Auf dem Strafverteidigertag 2016 in Frankfurt gab es eine Abschlussveranstaltung zum Thema "Selbstverständnis von Strafverteidigung". Solche Diskussionen sind durchaus wertvoll, weil man zur Kenntnis nehmen kann, wie andere so denken. Ein Überblick:
- Der Kollege Conen sagt, dass Strafverteidigung immer der Kampf für die Rechte des Beschuldigten ist. Er lehnt daher jegliche Vertretung der Nebenklage ab. Das ist bis dahin völlig in Ordnung und sein gutes Recht. Bedenklich wird es allerdings, wenn er diese Haltung auch von allen anderen verlangt und Strafverteidigung und Nebenklage generell für unvereinbar erklärt. Das hat etwas genau desjenigen obrigkeitsstaatlichen Denkens, das es zu bekämpfen vorgibt.
- Der Kollege Hoffmann sieht sich wörtlich als "linken Verteidiger" und vertritt in diesem Sinne wie selbstverständlich auch die Nebenklage im NSU-Prozess. Das sei irgendwie ja auch Verteidigung. Nun ja. Der Kollege scheint mir da seine politische Gesinnung mit seiner Funktion zu verwechseln. Die Gesinnung steht jedem frei, das gedankliche Fundament hingegen sollte gewissen logischen Vorgaben entsprechen, die hier verletzt sein dürften.
- Der Kollege Taschke berät Unternehmen in Compliance-Angelegenheiten. Das ist wirklich interessant, weil es sich zunächst gar nicht wie Strafverteidigung anhört, es tatsächlich aber ist. Denn aufgrund einer strafprozessualen Dunkelnorm - § 433 StPO - erlangen Einziehungsbeteiligte Beschuldigtenrechte. Das trifft auch Unternehmen - und schon erlangt der Rechtsanwalt im Compliance-Verfahren Verteidigerstatus. Nur ist Mandant in der Regel eben eine juristische Person und die Tätigkeit hat einen ungewohnten präventiven Aspekt.
- Professor Dr. Matthias Jahn von der Goethe-Universität Frankfurt hat das in seinem Beitrag dogmatisch sehr schön strukturiert dargestellt und dafür viel zu wenig Applaus bekommen. Denn er hat gut nachvollziehbar dargelegt, dass die Tätigkeit im Compliance-Verfahren originäre Verteidigertätigkeit ist, Vertretung der Nebenklage dagegen nicht.
Ob man aber als Strafverteidiger trotzdem auch Nebenklagevertretungen übernimmt, das bleibt eine individuelle Entscheidung jedes eigenen. Das sagt jedenfalls noch nichts über die Qualität der jeweiligen Verteidigung aus.
Ja. Das sollte sich eigentlich auch von selbst verstehen. Es ist erschütternd, was man auf einem Strafverteidigertag so alles von sich geben kann, ohne lauten Protest zu ernten.
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