Donnerstag, 7. Mai 2015

Zweite Meinung


Manchmal rufen potentielle Mandanten an, die wollen gar nicht, dass ich sie verteidige. Die haben nämlich schon einen Verteidiger und teilen das zumeist auch spätestens im zweiten Satz mit. Was diese Menschen wollen, ist etwas, dass sie in der Regel "zweite Meinung" nennen.

Ihr Verteidiger sei nicht schlecht, nein, so sei das nicht, aber... irgendwie seien sie sich nicht ganz sicher, ob das nicht doch noch besser ginge. Oder anders. Oder überhaupt.

Ich werde es mir jetzt endgültig angewöhnen, solche Mandate abzulehnen. Denn zum einen meinen die meisten dieser Ratsuchenden mit "zweite Meinung" in Wirklichkeit "kostenlose zweite Meinung". Denn sie haben ja schon einen Anwalt, den sie bezahlen müssen.

Zum anderen ist mir nicht klar, was diese Menschen eigentlich mit einer zweiten Meinung wollen. Der Begriff der "zweiten Meinung" kommt aus der Medizin und bezieht sich dort auf eine unsichere Diagnose. Ist sich ein Arzt nicht ganz sicher, was man hat, fragt man einen zweiten. Das kann sinnvoll sein.

Nun ist die Diagnose bei solchen Patienten Mandanten aber zumeist gar nicht das Thema. Die Diagnose ist in Rechtsdingen auch meistens recht einfach, in der Regel geht es um die gar nicht. Es geht um die Therapie. In die Rechtswelt übersetzt heißt das: um die Verteidigungsstrategie. Aber was will man mit zwei Strategien? Da bekommt man bestenfalls zweimal dieselbe Strategie, dann ist eine überflüssig. Oder man bekommt zwei unterschiedliche Strategien, dann muss man sich zwischen beiden entscheiden. Das kann man mangels Kenntnis der Materie nicht; man müsste also einen dritten Rechtsanwalt fragen. Und wenn der dann mal nicht eine dritte Strategie vorschlägt. Und so fort.

Wer also einen Rechtsanwalt nach einer zweiten Meinung fragt, meint eigentlich etwas Zweites.

3 Kommentare:

  1. Bisschen mehr Einfühlungsvermögen stünde Ihnen gut.

    Es ist ja nicht so, dass alle Rechtsanwälte immer das Beste für den Mandanten wollen. Übrigens auch nicht alle Ärzte.

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  2. Was die strafrechtliche Zweitmeinung betrifft habe ich jetzt etwas dazu gelernt. Im Zivilrecht werde ich regelmäßig beauftragt Prozessverlauf und Strategien zu beurteilen. Ich halte es für normal, sich von Dritter Seite eine Einschätzung einzuholen - immer vorausgesetzt, man ist bereit die Einschätzung auch zu bezahlen.

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  3. Zweitgutachter8. Mai 2015 um 04:23

    Herr Nebgen, Sie haben vielleicht eine etwas eingeschränkte Sichtweise, was eine Zweitmeinung leisten kann. Üblicherweise ist das Ergebnis einer gewissenhaft durchgeführten Zweitmeinung nicht unbedingt eine Alternative, sondern kann auch eine Bestätigung sein. Sollte eine Alternative aufgezeigt werden können, gibt sich eine (gute) Zweitmeinung damit nicht zufrieden, sondern setzt sich auch mit den Vor- und Nachteilen zwischen den Strategien auseinander und schließt mit einer Handlungsempfehlung. Damit kann man wieder zum ersten Anwalt gehen und Rücksprache bzgl. Strategiewechsel oder -beibehaltung halten, oder den "Zweitgutachter" dauerhaft beauftragen.

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