Mittwoch, 6. Februar 2013

Person, Gewissen und Zynismus


Nun ist auch Frau Schavan ihren Doktortitel los. Ob zu Recht oder zu Unrecht, das mögen dereinst das zuständige Verwaltungsgericht, Oberverwaltungsgericht und von mir aus auch das Bundesverwaltungsgericht klären. Wenn gleich ich mir schwer vorstellen kann, dass die deutliche Mehrheitsentscheidung einer fünfzehn-köpfigen Kommission, die den Fall neun Monate lang geprüft hat, den Gerichten all zu viele Angriffspunkte bieten wird. Dazu ist der Fall zu spektakulär, die Person zu prominent und die Voraussetzungen der Aberkennung zu gut geregelt.

So richtig überraschend ist die Entscheidung auch nicht; was einen aber mal wieder staunen lässt, sind die Reaktionen der Politiker aus dem konservativen Lager: Als würden gesetzliche Regeln immer nur für die anderen gelten, erklärt der bildungspolitische Sprecher der CDU das Verfahren der Uni ohne weitere Erläuterungen zur  "Farce" und antwortet auf die Frage der politischen Konsequenzen für Annette Schavan, der Doktortitel sei schließlich keine Voraussetzung für das Amt der Bundesbildungsministerin. Dummdreister und zynischer geht es kaum. Wenn der Doktortitel für das Amt nicht erforderlich ist, warum hat Frau Schavan ihn dann eigentlich geführt?

Während nach jedem etwas gröberen Foul eines Fußballspielers dessen angebliche Vorbildrolle für die Jugend proklamiert wird, scheint es für die Rolle einer Bundesbildungsministers derartige Anforderungen nicht zu geben. Nach Vorstellung der CDU darf offenbar selbst die für Bildung zuständige Ministerin nach Bedarf klauen und betrügen, und ihr Sprecher dann auch noch die Universitätsverwaltung in den Dreck ziehen, wenn die sich gegen derartiges Verhalten verwehren.

Nur für alle anderen, für die werden in regelmäßigen Abständen strengere Gesetzte und härtere Strafen gefordert.

10 Kommentare:

  1. Ich bin mir nicht sicher, ob das alles juristisch wirklich wasserdicht ist.
    In §48 NRW-Verwaltungsverfahrensgesetz lese ich:
    "Erhält die Behörde von Tatsachen Kenntnis, welche die Rücknahme eines rechtswidrigen Verwaltungsaktes rechtfertigen, so ist die Rücknahme nur innerhalb eines Jahres seit dem Zeitpunkt der Kenntnisnahme zulässig."
    Seit der Verleihung der Doktorwürde sind 33 Jahre vergangen. Welche neue Tatsachen sollen das sein? Die Doktorarbeit liegt seit 33 Jahren vor. Es hätte sich nur mal jemand die Mühe machen müssen, den Text der Arbeit mit der angegebenen Literatur abzugleichen (soweit ich weiß, wurden alle "plagiierten" Quellen angegeben, sie wurden nur nicht korrekt zitiert).

    Sowieso stellt sich die Frage, inwieweit hier nicht aus rein verfassungsrechtlichen Erwägungen eine Verjährungsfrist greifen müsste... was waren gleich noch mal die Verjährungsfrist für Totschlag, Vergewaltigung`, Diebstahl, Betrug etc.?

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  2. @Anonym:

    1.Soweit ich weiß, meint die Kenntnis in § 48 VwVfG-NRW nicht die theoretische Möglichkeit zur Kenntnisnahme (die zweifelsohne schon seit über 30 Jahren bestanden hätte), sondern die POSITIVE Kenntnis über die Tatsachen. Erst dann läuft die Jahresfrist an. Und diesbezüglich dürfte die Jahresfrist gewahrt sein, wenn das Verfahren vor ca. 9 Monaten eingeleitet wurde (ich gehe davon aus, dass das Verfahren unmittelbare nach Erhalt der positiven Kenntnis eingeleitet wurde).

