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Freitag, 4. November 2011

Die Schlipse des Gerichts sind lang...

... und deshalb tritt man leicht darauf.

So zumindest hat es den Anschein, wenn man den Streit um die Blogbeiträge der Kollegin Jakobs so verfolgt. Sie selbst berichtet hier, Kollege Vetter kommentiert in gewohnter Qualität hier. (Wie schafft der bloß diesen Output?)

"Der getroffene Hund bellt", würde man wohl mancherorts zu dem Verhalten des OLG-Präsidenten sagen. Dass Richter und Staatsanwälte sich in Ihrer Ehre ganz besonders schnell angegriffen fühlen, konnte ich auch schon beobachten. Dass sie in eingebildeter Notwehr zu den ihnen kraft Amtes zur Verfügung stehenden Mitteln greifen, ist auch nicht neu. An dieser Stelle ein besonderer Gruß an den lieben Kollegen und Blogger, der für seine anonymisierten Meinungsäußerungen vom örtlichen Amtsgericht einen Strafbefehl wegen Beleidigung zugestellt bekommen hatte.

Dass ein Richter aber den Umweg über die Berufsaufsicht der Rechtsanwälte geht, um de facto anwaltliche Berufsausübung einzuschränken, hat schon mehr als nur Geschmäckle. Auf so eine Idee muss man erst einmal kommen.

Es bleibt zu hoffen, dass die zuständige Rechtsanwaltskammer die richtigen Worte findet.

Samstag, 16. Juli 2011

Da haben sie nur gelacht

Das Landgericht Nürnberg hat einen Strafverteidiger zu einem Jahr Freiheitsstrafe (ohne Bewährung!) verurteilt; der Verteidiger soll seinem Mandanten geraten haben, einen Mitbeschuldigten zu Unrecht zu belasten. Kollege Hoenig berichtet dankenswerterweise hier, der auch dort verlinkte Artikel der Nürnberger Zeitung findet sich hier.

Wirklich lesenswert sind auch die Kommentare zum Bericht des Kollegen Hoenig.

Mich erinnert das an eine Hausarbeit im Strafprozessrecht, die ich im fortgeschrittenen Studienalter geschrieben habe: Die Aufgabenstellung lautete: "Dürfen Strafverteidiger lügen?" Da ich zeitgleich Praktikant bei einer Großen Strafkammer des Landgerichts war, habe ich natürlich auch die Berufsrichter an der Kammer mit dieser pikanten Fragestellung konfrontiert.

Die Antwort habe ich noch heute fast wörtlich im Kopf. Die Beisitzende Richterin guckte mich etwas verstört an und sagte: "Was ist das denn für eine Frage? Natürlich dürfen Verteidiger lügen, das ist doch ihr Job!"

Der weise alte Vorsitzende Richter hat nur gelacht.

Mittwoch, 1. Juni 2011

Herzlich willkommen im richtigen Leben!

Das Landgericht Mannheim hat zum Urteil im Prozess gegen Jörg Kachelmann eine bemerkenswerte Presseerklärung abgegeben. Lässt diese Erklärung doch bisher nur zu vermutende Einblicke in das Innenleben der beteiligten Richter zu. Und diese Einblicke in die offenbar gequälte Richterseele bestätigen schlimmste Befürchtungen.

Zum Inhalt dieser Erklärung des Gerichts gibt es bereits mehrere Kommentare, z. B. bezüglich der darin enthaltenen Medien- und Internetschelte und bezüglich des in der Tat befremdlichen Umstands, dass das Gericht jede Form der Selbstkritik an Gericht oder auch Staatsanwaltschaft vermissen lässt.

Persönlich finde ich am bemerkenswertesten, dass man - zusätzlich zur Urteilsbegründung - überhaupt noch eine weitere Erklärung für nötig hielt. Augenscheinlich leiden die Richter unter dem Eindruck dieser von ihnen selbst zu verantwortenden Verhandlung so sehr, dass der Rechtfertigungsdrang nicht mehr zu bremsen war.

Dabei scheinen zumindest einige der beteiligten Richter in diesem Prozess erstmals bemerkt zu haben, dass es eine Öffentlichkeit gibt, die ihnen zuguckt. Wie anders wäre sonst zu erklären, dass man nachträglich noch Grundprinzipien der Prozessordnung erklärt oder sich thematisch an den "Grenzen der Meinungsfreiheit" versucht. Internet, Klatschpresse, Blogs, Kommentare - das alles scheint dem Gericht zum ersten Mal begegnet zu sein. Schöne heile Richterwelt!

