Montag, 4. Mai 2015
Vorsicht Presse
Wenn man als Strafverteidiger in Hamburg vor der Einlass-Schleuse des Strafjustizgebäudes ansteht, kommt es schon mal vor, dass hinter einem jemand lautstark fordert, unbedingt vorgelassen zu werden. Das sind dann nicht etwa Staatsanwälte, Richter oder Justizpersonal - die haben einen eigenen Eingang - sondern Damen und Herren von der Presse. Die halten sich mitunter für so wichtig, dass sie unbedingt eher im Gebäude sein müssen als Schöffen, Verteidiger oder Zeugen.
Nicht nur hier hat die inoffizielle vierte Gewalt eine Hybris entwickelt, die einen staunen lässt. Neuerdings gibt es diesen Größenwahn auch in Textform; Annette Ramelsberger hat ihn in der SZ formuliert. Der Kollege Laudon hat sich bereits daran abgearbeitet.
Frau Ramelsberger empfindet es beispielsweise als Zumutung für die Presse, dass Richter es mitunter wagen, Urteile um 16:00 Uhr zu fällen. Wo das doch "kurz vor Redaktionsschluss" sei! Ich hatte offen gesagt gar nicht gewusst, dass es so etwas wie Redaktionsschluss zu Zeiten des Internets überhaupt noch gibt. Andererseits beklagt sich die Journalistin dann aber auch, dass sie keine Zeit habe, sich abends "gemütlich" hinzusetzen und "in aller Ruhe" zu schreiben. Das mag stimmen; man merkt es mancher Berichterstattung allerdings auch an, und zwar auf durchaus negative Art. Niemand hindert die Presse übrigens daran, auch erst einige Stunden später und dann vielleicht etwas besser recherchiert zu berichten. Allein, sie will nicht. Vielleicht traut sie sich auch nicht, aber das wäre im Ergebnis dasselbe.
Diesen Schmähartikel gegen die Justiz mit einem Photo der unter ungeklärten Umständen verstorbenen Tugce A. zu begleiten und dieses mit der Bildunterschrift "Prozess für eine Heldin" zu versehen, ist angesichts des dortigen Verfahrensstandes dann allerdings nur noch geschmacklos.
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