Mittwoch, 6. September 2017

Satire im Parlament


Die Partei "Die Partei" ist eigentlich gar keine Partei, sondern Satire, weshalb ein anständiger Demokrat sie nicht wählen sollte. Das ist in etwa die Meinung der Autorin eines Kommentars auf "bento", der hier zu finden ist. Übrigens klärt uns "bento" sogar mit einem Extra-Kästchen darüber auf, was eine "Meinung" sei. Sehr löblich, aber den Intellekt der eigenen Leser scheint man dort nicht besonders hoch anzusetzen.

Der Untertitel des Kommentars lautet: "Wer "Die Partei" wählt, verachtet Politik." Da mag auf den ersten Blick etwas dran sein. "Satire schaut auf die Politik, sie macht sie aber nicht", heißt es schlank im Text. Da könnte man schon mal vorsichtig fragen, warum eigentlich nicht. Die Wähler der "Partei" werden kurz darauf abgekanzelt, wer aus Protest "Die Partei" wähle, halte auch die heute-show für eine seriöse Nachrichtensendung. Und spätestens an dieser Stelle ist es angebracht, kurz einmal sehr ernst mit dieser Dame zu reden, die es für erforderlich hält, im Abspann darauf hinzuweisen, dass sie Mitglied in der CDU sei. Denn sie hat da etwas ganz Wesentliches nicht verstanden.

Erstens ist es Merkmal des demokratischen Rechtsstaates, dass ich wählen kann, wen ich möchte, soweit er zur Wahl zugelassen ist. Es gibt übrigens sogar eine negative Wahlfreiheit: Ich brauche gar nicht zu wählen. Auch wenn diejenigen, die die negative Wahlfreiheit nutzen, von anderen gerne diskreditiert werden.Wer mir darüber hinaus Vorschriften machen möchte, betreibt Wahlkampf, mehr nicht. Und das ist besonders ärgerlich, wenn der Wahlkampf so versteckt und derart altbacken daherkommt wie hier. Soviel zur Form, jetzt zum Inhalt:

Satire ist vor allem dort wichtig, wo ein sachlicher Diskurs - aus welchen Gründen auch immer - nicht mehr möglich ist. Das könnte im Bundestag bald der Fall sein, dann nämlich, wenn eine Partei dort einziehen sollte, deren Mitglieder nicht nur Meinungen haben, sondern diese gerne mit falschen Tatsachenbehauptungen unterfüttern. Ich verweise in diesem Zusammenhang beispielhaft gerne noch einmal auf meine Analyse hier und füge hinzu, dass die dort von Dr. Alice Weidel aufgestellten Behauptungen auch inhaltlich schlicht falsch sind; man schaue mal hier.

Dort ist eine sehr effektive Taktik zu sehen, die von den Mitgliedern dieser Partei gerne genutzt wird: Man behauptet irgendetwas möglichst Konkretes, dessen Wahrheitsgehalt auf die Schnelle niemand überprüfen kann und drischt damit auf die anderen ein. Wenn ich beispielsweise in einer Talkshow behaupten würde, dass am 21. Oktober 2013 ein zwanzigjähriger syrischer Asylbewerber bei Offenburg eine Rentnerin vergewaltigt habe, wird mir das innerhalb von 45 Minuten niemand widerlegen können. Wie auch. Die meisten wissen ja nicht einmal, wo Offenburg liegt. Ein Rechercheteam bräuchte wahrscheinlich Tage, um ganz sicher sein zu können, dass an meinem erfundenen Ereignis wirklich nichts dran ist. Und die Fanatiker würden es trotzdem immer noch glauben.

Ich habe Zweifel, ob die - im großen und ganzen immer noch seriösen - Altparteien mit diesem Stil klar kommen werden. Viele werden sich noch gar nicht vorstellen können, auf welches Niveau die Debatte herunter gezogen werden wird, wenn es erst einmal soweit ist.

Und dann braucht es auch im Bundestag jemanden, der sich auf diesem Niveau auskennt. Das könnte eine Kraft sein, die sich derselben Mittel unter umgekehrten Vorzeichen bedient, und das macht "Die Partei" bisher nicht schlecht. Wenn sie es schaffen könnte, auf diese Weise den rechten Unfug etwas im Zaum zu halten, wäre auch politisch viel gewonnen.

In dem Film "Jäger des verlorenen Schatzes" (Raiders of the lost arc) gibt es eine Szene, in der der Protagonist (Harrison Ford) von einem gefährlich anmutenden Kämpfer bedroht wird, der mehrere Säbel schwingt, dabei Furcht einflößende Laute von sich gibt, und so einen kurzen Moment den Eindruck vollständiger Überlegenheit vermittelt. Der Protagonist zieht seinen Revolver und erschießt diesen Gegner auf vergleichsweise unspektakuläre Weise.

Wenn die Altparteien nicht aufpassen, wird es ihnen ergehen wie diesem ehrlichen, naiven Kämpfer: Sie werden regelwidrig aber effektiv einfach über den Haufen geschossen werden.




8 Kommentare:

  1. "Dort ist eine sehr effektive Taktik zu sehen, die von den Mitgliedern dieser Partei gerne genutzt wird: Man behauptet irgendetwas möglichst Konkretes, dessen Wahrheitsgehalt auf die Schnelle niemand überprüfen kann und drischt damit auf die anderen ein."

    Eigentlich ist es schön, dass eine Partei sich überhaupt noch zu konkreten Aussagen hinreißen lässt und nicht nur noch Allgemeinplätze raushaut, wie andere Parteien. Mit dem Wortlaut "eindrischt" wollen sie hier rhetorisch einen Sachverhalt erzeugen, der so nicht existiert. In der Dieseldiskussion sollte das kein besonders spezifisches Faktum sein, dessen Unkenntnis bei den Teilnehmern zu erwarten ist.

