Dienstag, 21. Juni 2011

StPO-R, Zweiter Vorschlag: Amtshaftung für Richter einführen!

Strafprozess, Amtsgericht. Wie in etwa 97 % aller amtsgerichtlichen Verfahren wird der Angeklagte verurteilt. Fünf Jahre später stellt sich heraus, dass der dem Angeklagten gemachte Vorwurf unzutreffend war, vor allem aber das ihm vorgeworfene Verhalten gar keinen Straftatbestand erfüllt.

Das hätte jeder Referendar nach Aktenlage erkennen können, ja müssen, um noch eine akzeptable Note zu bekommen. Der Richter hat es nicht erkannt, obwohl ihm die Verteidigung mehrfach schriftlich wie mündlich darauf hingewiesen hat. Muss der Richter auch nicht, denn er ist ja schon Richter. Und zu befürchten hat der Richter rein gar nichts. Eine Dienstaufsicht, die diesen Namen verdiente, ist für Richter nicht existent, und für seine Fehler zivilrechtlich gerade stehen muss in Deutschland kein Richter. Ein Richter haftet nicht einmal dann, wenn er bedingt vorsätzlich eine Prozesspartei benachteiligt. Das steht zwar nicht im Gesetz, aber der BGH sagt es so. Und die das sagen sind - na klar - Richter.

Das ist ein Missstand, vielleicht DER Missstand an deutschen Gerichten. Denn dort, wo Fehlverhalten keine Konsequenzen hat, herrscht Verantwortungslosigkeit. Kann mir ja keiner was. Dieses Lied singt jeder Strafrichter gerne, wenn er das Strafmaß für die Angeklagten begründet, aber für sich selbst will er davon nichts wissen.

Deswegen ist dem Kollegen Siebers Recht zu geben, wenn er hier vorschlägt, die Haftung für Richter einzuführen. Denn schließlich haftet der Rechtsanwalt ja auch für die Schäden, die er anrichtet. Darum ist jeder Rechtsanwalt gesetzlich verpflichtet, eine Berufshaftpflichtversicherung abzuschließen. Das wird auch nicht etwa dadurch gehindert, dass der Rechtsanwalt "Organ der Rechtspflege" ist, genauso wie Richter und Staatsanwälte. Es gibt keinen vernünftigen Grund, warum Richter nicht auch eine solche Versicherung abschließen sollten und damit den Rechtsanwälten zumindest in dieser Hinsicht gleich gestellt wären.

16 Kommentare:

  1. Diesen Ausführungen muß ich, als Rechtsanwalt, in jeder Hinsicht zustimmen, zumal wir nach BGH 9. Zivilsenat, Urteil vom 18.12.2008 - IX ZR 179/07 nunmehr ein weiteres Mal für die Fehler des Gerichts haften müssen.

    AntwortenLöschen
  2. Herr Nebgen, wenn Sie schon dieser Meinung sind, veröffentlichen Sie doch wenigstens nicht einen im Widerspruch hierzu stehenden, zweiten Beitrag in zeitlicher Nähe. Schließlich ist das Spruchrichterprivileg auch Ausprägung des von Ihnen in Ihrem anderen Beitrag unterschwellig herangezogenen, unschätzbaren Gutes richterlicher Unabhängigkeit.

    AntwortenLöschen
  3. Jawoll, Richter sollen für falsche Entscheidungen haften.

    Und wer bestimmt, was falsch ist?
    Die nächste Instanz?
    Die übernächste?
    Der Justizminister?
    Prof. X aus Y?
    Der Strafverteidiger mit seinen 2 ausreichenden Staatsexamina?

    Goodbye richterliche Unabhängigkeit!

    AntwortenLöschen
  4. @ anonym 07:31

    Ich bin auch für Nebgen als Richter-Richter

    AntwortenLöschen
  5. Wir brauchen keine Richterhaftung, da für Fehler des Gerichts mittlerweile der Rechtsanwalt mithaftet. Dessen Verantwortlichkeit für gerichtliche Fehlentscheidungen hat der BGH mit relativ klaren Worten bereits vor Jahren festgestellt.

    Klingt absurd. Ist es auch.

    AntwortenLöschen
  6. Es dürfte schon eine Haftung der Staatskasse reichen, die man als solche bezeichnen darf, und eine anständige Dienstaufsicht.

    @Schach: Können Sie mir dazu mal die Fundstelle benennen?

    AntwortenLöschen
  7. Es ist schon ein Kreuz mit der Redlichkeit, die Juristen sich per Se unterstellen und dabei merken die Richter in ihren schwarzen und roten Roben in ihrer Betriebsblindheit gar nicht, wie nahe sie den Despoten dieser Welt oft sind, in dem sie sich genau wie diese
    über´s Recht hinwegsetzen.
    So ist der Rechtsbeugungsparagraf doch durch den BGH mit Biegungen des Rechts zu einem bedeutungslosem Text geworden.

    AntwortenLöschen
  8. Dann kann man doch die Rechtsanwälte einfach selbst Recht sprechen lassen. Oder das Faustrecht wieder einführen. Dann wären die Probleme mit den Richtern erledigt.

    AntwortenLöschen
  9. Es würde schon reichen, wenn Rechtsbeugung konsequent bestraft würde. Für Eil- und Ermittlungsrichter gibt es schon jetzt nach geltender Rechtslage eine persönliche Haftung, siehe Beitrag von RA Udo Vetter: http://www.lawblog.de/index.php/archives/2011/03/23/eilrichter-haften-mit-privatvermgen/

    Das hier kritisierte Spruchrichterprivileg bezieht sich nach § 839 Abs. 2 Satz 1 BGB nämlich nur auf das "Urteil in einer Rechtssache", was Haftbefehle, Durchsuchungsbeschlüsse etc. nicht sind.