    2. Verjährung? Sie verwechseln hier die Möglichkeit zur Rücknahme eines rechtswidrigen Verwaltungsakts ("Doktorgradentzug") mit der Verjährung von Straftaten. Das sind zwei Paar Stiefel.

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  3. "Wenn der Doktortitel für das Amt nicht erforderlich ist, warum hat Frau Schavan ihn dann eigentlich geführt?"

    Hätte sie ihn ablegen sollen, als sie zur Ministerin berufen wurde? Argumentieren Sie vor Gericht eigentlich auch so, wie in Ihrem Blog?

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  4. @John Doe:
    1.Die Doktorarbeit wurde seinerzeit von 2 unabhängigen Gutachtern geprüft. Man kann sich schon fragen, warum die nichts gemerkt haben. Wurde die Doktorarbeit einfach ohne genaue Prüfung durchgewunken? War es damals vielleicht sogar normal, schlampiges Zitieren zu akzeptieren (die Existenz von Zitierrichtlinien zur damaligen Zeit ist ja kein Beweis, dass diese auch durchgesetzt wurden)? Von der Antwort auf diese Fragen hängt es ab. Man muss sich klar machen, Frau Schavan war damals nur eine Doktorandin von vielen, keine bekannte Politikerin. Es erscheint eher unwahrscheinlich, dass sie ein Einzelfall ist.
    2. Verjährung gibt es ja auch in anderen Rechtsbereichen neben dem Strafrecht - der Vergleich mit der strafrechtlichen Verjährung diente nur dazu, das Missverhältnis besonders deutlich zu machen.

    Rasti

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    1. Die positive Kenntnis muss aber bei der Stelle, die den Verwaltungsakt erlassen hat, vorliegen.
      Selbst wenn man zu Überlegungszwecken unterstellte, die beiden Gutachter hätten positive Kenntnis gehabt, frage ich mich, wie man diese Kenntnis der verleihenden Stelle zurechnen könnte.

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  5. Über § 166 BGB analog zum Beispiel.

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    1. Der Fall spielt sich im öffentlichen Recht ab und Erst-/Zweitgutachter sind nicht Vertreter der verleihenden Stelle. Daher wäre schon eine doppelte Analogie notwendig. Und ohne nähere Begründung eine doppelte Analogie über Rechtsgebiete hinweg zu spannen, finde ich jetzt (noch?) nicht überzeugend.

      Unabhängig davon bin ich immer noch der Meinung, dass nur POSITIVE Kenntnis den Fristbeginn des § 48 VwVfG auslöst. Dass diese positive Kenntnis schon über ein Jahr lang gegeben war, dafür habe ich keine Anhaltspunkte. Inwieweist ein etwaiges "Kennenmüssen" der positiven Kenntnis bei § 48 VwVfG gleich stehen könnte, weiß ich nicht.

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  6. @ John Doe: Die sRSpr des BVerwG erfordert die positive und vollständige Kenntnis aller Tatsachen, die für die Entscheidung der Behörde über die Rücknahme relevant sind oder sein können. Ein Kennenmüssen genügt unter keinen Umständen. Selbst die positive Kenntnis einzelner Tatsachen ist nicht ausreichend. Die Frist beginnt erst mit Kenntnis aller relevanter Tatsachen.

    Maßgeblich ist weiter, dass diese Kenntnis bei der zuständigen Behörde, d.h. bei dem für diese Behörde handelnden und für die Rücknahme zuständigen Amtsträger vorliegt. Nicht ausreichend wäre es, wenn irgendjemand in der Behörde, der nicht für die Rücknahme konkret zuständig ist, die positive Kenntnis aller Tatsachen hätte (sRSpr BVerwG).

    Ziel der RSpr ist es, alle unzutreffenden VAe solange wie möglich zurück zu nehmen und dadurch den Zeitpunkt der positiven Kenntnis aller für die Rücknahme möglicherweise relevanten Tatsachen möglichst weit nach hinten zu schieben.

    Ich denke nicht, dass Frau Schavan eine Änderung der sRSpr herbeiführen wird...

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