Samstag, 11. Juni 2016
Kaputt
Das deutsche Sexualstrafrecht sei kaputt, schreibt @BastiMaas auf bento.
Ja. Nein. Irgendwie doch ja, aber nicht wie du denkst.
Erstmal: Schön, dass sich mal jemand für eine/n Täter/in interessiert und nicht immer nur den so genannten Opfern hinterherläuft. Denn das Interesse gilt Gina Lisa Lohfink - die nach der Einschätzung der Gerichte Täter/in ist, nicht Opfer. Auch, wenn ihr sie für das Opfer halten mögt. Da seht ihr mal, wie nahe das beieinander liegen kann.
Sonst seht ihr das nicht so. Sonst schlagt ihr auf jeden "Täter" wütend ein, mag der Nachweis seiner Schuld auch noch so brüchig sein. Hier habt ihr euch - zufällig? - mal auf die richtige Seite geschlagen.
Aber der Vorwurf gegen Gina Lisa Lohfink betraf Falsche Verdächtigung (§ 164 StGB), wenn ich das richtig gelesen habe. Das ist definitiv kein Sexualdelikt. Warum also soll deshalb das Sexualstrafrecht kaputt sein?
Natürlich, dahinter steht eine andere Geschichte, eine, die auch noch per Video dokumentiert wurde. Darauf soll eine Vergewaltigung zu sehen sein. Trotzdem wurden die dortigen "Täter" freigesprochen. Aus welchem Grund weiß ich leider nicht. Selbst der durchaus umfangreichen Presseberichterstattung habe ich das nicht eindeutig entnehmen können. Offenbar hat das Gericht Zweifel an deren Schuld gehabt.
Solche Zweifel sind gerade in Sexualstrafsachen allzu häufig angebracht, und allzu selten wird diesen Zweifeln ernsthaft nachgegangen. Selbst "Opfer"schutzorganisationen gehen mittlerweile davon aus, dass etwa die Anschuldigungen bei Sexualdelikten in etwa der Hälfte aller Fälle falsch seien. Trotzdem wird den "Opfern" noch immer viel zu häufig ungeprüft geglaubt und Erklärungen der "Täter" gar nicht erst ernsthaft zur Kenntnis genommen. Statt sachlicher Prüfung regiert der Grabenkampf der Klischees - die Frau als Opfer, der Mann als Täter.
Wenn das Sexualstrafrecht kaputt ist, dann deshalb, weil immer noch viel zu viele Menschen lieber ihren Vorurteilen und niederen Instinkten folgen, als einen Vorwurf sachlich zu prüfen. Ein schönes Plädoyer für die Sachlichkeit habe ich hier gefunden, übrigens von einer Frau geschrieben.
Es wäre schön, wenn diese Sachlichkeit gerade in Sexualstrafsachen endlich bei Gericht und Presse einkehren könnte. Aber das scheint mir in beiden Fällen noch ein weiter Weg zu sein.
Natürlich wäre es besonders bitter, wenn das ziterte Klischee (Frau = Opfer, Mann = Täter) gerade dort zutreffen sollte, wo ihm mal kein Glauben geschenkt wurde. Das wäre aber immer noch kein Grund, die kaum erlangte Contenance gleich wieder fahren zu lassen und in die alten unsinnigen Grabenkämpfe zu verfallen.
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Hier lässt sich nachlesen, warum es zu einer Verurteilung der beiden Männer nicht gereicht hat, m.E. keineswegs zu beanstanden:
AntwortenLöschenhttp://www.stern.de/lifestyle/leute/gina-lisa-lohfink--chronik-einer-angekuendigten-schaendung-6888744.html
Ansonsten ist der Artikel leider nur zirkelschlüssig, da von der Prämisse ausgegangen wird, dass GLL tatsächlich vergewaltigt wurde, was angesichts der Entscheidung hinsichtlich der "Täter" nicht haltbar ist.
153 StGB?
AntwortenLöschenJa ja... Ist korrigiert. Danke.
LöschenMich als Laien interessiert vor allem: Wieso ist es in diesem Fall zu einer Verurteilung wegen falscher Verdächtigung gekommen?
AntwortenLöschenNach meinem Verständnis des Gesetzestextes genügt hierzu nicht, dass die Tat nur nicht bewiesen werden kann (im Gegensatz etwa zu übler Nachrede wo es heisst "wenn nicht diese Tatsache erweislich wahr ist"), sondern die Anzeige muss "wider besseres Wissen" erfolgen um den Tatbestand der falschen Verdächtigung zu erfüllen.
Dies konnte ich jedoch der Berichterstattung über den Fall nicht entnehmen.
Die etwas bizarre Historie (auch Lohfinks Anwalt soll im Rahmen der Versuche, die Verbreitung des Videos zu unterbinden, von einverständlichen sexuellen Handlungen geschrieben haben) ist bei der Süddeutschen unter "wenn schon das Wort Nein genügt" dargestellt.
AntwortenLöschenAllerdings ebenfalls mit der Falschmeldung, dass Richter (contra legem?) die Notwendigkeit von Gegenwehr des Opfers beim Vergewaltigungstatbestand erfunden haben sollen.