    AntwortenLöschen
  10. Der Schrei nach der Amtshaftung für Richter scheint den Anwälten ja mehr auf der Seele zu brennen als alles andere.

    Andererseits könnte man bei Einführung der Amtshaftung für kleinste Fahrlässigkeit auch die Rechtsmittelinstanzen abschaffen. Außerdem könnten dann endlich die “4er-Kandidaten” Richter werden, weil sich die “vb-Kandidaten” den Sch*** für die paar Kröten Gehalt nicht mehr antun.

    AntwortenLöschen
  11. Die Examensnote sagt wenig über die Qualifikation eines Juristen aus. Ich kenne schlechte Examenskandidaten, die sich während ihrs Berufslebens zu ausgezeichneten Juristen entwickelt haben und Prädikatsjuristen, die, kaum daß sie ihre Ernennung auf Lebenszeit in der Tasche hatten, begannen, vor sich hin zu dämmern (natürlich gibt es auch Schlechte, die schlecht und Gute, die gut blieben).

    Im übrigen lehren die widersprüchlichen Ergebnisse eines Instanzenzuges oder eines Gerichtsbezirkswechsels, daß es "gute" Juristen eigentlich kaum gibt, sondern allenfalls gute Begründungen für ein beliebiges Ergebnis. Gerade frisch auf den Tisch bekommen, das LG, das vom OLG aufgehoben wurde: "Die Kammer hat die Belehrung durch das OLG zur Kenntnis genommen, bleibt aber bei ihrer Ansicht und erläßt den aufgehobenen Beschluß in seiner alten Form noch einmal."

    AntwortenLöschen
  12. "Die Examensnote sagt wenig über die Qualifikation eines Juristen aus."

    Ja das ist etwas, was sich die 4er-Kandidaten immer gerne einreden.
    Es ist natürlich Quatsch.
    Begründet wird diese Ansicht des 4er-Kandidaten dann immer gerne damit:

    "Ich kenne schlechte Examenskandidaten, die sich während ihrs Berufslebens zu ausgezeichneten Juristen entwickelt haben und Prädikatsjuristen, die, kaum daß sie ihre Ernennung auf Lebenszeit in der Tasche hatten, begannen, vor sich hin zu dämmern"

    Diese Argumentation kann natürlich nicht durchgreifen, da der 4er-Kandidat überhaupt nicht die Qualifikation hat, gute und schlechte Juristen auseinanderzuhalten.
    Dies zeigt sich ganz deutlich daran, dass ihm die Entscheidungen von guten Juristen...

    "daß es "gute" Juristen eigentlich kaum gibt, sondern allenfalls gute Begründungen für ein beliebiges Ergebnis."

    ...regelmäßig zufällig und beliebig erscheinen, da ihm die kognitiven Fähigkeiten fehlen, ihrer Argumentation zu folgen.

    AntwortenLöschen
  13. Überzeugend, Herr Anonym. So habe ich das noch gar nicht betrachtet. Werde das Justizprüfungsamt sofort bitten, meine "VBs" in zwei "Vieren" zu korrigieren. Im übrigen: was scheren mich meine kognitiven Defizite, solange das BVerfG meine tumben Ansichten teilt?

    AntwortenLöschen
  14. @Anonym:

    Das mag ja richtig sein, bedeutet aber, daß zehntausende ober- und verfassungsgerichtliche Entscheidungen, mit denen jährlich Erkenntnisse der unteren Instanzen aufgehoben werden, von Leuten mit kognitiven Beschränkungen erwirkt werden. Ich bin mir sehr wohl bewußt, daß dies nicht auf klügeren Einsichten der rechtsmittelführenden Anwälte gegenüber den aufgehobenen Richtern beruht, sondern lediglich dem Mitleid der obereren Instanzen für das geistige Fußvolk der 4er-Kandidaten entpringt. Aber damit kann ich leben.

    AntwortenLöschen
  15. Finden Sie nicht, dass sie letztlich alle in dieselbe Hose scheißen. Oder fragen wir den Banker noch danach, ob er mit Optionen oder Immobilien betrogen hat, betrogen wurde oder den Schrott nur weiterverkauft hat. Verjagt gehört die Bande. Wenn die Justiz in grundlegenden Fragen nicht funktioniert und dies nur hinter vorgehaltener Hand leise getuschelt wird, interessiert es mich nicht mehr auf welcher Gehaltsliste ein Jurist steht - Richterschaft, Anwaltschaft, gesetzgebendes Parlament - überall Juristen die nichts dafür können oder behaupten grundsätzlich wäre ja alles in Ordnung. Noch weniger interessiert, welches Staatsexamen absolviert wurde. Die beschränktesten, langweiligsten und unfähigsten Menschen sind bestimmt Richter, ich wette! Und Anwälte bieten diesen Unabhängigen die Sichtweise ihres Mandanten an, widersprechen dem Richter vielleicht auch mal und lassen den Rest geschehen. Sie liefern ihren Mandanten aus. Widerstand? Lohnt nicht. Gebühr verdient. Es ist Betrug am Rechtsuchenden, Gebührenzocke, eventuell bandenmäßig organisiert. Die negativen Auswirkungen auf die Gesellschaft sind wohl nicht geringer, als die Zockerei der Finanzbranche. Vielleicht wären deren Betrügereien nicht in dem Maße möglich, wenn die Justiz als Korrektiv funktionieren würde und der Politik notfalls Beine machen würde. Die Verfassung ist eine gute Basis. Die richterliche Unabhängigkeit ist dort als Unabhängigkeit gegenüber dem Staat und nicht als Willkürrecht gegenüber dem Rechtsuchenden verankert.

    AntwortenLöschen