauer informiert hätten.
Es geht hierbei auch nicht um Opferschutz (für echte Opfer ist es oft sogar nicht so einfach, sich mit dem Täter an einen Tisch zu setzen). Es geht darum, in Fällen, in denen zwischen den Beteiligten eine Beziehung besteht, diese zu klären.
Hach, wie schön, dass ich doch neulich eine Schulung bei einem BGH-Richter a. D. gemacht habe, die genau dieses Theme behandelte.
AntwortenLöschenDas wichtigste beim TOA ist die Befriedungswirkung. Diese muss in einer schriftlichen Einigung jedem Fall festgehalten werden. D. h. es ist kein TOA, wenn der Täter und Opfer sich bloß auf die Zahlung des dem Opfer eh zustehenden Schadenersatz einigen, aber kein WOrt darüber vorhanden sind, dass das Opfer damit in jedweder Hinsicht seinen vollen Rechtsfrieden wieder hergestellt sieht. Es kann aber ein TOA sein, wenn der Täter darüber hinaus ein Opfer bringt. Oder aber sogar, wenn der Täter dem Opfer mangels Leistungsfähigkeit weniger zahlt, als dem Opfer zusteht, aber das Opfer erklärt, dass es damit zufrieden sei, dass die Situation der Parteien damit befriedet sei und es den Täter von der restlichen Zahlung freistellt.
Kurz zusammengefasst: Zentral beim TOA ist immer die "Befriedungsfunktion" (nicht die Befriedigung der Ansprüche des Opfers).
Wenn sich die Parteien darauf nicht einigen können, gibt es eben keinen TOA. Außer der "T" kann es sich leisten und legt dem "O" zum "A" eine Summe hin, die ein eigenes Opfer darstellt (!) das "O" deutlich über die Maßen hinaus befriedigt.
Und der Mandant, der erst zum RA geht, nachdem die Strafantragsfrist für eine Körperverletzung abgelaufen ist, hat dann eben genauso Pech wie der Mandant, der sich bei der Polizei erst um Kopf und Kragen redet, bevor er seinen Verteidiger konsultiert.