Es ist schon höchst verwunderlich, wie bei manchen Menschen auf einmal die Maßstäbe verrutschen, wenn es um den schnieken Freiherrn geht.
In dessen Promotion sind nach letztem Stand etwa zwei Drittel des gesamten Textes zum Teil seitenweise ungekennzeichnete Fremdtexte. Wie mögen die wohl dort hinein gekommen sein? Der Verteidigungsminister a.D. sprach von "nicht willentlich". Was mag er damit meinen? Hat er versehentlich im Schlaf Textpassagen aus der FAZ abgeschrieben? Hat er nicht bemerkt, dass er aus der FAZ abgeschrieben hat? Oder hat gar ein Dritter gegen seinen Willen ohne sein Wissen eine gefälschte Doktorarbeit unter seinem Namen eingereicht?
Wer eine auch nur annähernd nachvollziehbare Erklärung für dieses Phänomen hat, die den Verteidigungsminister a. D. entlastet, der möge sich melden. Bisher habe ich noch niemanden gehört.
Vielleicht Persönlichkeitsspaltung?
AntwortenLöschenAlso wirklich. Es gibt niemanden, der KTGs Diss als solche noch (wissenschaftlich zumal!) verteidigt. Um sie zu disqualifieren, reicht eigentlich eine einzige, wörtlich übernommene Passage ohne Zitat völlig aus. Das sind die Spielregeln wissenschaftlicher Arbeit.
AntwortenLöschenWissenschaft ist auch Handwerk. Nur, wer mal über Jahre an einer Arbeit geschrieben hat, weiss das (haben das alle "Kritiker"? Haben Sie?). Ich persönlich fand schon 4 Monate für eine Masterarbeit hart. 7 Jahre für eine Diss - na ja, habe ich familiär mit durchlebt. Größtes (handwerkliches) Problem: Wie sortiere ich meine Quellen? Wenn ich 2003 einen coolen Text copy/paste in die Datei nehme, zur späteren Verwendung, oder (zu meiner Zeit) auf eine Karteikarte banne, dann setze ich mich stets einer Gefahr aus: Will ich das Ding 2009 verwenden (weil ich es in meinen tausenden von Aufschrieben gefunden habe), dann habe ich hoffentlich (!) damals dazugeschrieben, wo ich es herhatte. Wenn nicht, halte ich es vielleicht für einen eigenen Text oder die Umarbeitung eines anderen Textes - obwohl es ein Originalzitat ist. Schwupps, habe ich unwissentlich ein Plagiat erstellt.
Wir mussten im Leicester ein Seminar zu "Plagiarism" besuchen. Das beschriebene Phänomen wurde uns als häufige Ursache für die Disqualifikation genannt: Die Arbeit würde eingezogen, nicht etwa, weil eine willentliche Täuschung vorliegt. Sondern, weil der Ersteller sich als Akademiker disqualifiert, wenn er seine Quellen nicht in Ordnung hat. Er ist ein Schlamper und Eilighinrotzer.
Aber er ist keiner, der wissentlich täuscht. Die Unschuldsvermutung gilt deshalb auch für KTG so lange, bis einer seinen Ghostwriter gefunden hat (den scheint es nicht zu geben, sonst hätte er sich doch gemeldet...) oder ihm den bösen Willen akademisch einwandfrei unterstellt hat. Entehrt - im akademischen Sinne - ist er ohnehin längst. Woher das Bedürfnis, nachzutreten? Oder, wie an anderer Stelle gesagt: Ist KTGs Doktorarbeit ein Problem für seine demokratische Gesinnung? Nö. Aber die von Gysi - nur über die redet keiner. Vielleicht auch besser so.
Wer sagt denn das es bei der ganzen Verteidigung Guttenbergs noch um die Dissertation geht?
AntwortenLöschenIch denke eher es geht um den Führer der unter Beschuss stand und jetz weggebrochen ist. ICh weiss, ihr Deutschen mögt dieses Wort nicht aber genau das ist/war Guttenberg doch.
Ein schnieker Politiker der Nägel mit Köpfen machte, klares Schwarz udn Weiss propagierte. Wenn es ein Problem gab wurden einfach ein paar Leute gefeuert. Er hat sich mit den großen Medien gutgestellt und hatte immer ein Lächeln im Gesicht.
Ich glaube die Verteidiger Guttenbergs haben mehr Probleme damit das sie ihren Führer, eine Identifikationsfigur, verloren haben. Die Dissertation spielt bei denen doch keine Rolle.
