Dienstag, 14. Januar 2014

Hinkende Küchenmesser


Das Internet ist kaputt, sagt Sascha Lobo. Nein, das Internet ist nicht kaputt, sagt z. B. der Kollege Stadler, der sich wiederum auf diesen Blogbeitrag ("Gedankennebel) bezieht. Und dann war da noch die Geschichte mit dem Küchenmesser, aber die kommt später.

Sascha Lobo ist enttäuscht, denn das Internet ist nicht nur toll und anarchisch, sondern man kann auch böse Dinge mit ihm anstellen. Das ist unendlich naive Nerd-Romantik von der kuscheligen Parallelwelt, in der alle sich liebhaben und alles kostenlos ist. Ich dachte, darüber wären wir hinweg; aber Sascha Lobo knabbert wohl immer noch daran.

Die Gegenstimmen finden das Internet nach wie ein tolles "tool" und meinen, stattdessen stimme mit der Demokratie etwas nicht, dass sie derartigen Missbrauch des Internets zulasse. Hier kommt das Küchenmesser ins Spiel. Das ist auch unheimlich nützlich, aber man kann eben auch Menschen damit meucheln. Gähn.

In Wirklichkeit ist das Internet nicht kaputt, es ist einfach so, wie es ist, nur das einige das erst recht spät bemerken. Denn das Internet wird von Menschen genutzt, und die sind eben manchmal gut, manchmal böse und ganz oft einfach nur doof. Deswegen muss man manche "tools" verbieten, weil der Schaden, den allzu böse oder doofe Nutzer damit anstellen könnten, dann doch zu groß wird. Küchenmesser sind noch nicht so schlimm, und ja auch irgendwie nützlich, Waffen beispielsweise sind schlimmer. Deswegen sind die verboten. Obwohl es ja auch heißt "Küchenmesser don't kill people, people kill people". Oder so ähnlich.

Irgendwo schlägt die Waage eben zuungunsten des Nutzens aus, wenn der Schaden allzu groß wird. Wer dafür aber nur die Bösen und Doofen unter den Nutzern verantwortlich macht, macht es sich zu einfach. Man darf es eben auch den Bösen und den Doofen nicht zu einfach machen. Deswegen ist das Internet vielleicht doch nicht so toll, wie manche anfangs meinten. Was an seinem Nutzen natürlich nichts ändert.

Wie beim Küchenmesser.






Montag, 6. Januar 2014

Salami im Gefahrengebiet


Ich berichte vom Rande des Gefahrengebietes. Dort liegt meine Kanzlei. Wer noch nicht weiß, was ein Gefahrengebiet ist, der schaut hier. In amtlichen Gefahrengebieten darf die Polizei - kurz gesagt - alles. Die Rechtsgrundlage für die Einrichtung eines solchen Gefahrengebietes findet sich erstaunlicherweise nicht etwa im Polizeigesetz (in Hamburg: SOG), sondern im Hamburgischen Gesetz über die Datenverarbeitung der Polizei (HmbPOlDVG). Man wundert sich.

Der Anlass ist nicht weniger verwunderlich: In der Nacht vom 28. auf den 29. Dezember 2013 sollen Vermummte - mutmaßlich aus der linken Szene stammende - Personen die aus Film, Funk und Fernsehen bekannte Davidwache auf der Reeperbahn angegriffen haben. Laut Pressemitteilung der Polizei sollen dabei 30 bis 40 vermummte Personen mit Steinen und Flaschen die Polizeiwache angegriffen haben. Dabei habe ein Polizeibeamter einen Kieferbruch erlitten. Filmaufnahmen gibt es keine, obwohl die Davidwache rund um die Uhr aus mehreren Richtungen mit Videokameras überwacht wird.

Nun behauptet ein Hamburger Rechtsanwalt, Mandanten aus der linken Szene hätten ihm glaubwürdig versichert, den Vorfall habe es nie gegeben. Die Davidwache sei niemals angegriffen worden. Ein Pressebericht findet sich z. B. hier.

Diese Behauptungen rufen nun ihrerseits natürlich die Polizei auf den Plan, die erwartungsgemäß "mit Entsetzen" reagiert. Die Sprecherin der Polizei wird mit den Worten zitiert: "Wie kommt ein Anwalt, ein Organ der Rechtspflege, bloß zu solchen Unterstellungen?" Das unsägliche und rechtsstaatsferne Fehlverständnis des Begriffes "Organ der Rechtspflege" übersehen wir mal großzügig.  Der anschließende Versuch, den Rechtsanwalt möglicherweise zum Parteiverrat anzustiften, ist da schon ungewöhnlicher. Dann aber wird es vollends wunderlich:

Die Polizei räumt nämlich ein, dass "der Vorfall" nicht vor der Davidwache, sondern 200 Meter weiter stattgefunden habe. Nanu? Ist es dann nicht ein ganz anderer Vorfall? Und warum verbreitet man vorher offenbar unwahre Behauptungen, die man erst korrigiert, nachdem man von einem Rechtsanwalt darauf hingewiesen wurde? Ist das nicht das genau dasjenige Verhalten, dass bei Angeklagten gerne Salamitaktik genannt wird und sich vor Gericht in der Regel strafschärfend auswirkt?

Man wundert sich.