Geradezu bezeichnend ist es da, dass gerade dieses Gericht zwischenzeitlich auch noch einen dpa-Journalisten festnehmen ließ, der zufällig unter dem Zimmer des Beratungszimmers stand. Die Erfahrung, dass ihnen jemand zugucken könnte, scheint Richtern nicht nur neu zu sein, er scheint ihnen auch überhaupt nicht zu gefallen.

Der Umstand, dass da draußen noch eine Welt ist, schlägt dem Elfenbeinturmbewohner schon genug aufs Gemüt - aber wenn diese Welt dann auch noch zum Fenster hereinguckt, ist das wirklich zu viel.

Und weil man die Öffentlichkeit nicht festnehmen lassen kann, hilft gegen Meinungsfreiheit nur noch eine Presseerklärung, in der erstmal so richtig abgejammert wird.

Herzlich willkommen im Leben!

Montag, 4. April 2011

Gerne hätte ich Sie verurteilt, nur ging es leider nicht

Strafgericht, Urteilsverkündung. Die Beweisaufnahme hat den Anklagevorwurf zumindest nicht eindeutig bestätigt, aus Sicht der Verteidigung vielleicht sogar eindeutig widerlegt. Das Gericht tut, was es in Deutschland nur sehr selten tut: Es spricht frei. Dann begründet es sein Urteil.

Und da geht es plötzlich mit dem Vorsitzenden Richter durch. Gerne hätte er den Angeklagten verurteilt, sagt er, nur hätte die Beweislage dafür leider nicht gereicht. Zuletzt dem Vernehmen nach wieder passiert und mit großem öffentlichen Interesse begleitet vor dem LG Augsburg, in Sachen des Kollegen Lucas, von Spiegel online berichtet und entsprechend aufgegriffen insbesondere vom Kollegen Burhoff.

Dafür, dass nur etwa drei Prozent aller Strafverfahren in Deutschland mit einem Freispruch enden, dürfte jeder Strafverteidiger so einen Ausspruch schon erstaunlich oft gehört haben. Aber warum eigentlich? Denn schon Kollege Burhoff bemerkt treffend: Ein Freispruch ist ein Freispruch. Punkt. Das Gericht spricht frei, weil die Hauptverhandlung eine andere Überzeugungsbildung nicht zugelassen hat.

Wie kann es Richter hierüber ernsthaft Bedauern äußern? Ein Richter, der bedauert, dass er sich ans Gesetz halten muss! Ein Richter, der unumwunden zugibt, dass er den Angeklagten gerne verurteilt hätte, aus rein persönlichen Gründen - denn sachliche Gründe können es ja nicht gewesen sein, die hätten ja zur Verurteilung geführt. Solch ein Richter gesteht nachträglich seine Befangenheit ein. Jetzt ist es ja egal, es ist ja vorbei.

Wer so denkt, ist nicht nur ein Menschenfeind, er unterliegt auch einem erschreckenden Missverständnis: Er denkt nämlich offenbar, es wäre Aufgabe eines Richters, möglichst viele Menschen zu verurteilen. Das ist aber nicht die Aufgabe eines Richters. Ein Richter soll unbefangen urteilen, und nicht nach einem Ergebnis schielen.

Schon gar nicht nach einem Ergebnis, dass dem Angeklagten ungünstig ist.


Freitag, 10. Dezember 2010

Geschrei vor Gericht

Wenn man der BILD-Zeitung glauben darf, dann war vor der Großen Strafkammer des Landgerichts Mannheim heute mächtig was los. Richter, Staatsanwalt und Rechtsanwalt hätten sich über eine erhebliche Zeit nur angeschrien. Wenn auch die BILD-Zeitung in ihrer Online-Ausgabe die Schreidauer im Laufe des Tages von 30 auf nur 20 Minuten nach unten korrigiert hat - es scheint eine temperamentvolle Veranstaltung gewesen zu sein.

Was sagt man dazu? Muss man da empört sein? Denn Schreien, dass gehört sich ja eigentlich nicht, schon gar nicht in so einem hohen Hause wie dem Gericht. Aber muss man nicht vielleicht manchmal schreien, um der Gerechtigkeit Gehör zu verschaffen, wenn der Chor der Blöden allzu laut singt?