@Wolf Reuter: Laut GuttenPlag enthalten aber mehr als 3/4 der Seiten Plagiate, dem zweiten Zwischenbericht zufolge sollen fast 50% der Zeilen(!) plagiiert sein. Der verbleibende Rest enthält die von Guttenberg korrekt zitierten Quellen, so dass sich berechtigterweise die Frage stellt, ob überhaupt ein einziger Gedanke in der Arbeit von Guttenberg persönlich entwickelt wurde.
AntwortenLöschenWährend die von dir angegebene Erklärung für Arbeiten mit einzelnen Plagiatsstellen durchaus Geltung haben kann, ist es kaum vorstellbar, dass jemand so eine Unordnung hat, dass er unwissentlich fast 50% seines Reintextes aus fremden Quellen übernimmt.
Mensch Wolf, bleib beim Arbeitsrecht.
AntwortenLöschen@Anonym um 05:16 (Herr Kollege Nebgen, die Zeitangaben auf Ihrer Kommentarfunktion sind überarbeitungsbedürftig...):
AntwortenLöschenJa. Sie haben Recht.
Warum ich trotzdem immer noch rumdruckse?
(1) Nicht wegen eines Führerschwachsinns, ich kann einfach nicht glauben, wie man so etwas schreiben kann - Entschuldigung, aber DAMerrick, da übertreiben Sie. Wenn sie meinen, dass viele Menschen in KTG eine Art Politikeridol gesheen haben, ja. Ok. War er auch.
(2) Ich mißtraue dem tollen Wiki und warte lieber auf die Uni Bayreuth. Der Wiki ist gehässig. Er ist aber auch nicht wirklich seriös. Er listet z.T. Passagen als "Plagiat", die mit einem Zitat versehen sind, das nur angreifbar ist (z.B. das notorische "vgl.").
Aber mir drängt sich - leider - immer mehr auf, dass die Arbeit aussieht wie eine, die jemand als Auftragsarbeit geschrieben hat. Ich hoffe dennoch, das ist nicht so. Naiv, nicht?
Eine Erklärung lautet: bei einem viel beschäftigten Mann ist es nicht von vornherein unlausibel, dass er den Überblick über die Quellen verliert.
AntwortenLöschenDiese "Bewertung" stammt von keinem geringerem als vom Dekan der Bayreuther RW-Fakultät Prof. Möstl (Vertrauensdozent der Konrad-Adenauer-Stiftung) anlässlich der PK am 22.02.2011.
Diese Erklärung ist nicht nur nicht nachvollziehbar, mir ist auch völlig schleierhaft, wie man als nicht Parteipolitiker so etwas sagen kann. Nach der Aussage habe ich sogar befürchtet, dass die Uni ihm den Doktor nicht aberkennen wird.
Zu dem Zeitpunkt der PK war das Ausmaß der Plagiate bereits bekannt (in "seiner" Einleitung, in "seinen" Bewertungen usw.). Prof. Lepsius hat es wenige Tage später auf den Punkt gebracht, wenn er von einer Collage von Plagiaten spricht.
zu Möstl siehe auch http://www.youtube.com/watch?v=4ZI3ncBmt5A#t=3m47s
mein Transkript:
Journalist fragt (sehr undeutlich zu verstehen):
In der Stellungnahme spricht Guttenberg davon, dass er die Übersicht über die Quellen verloren hat, aber zu keiner Zeit vorsätzlich oder absichtlich getäuscht habe... kann man seine Quellen und die Übersicht verlieren, ohne irgendwie vorsätzlich und absichtlich zu handeln, ist das überhaupt möglich?
Antwort von Prof. Möstl: Damit wird sich auch die Kommission auseinandersetzen müssen. Es ist eine Promotion schon eine Riesenleistung. Und es ist tatsächlich nicht leicht, den Überblick zu behalten. Und wenn es sich um einen viel beschäftigten Mann handelt, ist es nicht von vornherein unplausibel, aber wir müssen das prüfen in der Kommission, selbstverständlich.
Ich finde es höchst erstaunlich, dass gerade Strafverteidiger in Sachen Guttenberg mit dem subjektiven Tatbestand außerordentlich lax umgehen. Vergleichbare Äußerungen von Richtern stoßen dagegen regelmäßig (und zu Recht) auf Kritik.
AntwortenLöschenDie Causa Guttenberg zeigt auf das deutlichste, wieviel Doppelmoral es auf allen Seiten gibt und wie wenig Bereitschaft Doppelmoral bei der jeweiligen Gegenseite auch mal augenzwinkernd hinzunehmen. So von wegen den ersten Stein werfen bzw. für die Lateiner: Innerhalb der Mauern von Troja wird gesündigt - aber auch außerhalb.)
