Donnerstag, 11. Mai 2017

Das Strafrecht ist nichts für Majestäten


Der Wurst-Uli (Hoeness) hat sich über seine Strafhaft beschwert. Im Wortlaut auf SPON liest sich das dann so:
"Ich bin der einzige Deutsche, der eine Selbstanzeige gemacht hat und trotzdem im Gefängnis war. Ein Freispruch wäre völlig normal gewesen. ... Ich habe über 40 Millionen Strafe gezahlt. Trotzdem entschied ich mich, ins Gefängnis zu gehen."
Das soll Hoeness auf einem "Galadinner" in Liechtenstein gesagt haben, widersprochen hat ihm offenbar keiner. Dafür wäre Liechtenstein vielleicht auch der falsche Ort gewesen, dem SPIEGEL hätte man da vielleicht schon mehr zugetraut. Vergebens.

Überspringen wir mal den zweifelhaften Ausspruch mit der Selbstanzeige und dem Gefängnis, der so auf keinen Fall stimmt und widmen uns kurz den letzten drei Sätzen, denn die sind bezeichnend für die Einstellung zum Strafrecht, die viele Menschen in Deutschland haben: Strafrecht muss hart sein und gilt immer nur für die anderen.

Ein Freispruch ist niemals normal, denn er ist nicht die Norm. Die Norm ist die Verurteilung, zumindest in der mündlichen Verhandlung. Freisprüche machen bundesweit etwa 3 % aller gerichtlichen Entscheidungen nach mündlicher Hauptverhandlung aus. Von "völlig normal" kann da nur jemand sprechen, der die Situation völlig falsch einschätzt.

Meines Wissen hat der Wurst-Uli auch keine "40 Millionen Strafe" gezahlt, sondern einfach nur seine Steuerschulden beglichen, was sich irgendwie ja von selbst verstehen sollte.

Und obwohl König Uli sich herabgelassen hat, seiner Bürgerpflicht (auf sanftes Drängen der staatlichen Behörden) nachzukommen, hat er sich auch noch "entschieden"(!) ins Gefängnis zu gehen. Also, genau genommen hat er sich entschieden, gegen die Entscheidung des gesetzlichen Richters kein Rechtsmittel einzulegen, das wohl wenig bis gar keine Aussicht auf Erfolg gehabt hätte, weil die ausgeurteilte Strafe im Verhältnis zu vergleichbaren Fällen so absurd niedrig war, dass die Leute schon zu tuscheln anfingen.

Wir sehen hier augenscheinlich einen Menschen, dem jegliches Anstandsgefühl und Unrechtsbewusstsein vollständig abhanden gekommen ist, wenn es denn jemals vorhanden war. Der nicht einsieht, dass er selbst für seine Straftaten bestraft wird, gleichzeitig aber einer Partei angehört, die immer höhere Strafen für alles mögliche fordert.

Das Strafrecht ist des Pöbels, nicht des Königs.




Montag, 8. Mai 2017

Der nervige kleine Bruder vom Strafverfahren


Kennen Sie Bußgeldverfahren? Das ist, wenn Sie z. B. zu schnell mit dem Auto unterwegs waren und mit dem Bußgeldbescheid nicht einverstanden sind. Dann landen Sie vor dem Einzelrichter in Strafsachen am Amtsgericht. Termin meist entweder ganz früh morgens (vor den richtigen Strafsachen) oder am Nachmittag (nach den richtigen Strafsachen). Der Staatsanwalt hat dann frei.

Das Bußgeldverfahren ist der kleine Bruder vom Strafverfahren. Grundsätzlich gelten - mit einigen Einschränkungen - dieselben Regeln. Aber es ist irgendwie nicht dasselbe. Das Bußgeldverfahren ist der nervige kleine Bruder, den man am Hacken hat, weil der Spielkamerad ihn immer mitbringt. Zu klein zum Mitspielen und man muss auch noch auf ihn aufpassen. Deswegen stellt man ihn irgendwo in die Ecke und hofft, dass nichts passiert und es keiner merkt.

Das sieht in der Praxis dann beispielsweise so aus:

Der Betroffene soll beim Fahren (technisch: Führen eines Kraftfahrzeuges) mit einem Mobiltelefon telefoniert haben. Das wollen zwei Polizeibeamte gesehen haben. Zumindest haben sie es auf einem Formular so notiert. Etwas merkwürdig ist, dass es die Straße, in der sie dieses hochbrisante Geschehen beobachtet haben wollen, nicht gibt. Es gibt in der Umgebung auch keine Straße, die einen auch nur halbwegs ähnlichen Namen hätte.

Dieses kleine Detail hindert die Bußgeldbehörde aber nicht, gleichwohl einen Bescheid zu erlassen, die Staatsanwaltschaft nicht, den Bescheid durchzuwinken und das Amtsgericht nicht, darüber zu verhandeln - obwohl die Verteidigung frühzeitig auf diese Merkwürdigkeit hingewiesen hat. Also trifft man sich vor Gericht.

Dort erscheint der erste Polizeibeamte und verweist auf seinen Kollegen. Der habe die Beobachtung gemacht, nicht er. Den falschen Straßennamen könne er sich nicht erklären. Der zweite Polizeibeamte - der, der die Beobachtung gemacht haben soll - erscheint trotz Ladung nicht.

An der Stelle ist dem Gericht dann auf einmal alles egal und es bietet von sich aus eine Einstellung des Verfahrens an.