    "Satire ist vor allem dort wichtig, wo ein sachlicher Diskurs - aus welchen Gründen auch immer - nicht mehr möglich ist. Das könnte im Bundestag bald der Fall sein"

    Das muss man sich mal auf der Zunge zergehen lassen. Sie behaupten, Frau Weidel würde bzgl. der Grenzwerte einfach Blödsinn behaupten und verliken dann auf einen Eintrag im sog. Faktenfinder der Tagesschau, den keine Expertin auf diesem Gebiet verfasst hat. Dagegen kommt in dem betroffenen Focus-Artikel ein Epidemologe zu Wort, dessen Kritik an den unterschiedlichen Grenzwerten wohl fundierter sein dürfte. Überhaupt nicht klar ist, wie die 40 Mikrogramm ermittelt wurden: Welche Zeiten wurden ermittelt, die man diesem Wert ausgesetz sein kann? Welche Personen gelten als empfindlich? Wie viele betrifft das? etc.

    Ich behaupte nicht, in diesem Punkt alle Fakten zu kennen, ich würde mich aber nie dazu hinreißen lassen, auf Grund eines kurzen Tagesschauartikels einfach einer ganzen Partei die Diskussionswürdigkeit abzusprechen.

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    1. "Eigentlich ist es schön, dass eine Partei sich überhaupt noch zu konkreten Aussagen hinreißen lässt und nicht nur noch Allgemeinplätze raushaut, wie andere Parteien."

      Und das gilt Ihrer Meinung nach auch dann, wenn die Tatsachen, die den "konkreten Aussagen" zugrunde liegen, nachweislich falsch sind? Lügen ist besser als "Allgemeinplätze raushauen"?

      "[I]ch würde mich aber nie dazu hinreißen lassen, auf Grund eines kurzen Tagesschauartikels einfach einer ganzen Partei die Diskussionswürdigkeit abzusprechen."

      Die Sache mit den Grenzwerten für Stickstoffoxid scheint mir ein vom Autor beliebig ausgewähltes Beispiel zu sein. In Bezug auf die AfD könnte man mindestens ein paar Dutzend andere Beispiele wählen, die beweisen, dass diese Partei Falschbehauptungen und Verdrehungen offensichtlich für ein legitimes Diskussionsmittel hält.

      Hier sind ein paar (selbstverständlich ohne jeden Anspruch auf Vollständigkeit):

      http://www.ag-evolutionsbiologie.net/html/2016/evolution-bjoern-hoecke-und-die-afd.html

      https://www.youtube.com/watch?v=legMiI6RUuQ

      http://uebermedien.de/19090/heimaturlaube-von-fluechtlingen-medien-uebernehmen-afd-dreh/

      http://uebermedien.de/18950/arabisch-kommt-uns-nicht-in-die-schule/

      http://blog.zeit.de/fragen/2017/09/01/afd-polen-mateusz-piskorski-luegen/

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  2. Die Satire-PARTEI soll die böse Nazi- und Fake News-AfD im Zaum halten. Wenn da nicht die 5%-Hürde wäre ...

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  3. <<Das ist in etwa die Meinung der Autorin eines Kommentars auf "bento", der hier zu finden ist. Übrigens klärt uns "bento" sogar mit einem Extra-Kästchen darüber auf, was eine "Meinung" sei. Sehr löblich, aber den Intellekt der eigenen Leser scheint man dort nicht besonders hoch anzusetzen.
    <<
    Bento ist wohl -mehr oder weniger- mit dem "Spiegel" verbandelt. Und "Spiegel"-Leser wissen bekanntlich mehr. Oder? Wie verzweifelt müssen diese Meinungs"macher" wohl sein, um solch einen Mist zu verzapfen?

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    1. Es ist ja noch schlimmer! Hat sich mal jemand die Meinungserklärung durchgelesen?

      ---
      Was bedeutet "Meinung"?

      Was Du hier liest, ist die Meinung des Autors. So ein Kommentar muss nicht der Meinung der gesamten Redaktion entsprechen. Wir finden es wichtig, verschiedene Meinungen abzubilden. Schließlich wollen wir unseren Nutzern und Kollegen nicht vorschreiben, wie sie über eine Sache zu denken haben.
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      Das ist das gleiche wie

      Was ist "Käse"?
      Was Du hier siehst, ist der Käse des Milchbauern. So ein Käse muss nicht dem Käse der gesamten Landwirtschaft entsprechen. Wir finden es wichtig, verschiedene Käse herzustellen. Schließlich wollen wir unseren Nutzern und Kollegen nicht vorschreiben, welchen Käse sie zu essen haben.


      Weiß jetzt irgendjemand, was eine Meinung und was Käse ist?

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    2. Zumal diese Meinungsbeschreibung hardcore-Schwachsinn ist. Ich habe mich nur kurz über die Bento-Frontpage gescrolled und mir wurde schlecht von der ideologischen Propaganda die dort betrieben wird. Sorry Leute, aber wer die Überschrift zu einem Artikel mit "Gut so:" beginnt der möchte mir sehr wohl vorschreiben was ich zudenken habe.
      ... naja, ok, er möchte mir *suggerieren* was ich zu denken habe.

      P.S.: Ein echter Journalist würde neben Werbung "Anzeige" schreiben, aber das nur so nebenbei ;)

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  4. Kleiner Korrektur: Der Film heißt im Englischen "Raiders of the Lost Ark" (Ark of the Covenant ist die Bundeslade)

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