Montag, 8. Mai 2017

Der nervige kleine Bruder vom Strafverfahren


Kennen Sie Bußgeldverfahren? Das ist, wenn Sie z. B. zu schnell mit dem Auto unterwegs waren und mit dem Bußgeldbescheid nicht einverstanden sind. Dann landen Sie vor dem Einzelrichter in Strafsachen am Amtsgericht. Termin meist entweder ganz früh morgens (vor den richtigen Strafsachen) oder am Nachmittag (nach den richtigen Strafsachen). Der Staatsanwalt hat dann frei.

Das Bußgeldverfahren ist der kleine Bruder vom Strafverfahren. Grundsätzlich gelten - mit einigen Einschränkungen - dieselben Regeln. Aber es ist irgendwie nicht dasselbe. Das Bußgeldverfahren ist der nervige kleine Bruder, den man am Hacken hat, weil der Spielkamerad ihn immer mitbringt. Zu klein zum Mitspielen und man muss auch noch auf ihn aufpassen. Deswegen stellt man ihn irgendwo in die Ecke und hofft, dass nichts passiert und es keiner merkt.

Das sieht in der Praxis dann beispielsweise so aus:

Der Betroffene soll beim Fahren (technisch: Führen eines Kraftfahrzeuges) mit einem Mobiltelefon telefoniert haben. Das wollen zwei Polizeibeamte gesehen haben. Zumindest haben sie es auf einem Formular so notiert. Etwas merkwürdig ist, dass es die Straße, in der sie dieses hochbrisante Geschehen beobachtet haben wollen, nicht gibt. Es gibt in der Umgebung auch keine Straße, die einen auch nur halbwegs ähnlichen Namen hätte.

Dieses kleine Detail hindert die Bußgeldbehörde aber nicht, gleichwohl einen Bescheid zu erlassen, die Staatsanwaltschaft nicht, den Bescheid durchzuwinken und das Amtsgericht nicht, darüber zu verhandeln - obwohl die Verteidigung frühzeitig auf diese Merkwürdigkeit hingewiesen hat. Also trifft man sich vor Gericht.

Dort erscheint der erste Polizeibeamte und verweist auf seinen Kollegen. Der habe die Beobachtung gemacht, nicht er. Den falschen Straßennamen könne er sich nicht erklären. Der zweite Polizeibeamte - der, der die Beobachtung gemacht haben soll - erscheint trotz Ladung nicht.

An der Stelle ist dem Gericht dann auf einmal alles egal und es bietet von sich aus eine Einstellung des Verfahrens an.






4 Kommentare:

  1. Da haben Sie aber großes Glück gehabt.

    Das Bußgeldverfahren findet übrigens nicht vor dem Strafrichter, sondern vor dem Richter für Bußgeldsachen sein. Das kann der Strafrichter sein, aber auch der Familienrichter, der Insolvenzrichter oder wer gerade sonst noch so am Amtsgericht rumrennt. Daher können die Verhandlungen vor, nach, zwischen den Strafsachen verhandelt werden - oder einfach an einem ganz anderen, eigenen Tag.

    Die korrekte Bezeichnung des Tatortes im Bußgeldbescheid ist nach der Rechtsprechung nicht so wichtig: Entscheidend ist, dass der Betroffene erkennen kann, was genau ihm vorgeworfen wird, und er dies von anderen Verhaltensweisen abgrenzen kann (Abgrenzungsfunktion). Da die Polizeibeamten den Betroffenen angehalten haben dürften und ihm zudem zur fraglichen Tatzeit kein zweiter Handyverstoß vorgeworfen worden sein dürfte, dürfte ihm auch klar sein, was man ihm vorwirft: Abgrenzugsfunktion (+).

    Ein paar Fragen hätte ich aber noch: Was genau haben Sie an dem Verfahren bewirkt, dass Ihr Mandant nicht auch alleine hätte bewirken können? Und was genau hätten Sie bewirkt, wenn der Polizist erschienen wäre, der den Verstoß beobachtet hat? Und was genau hat das mit dem Tatort zu tun?

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    1. Au wei... gehen Sie doch einmal zu einem Amtsgericht und setzen Sie sich in eine Saal, an welchem für einen Vormittag so ca. 5-10 Straf- und Bußgeldsachen anberaumt sind.

      Und dann erleben Sie einmal, wie der Richter (und ggf. a. die StA) sich gegenüber einem Angeklagten/Betroffenen benehmen, der ohne Verteidiger erscheint und wie sie sich benehmen, wenn ein (aktiver) Verteidiger neben dem Angeklagten/Betroffenen sitzt.

      Im Übrigen: es war der Mandant, der Herrn Kollegen Nebgen um dessen Dienste gebeten hatte. Hätte der Kollege ihn wegschicken sollen? Was hätte der Mandant dann gemacht? Wahrscheinlich einen anderen RA als Verteidiger beauftragt. Warum also kritisieren Sie Herrn Kollegen Nebgen dafür, seine Arbeit gemäß dem Willen des Mandanten gemacht zu haben?

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  2. Sehr geehrter Anonym,
    das klingt doch alles nach versuchter Herabsetzung von Herrn Nebgen, sowohl im Hinblick auf seine Kompetenz, als auch im Hinblick darauf, ob er sein Geld wohl wert sei.
    Im Einzelnen:
    Ja, der Bußgeldrichter ist der Bußgeldrichter, nicht der Strafrichter. Jedoch: In mehr als 1000 Bußgeldverfahren an ich-weiß-nicht-wie-vielen Gerichten waren die immer personenidentisch. Da wird man Herrn Nebgen eine kleine (realitätsnahe) Unschärfe wohl verzeihen können, oder nicht? Nein, nicht wenn man böswillig ist.
    Natürlich kommt es bei einem Bußgeldverfahren genauso auf den Tatort an, wie in jedem anderen Strafverfahren auch. Sie wissen doch gar nicht, ob der angebliche Täter angehalten wurde. DAS nenne ich jetzt aber eine erhebliche Unschärfe.
    Ihre "Nachfragen" dienen dann nur noch der Herabsetzung von Herrn Nebgen. Dass dieser selbst darauf hinweist, dass eine Verhandlung eigentlich gar nicht nötig gewesen wäre, geht da schnell mal unter...
    Und es entspricht exakt meiner Berufserfahrung, dass manche Mandanten inhaltsgleich an die Bußgeldbehörde, Staatsanwaltschaft oder Gericht schreiben wie ich - und es tut sich erst etwas, wenn ich das Gleiche mit Anwaltsbriefbogen wiederhole. Dies wirft meines Erachtens weniger ein schlechtes Bild auf den Anwalt als auf sämtliche Beteiligte der Gegenseite.

    Ach ja: Anonym ist feige.

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  3. Für den Verteidiger ist das gräßlich. Die meisten Mandanten kommen mit ihrer Verkehrsrechtsschutzversicherung ohne Extras und wollen auch nicht mehr zahlen. Sie fragen noch dreist, ob der RA auf die Selbstbeteiligung verzichtetn würde.

    Der RA verschwendet Zeit für diese Hauptverhandlung, für die er nicht wenig Zeit aufwenden muss, 265,00 Euro (netto) - um die er ggf. mit der Rechtsschutzversicherung kämpfen muss, denn die kürzen gerne. Für seinen Brief, in dem er auf den Irrtum über die Straßennamen hingewiesen hatte, hätte er 160,00 Euro (netto) fix erhalten; in der verschwendeten Zeit für die Hauptverhandlung hätte er deutlich mehr als diese "105,00 Euro minus x" verdienen können.

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