Ich finde die Antwort ergibt sich aus dem Rollenverständnis der einzelnen Prozessbeteiligten recht eindeutig:

Ein Richter darf niemals schreien. Ein Richter verkörpert die Würde des Gerichts; er hat die Prozessleitung; er übt die Macht über die anderen Prozessbeteiligten aus. Da muss man nicht auch noch schreien, je mehr noch: Es verbietet sich. Das bedeutet im Fall Kachelmann also einen dicken Minuspunkt für das Gericht.

Als Staatsanwalt ist man ebenso der Objektivität und Neutralität verpflichtet wie das Gericht, wenn auch einige Staatsanwälte das anders sehen. Der Staatsanwaltschaft mangelt es gegenüber dem Gericht lediglich an Machtfülle. Aufgrund der verlangten Objektivität ist Geschrei hier ebenso fehl am Platze wie beim Gericht, wegen der mangelnden Machtfülle mag es menschlich hier und da verständlich sein. Der Staatsanwalt im Fall Kachelmann scheint derzeit allerdings keinerlei Grund zum Schreien zu haben, denn das Gericht macht ja praktisch alles, was er verlangt. Minuspunkt also auch hier.

Der einzige, der im Prozess manchmal schreien darf, ab und zu schreien sollte und in einigen Fällen sogar schreien muss, ist der Verteidiger. Denn der Verteidiger hat weder die Macht des Gerichts, noch zwingt ihn die Objektivität in ein Korsett wie die Staatsanwaltschaft. Der Verteidiger muss die Interessen seines Mandanten verteidigen, mit allen erlaubten Mitteln.

Davon wird Geschrei nicht schöner, aber schön gewinnt auch keinen Prozess. Manchmal geht es eben nicht anders. Dann nämlich, wenn Gericht oder Staatsanwaltschaft ihrer gesetzlichen Aufgabe nicht hinreichend nachkommen oder gar zum Nachteil des Angeklagten das Gesetz verletzen. Dann hilft Schreien zwar auch nicht immer, aber es ist mitunter das Letzte, was dem Verteidiger in seiner Position noch bleibt.

In der Hoffnung, dass sein Schreien verstanden wird. Die BILD-Zeitung allerdings scheint von diesem Verständnis meilenweit entfernt zu sein.


Mittwoch, 24. November 2010

Nicht tot, aber taub

Es gibt sehr viele hübsche Erzählungen über die verzweifelten Versuche von Mandanten oder Kollegen, bestimmte Behörden telefonisch zu erreichen. Die schönste aber stammt von einem Kollegen, der folgendes berichtet:

Er habe in einer gerichtlichen Angelegenheit eine Mitteilung der Geschäftsstelle erhalten. Auf dieser Mitteilung habe sich - wie üblich - neben der Behördennummer eine Durchwahl befunden. Diese Durchwahl sei durchgestrichen und handschriftlich durch eine andere Durchwahl ersetzt worden.

Also habe er auf der angegebenen Durchwahl versucht, die Sachbearbeiterin zu erreichen. Mehrmals am Tag, zu allen erdenklichen Tageszeiten, etwa zwei Wochen lang - ohne Erfolg. Aus Verzweiflung habe er dann irgendwann nicht die angegebene Durchwahl, sondern die ursprüngliche, durchgestrichene Durchwahl angerufen und dort einen - wenn auch unzuständigen - Mitarbeiter erreicht.

Erleichtert, wenn auch etwas in Rage, habe er sich bei dem Gesprächspartner nach der zuständigen Sachbearbeiterin erkundigt und etwas sarkastisch nachgefragt, ob diese vielleicht tot sei. "Nein", habe der Gesprächsteilnehmer daraufhin geantwortet, tot sei die Dame nicht, aber sie sei auf beiden Ohren taub.

Und die Moral von der Geschichte: Es ist beruhigend, dass die Gerichte offenbar schwerbehindertenrechtlich Ihre Quoten erfüllen - aber eingehende Anrufe auf den Apparat einer tauben Mitarbeiterin umzuleiten, ist etwa so, als würde man den Telefonapparat in die Abstellkammer stellen und die Tür verriegeln.