Montag, 3. Dezember 2012

Alltag vor dem Amtsgericht


Das Amtsgericht verhandelt gegen drei Angeklagte; der Hauptangeklagte soll durch falschen Sachvortrag in einem Zivilprozess einen Prozessbetrug versucht haben, seine beiden Mitangeklagten sollen als Zeugen in eben diesem Prozess falsch ausgesagt haben.

Mein Mandant wird der Uneidlichen Falschaussage bezichtigt. Das Beweisthema, zu dem er im Zivilprozess ausgesagt hat, umfasst genau einen Satz und seine dies betreffende Aussage ist nachweislich richtig.  Die Anklageschrift bezieht sich dann auch auf völlig andere Äußerungen, die in keinerlei Zusammenhang zum Beweisthema stehen und erst auf richterlichen Vorhalt gemacht wurden.

Die Rechtslage ist tatsächlich mit dem Gesetz kaum zu lösen, wohl aber mit einem Blick in die Rechtsprechung des BGH: Aussage im Sinne des Gesetzes ist nur, was zum Beweisthema gehört. Eine uneidliche Falschaussage ist hier also nicht einmal im Ansatz erkennbar.

Da muss man sich fragen, wie zwei juristische Instanzen - die Staatsanwaltschaft bei der Anklageerhebung und das Gericht bei der Eröffnung des Hauptverfahrens - diese Rechtslage zum Nachteil des Angeklagten falsch einschätzen konnten. Meine Aufgabe als Verteidiger ist es, das Gericht auf seine Fehler hinzuweisen, und das habe ich in der mündlichen Verhandlung getan.

Die Reaktion von Gericht und Staatsanwaltschaft ist es, die einen Verteidiger an der Justiz zweifeln lässt:

Das Gericht mokiert sich, dass diese Erklärung zur Rechtslage doch wohl eher in das Plädoyer gehörte. Nein,  sage ich, das tut sie nicht,. Sie hätte eigentlich ins Vorverfahren gehört, und von der Staatsanwaltschaft geleistet werden müssen - Fehlanzeige. Spätestens das Gericht hätte sie aber im Zwischenverfahren leisten müssen - Fehlanzeige. Dann auch noch die Verteidigung dafür zu rügen, dass sie auf seinem Mandanten nachteilhafte Fehler der Justiz hinweist, ist einfach nur dreist.

Die Vertretung der Staatsanwaltschaft hat übrigens nur still dabei gesessen. Später hat sie dann darum gebeten, doch auch einmal die Verfahrensakte sehen zu dürfen - die kannte sie nämlich noch gar nicht. Das hatte bis dato allerdings nicht daran gehindert, einen haltlosen Vorwurf zu vertreten. Irgendeine Form von Problem- oder gar Unrechtsbewusstsein sucht man auch hier vergebens.

Wenn man so etwas in weniger bedeutsamen Verfahren häufiger erlebt, dann wundern einen die Vorkommnisse in Verfahren wie dem gegen den allgegenwärtigen Gustl Mollath etwas weniger.

4 Kommentare:

  1. Sämtliche Kommentare beleidigenden Inhalts habe ich beseitigt und der Gerechtigkeit halber gleich alle Kommentare gelöscht.

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  2. Was ist denn jetzt mit der Fundstelle aus Schönke/Schröder?

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  3. Ist der Nachweis sachlicher Fehler in Ihrem Blogbeitrag wirklich gleich eine "Beleidigung"??

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  4. Was sollte ein richterlicher Vorhalt oder eine andere konkrete Frage an einen präsenten Zeugen bitte sonst sein als eine konkludente Erweiterung des Vernehmungsgegenstandes? Wohl kaum eine Aufforderung zum "angstfreien Drüberreden". Bei einem präsenten Beweismittel ist die Anordnung der Beweiserhebung (und damit auch die Neubestimmung ihres Gegenstandes) jederzeit formlos zulässig, § 358 ZPO e contrario.

    Der oben angedeutete Blick in den Schönke/Schröder (vor 153 Rn. 15) offenbart dann auch sinngemäß und völlig "überraschend": Antworten auf Fragen des Gerichts sind stets vom Vernehmungsgegenstand umfasst.

    Fazit: Der einzige der hier (zumindest im Ergebnis) den Durchblick hatte ist der Sachbearbeiter bei der Staatsanwaltschaft, der völlig zu Recht angeklagt hat. Wie so oft löst sich der insinuierte Justizskandal bei näherer Betrachtung komplett in heiße Luft auf. Unzutreffende Rechtsbehauptung garniert mit völlig überzogener und an der Sache vorbeigehender Rhetorik zum desolaten Zustand des Rechtsstaats. Auch dieser Beitrag verdient daher ohne Einschränkung das Prädikat: "Echter Nebgen".

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