@RA Neldner:
AntwortenLöschen1. Wenn es reichen würde, dass der Täter einfach bestreitet, wissentlich oder willentlich gehandelt zu haben, um den subjektiven Tatbestand zu verneinen, könnte man wohl die gerichtliche Verfolgung aller vorsätzlichen Straftatbestände einstellen.
2. Natürlich gilt die rechtsstaatliche Unschuldsvermutung, die besagt, dass jemand solange als unschuldig gilt, bis seine Schuld vom zuständigen Gericht festgestellt wurde.
Das hindert aber doch niemanden daran, sich selbst ein Urteil darüber zu bilden, ob das, was KTzG über das Zustandekommen seiner "Fehler" behauptet, überhaupt denkbar oder vorstellbar ist.
Meine Meinung nach ist es nicht vorstellbar, dass er nicht bewußt gehandelt hat.
Diejenigen, die versuchen seine Tat als Versehen oder Flüchtigkeitsfehler zu erklären, gehen entweder von Annahmen aus, die in diesem Fall nicht zutreffen oder nennen untaugliche Begründungen.
Das besondere an dem Fall ist ja auch, dass die entscheidenden objektiven Tatsachen so transparent auf dem Tisch liegen. Jeder kann sich dazu eine Meinung bilden.
Wie sollte denn mit dem subjektiven Tatbestand hier anders bzw. besser umgegangen werden?
Wolf Reuters Kommentar gefällt mir gut. Plus 1.
AntwortenLöschen@PH: Zu den möglichen Erklärungen, die für KTG positiv sind, kann ich auch nur auf die Kommentare des Kollegen Reuter verweisen bzw. die zu Grunde liegenden Tatsachen. Jedenfalls sollten solche Erklärungen nicht einfach abgebügelt werden, zumal m.E. der tatsächliche Umfang des Abschreibens noch nicht so klar ist. Das Wiki ist alles andere als neutral.
AntwortenLöschenBTW: Meiner Meinung nach ist die wahrscheinlichste Version die, dass KTG nicht willentlich Fremdtexte übernommen hat, weil das nicht der Auftrag war, den er dem Autor seiner Diss erteilt hat. Zugegeben eine Erklärung bei der ich einem Mandanten im Prozess zum Schweigen raten würde.
@RA Neldner
AntwortenLöschenEs gibt keine schlüssigen Erklärungen, die für KTG positiv sind. Insbesondere sollte man pro KTG nicht auf die Tatsachen verweisen, denn die legen klar dar, dass er abgeschrieben hat.
Insofern ist das, was PH (2:17) unter Punkt eins aufgeführt hat, absolut richtig. Denn mehr als Beweisanzeichen (die große Anzahl an plagiierten Stellen, der nur aber dann doch leicht geänderte Wortlaut) für das Abschreiben sind nur dann möglich, wenn ihn seine Frau verpfeift oder er ein Geständnis ablegt. Viel offensichtlicher als KTG kann man insofern mMn nicht abschreiben. Das als unwissentliches Abschreiben zu deklarieren ist lediglich eine erbärmliche Schutzbehauptung.
Zum Thema noch aus dem lawblog (es reicht schon wesentlich weniger Abgekupfertes):
http://www.lawblog.de/index.php/archives/2011/03/02/abschreiben-ist-auch-ein-fall-fr-den-staatsanwalt/#comments
Die Aussage eines Professors, es sei bei einer Promotion schwer, den Überblick zu behalten, ist mehr als fragwürdig. Ich halte es aus eigener Erfahrung für ausgeschlossen, daß man fremde Texte nach einer Weile irrtümlich für eigene hält. Gerade weil man an einer Promotion so lange feilt, Sätze immer wieder korrigiert, umstellt, neu plaziert, etc., bleiben einem die eigenen Formulierungen im Gedächtnis haften, während fremde Gedanken schon aufgrund der Wortwahl jedem seriös arbeitenden Doktoranten sofort auffallen müßten.
AntwortenLöschenIm übrigen geht es bei einer Doktorarbeit nicht darum, auf 500 Seiten fremde Gedanken zusammenzufügen und dies mit Fußnoten zu belegen. Vielmehr gilt es, eine eigene Forschungsleistung zu erbringen und die eigenen Gedanken mit Quellen zu untermauern - idealerweise natürlich mit originären Quellen, also in den Geisteswissenschaften mit Urkunden, Verträgen, usw.