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Freitag, 10. Dezember 2010

Geschrei vor Gericht

Wenn man der BILD-Zeitung glauben darf, dann war vor der Großen Strafkammer des Landgerichts Mannheim heute mächtig was los. Richter, Staatsanwalt und Rechtsanwalt hätten sich über eine erhebliche Zeit nur angeschrien. Wenn auch die BILD-Zeitung in ihrer Online-Ausgabe die Schreidauer im Laufe des Tages von 30 auf nur 20 Minuten nach unten korrigiert hat - es scheint eine temperamentvolle Veranstaltung gewesen zu sein.

Was sagt man dazu? Muss man da empört sein? Denn Schreien, dass gehört sich ja eigentlich nicht, schon gar nicht in so einem hohen Hause wie dem Gericht. Aber muss man nicht vielleicht manchmal schreien, um der Gerechtigkeit Gehör zu verschaffen, wenn der Chor der Blöden allzu laut singt?

Ich finde die Antwort ergibt sich aus dem Rollenverständnis der einzelnen Prozessbeteiligten recht eindeutig:

Ein Richter darf niemals schreien. Ein Richter verkörpert die Würde des Gerichts; er hat die Prozessleitung; er übt die Macht über die anderen Prozessbeteiligten aus. Da muss man nicht auch noch schreien, je mehr noch: Es verbietet sich. Das bedeutet im Fall Kachelmann also einen dicken Minuspunkt für das Gericht.

Als Staatsanwalt ist man ebenso der Objektivität und Neutralität verpflichtet wie das Gericht, wenn auch einige Staatsanwälte das anders sehen. Der Staatsanwaltschaft mangelt es gegenüber dem Gericht lediglich an Machtfülle. Aufgrund der verlangten Objektivität ist Geschrei hier ebenso fehl am Platze wie beim Gericht, wegen der mangelnden Machtfülle mag es menschlich hier und da verständlich sein. Der Staatsanwalt im Fall Kachelmann scheint derzeit allerdings keinerlei Grund zum Schreien zu haben, denn das Gericht macht ja praktisch alles, was er verlangt. Minuspunkt also auch hier.

Der einzige, der im Prozess manchmal schreien darf, ab und zu schreien sollte und in einigen Fällen sogar schreien muss, ist der Verteidiger. Denn der Verteidiger hat weder die Macht des Gerichts, noch zwingt ihn die Objektivität in ein Korsett wie die Staatsanwaltschaft. Der Verteidiger muss die Interessen seines Mandanten verteidigen, mit allen erlaubten Mitteln.

Davon wird Geschrei nicht schöner, aber schön gewinnt auch keinen Prozess. Manchmal geht es eben nicht anders. Dann nämlich, wenn Gericht oder Staatsanwaltschaft ihrer gesetzlichen Aufgabe nicht hinreichend nachkommen oder gar zum Nachteil des Angeklagten das Gesetz verletzen. Dann hilft Schreien zwar auch nicht immer, aber es ist mitunter das Letzte, was dem Verteidiger in seiner Position noch bleibt.

In der Hoffnung, dass sein Schreien verstanden wird. Die BILD-Zeitung allerdings scheint von diesem Verständnis meilenweit entfernt zu sein.


Montag, 31. Mai 2010

Verteidigung zweiter Klasse, zweiter Teil

Über einige meiner Erfahrungen mit Bestellungen zum Pflichtverteidiger hatte ich hier und hier berichtet. Ein Kollege weist in seinem Kommentar zum ersteren Beitrag darauf hin, dass die Pflichtverteidigervergütung unter der Wahlverteidigervergütung liegt. Da hat er Recht.

Gerade deshalb wird man aber feststellen müssen, dass Pflichtverteidigung Verteidigung zweiter Klasse ist. Damit wir uns auch ja nicht missverstehen: Ein Verteidiger, der eine Pflichtverteidigung übernimmt, ist deswegen kein schlechterer Verteidiger. Aber auch ein Verteidiger muss wirtschaftlich kalkulieren. Und die Rechnung ist relativ simpel:

Für das Vorverfahren bei späterer Zuständigkeit des Amtsgerichts bekommt der Pflichtverteidiger EUR 264,00 zzgl. Auslagen und Umsatzsteuer. Die Berufsorganisationen gehen derzeit davon aus, dass ein Rechtsanwalt einen Stundensatz von mindestens EUR 150,00 ansetzten muss, um rentabel zu arbeiten. Das bedeutet eineinhalb Stunden Tätigkeit im Vorverfahren, danach ist bei wirtschaftlicher Betrachtung Schluss.

Eine Pflichtverteidigung rentiert sich für den Verteidiger erst ab etwa dem dritten Verhandlungstag vor Gericht.

Bedenkt man, dass die Weichen für das spätere Verfahren aber gerade im Vorverfahren gestellt werden, müsste der Verteidiger gerade im Vorverfahren besonders viel tun - und zwar mit dem Ziel, eine Hauptverhandlung nach Möglichkeit zu verhindern. Und damit seine Haupteinnahmequelle zu zerstören. Hierin besteht ein nicht zu überbrückender Gegensatz zwischen dem Interesse des Mandanten und dem Interesse des Rechtsanwalts.

Die Strafverteidigerorganisationen haben den Strafverteidigern einen Bärendienst erwiesen, indem sie immer wieder öffentlich verbreitet haben, Pflichtverteidigung wäre keine Verteidigung zweiter Klasse. Das mag ein frommer Wunsch sein, ignoriert aber die tatsächlichen Gegebenheiten. Pflichtverteidigung IST Verteidigung zweiter Klasse, und zwar kraft Gesetzes.