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Donnerstag, 14. Oktober 2010

Die Befangenheit und die Besorgnis

In Mannheim hat die Verteidigung sämtliche Berufsrichter (nicht hingegen die Schöffen!) der großen Strafkammer wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt. Ich kann dem Kollegen Vetter hier nur zustimmen: Wenn auch nur ein Teil dessen, was Gisela Friedrichsen aus der Verhandlung berichtet, zutreffen sollte, dann dürften diese Richter da eigentlich nicht mehr lange sitzen.

Allein mir fehlt der Glaube. Und zwar aus Erfahrung. Richter halten sich niemals für befangen und andere Richter halten Richter auch niemals für befangen. Das bei der Begründung dieses Diktums zumeist verwendete Argument dreht sich im Kreise und lautet eigentlich immer: Weil Richter Richter sind, sind sie auch nicht befangen, denn Richter sind nie befangen. Das hat man als Strafverteidiger einfach schon so oft gelesen, dass einem die Lust an der Tätigkeit vergehen kann.

Dabei geht es gar nicht darum, ob ein Richter befangen ist. Es geht darum, ob der Angeklagte die berechtigte Besorgnis haben darf, dass sein Richter befangen ist. Diese Besorgnis muss aus einem konkreten Umstand berechtigterweise herrühren, mehr nicht. Ob der Richter wirklich befangen ist, ist vollkommen egal.

Vor diesem Hintergrund ist die klassische dienstliche Äußerung abgelehnter Richter umso erschreckender: Sie lautet nämlich in der Regel: "Ich fühle mich nicht befangen." Es ist einfach nur erstaunlich wie viele Richter es einfach nie lernen und diesen Unfug immer wieder schreiben. Denn das eigene Gefühl ist nicht nur völlig unerheblich, es zeigt auch, dass die Richter, die so etwas schreiben, entweder das Gesetz nicht kennen oder tatsächlich befangen sind.

In Mannheim nun dürfte die bloßen Besorgnis der Befangenheit längst nicht mehr das Thema sein. Besorgnis zu erregen, dafür nämlich hätte der Umstand, dass eine Richterin offenbar mit der einzigen Belastungszeugin in einem Sportverein ist, locker genügt. Wenn sich die Verhandlung gestern wirklich so abgespielt haben sollte, wie berichtet wird, dann kann man kaum mehr Zweifel daran haben, dass die Berufsrichter tatsächlich befangen sind. Das wäre dann in der Tat Anlass zu weiterer Besorgnis.

Wie das für die Entscheidung über die Befangenheit zuständige Gericht - eine andere Strafkammer des Landgerichts - ausfallen wird, da bin ich allerdings etwas pessimistischer als der Kollege Vetter. Ich fürchte, man wird wieder mal selbst die deutlichsten Hinweise geflissentlich übersehen und die Kammer ihr Possenspiel weiter treiben lassen.

Bis der BGH dem Spuk dann in der Revision hoffentlich einen neuen Anfang bereitet.

Montag, 26. Juli 2010

Wer, wie, was - wieso, weshalb ...

Die Hamburger Morgenpost berichtete am Freitag über eine Verhandlung vor dem Amtsgericht. Angeklagt ist eine Hartz-IV-Empfängerin. Die soll der für sie zuständigen Sachbearbeiterin bei der Agentur für Arbeit (früher: Sozialamt) ihre Handtasche ins Gesicht geschlagen und sie dann mit Fäusten traktiert und getreten haben.

Zuvor hatte die Sachbearbeiterin der jetzt Angeklagten wohl zu erklären versucht, dass sie ihre Sozialleistung nicht sogleich und vor Ort in bar mitnehmen könnte, sondern auf die Überweisung durch das Amt warten müsste. Daraufhin sei die Angeklagte etwas nervös geworden und habe reagiert wie geschildert .

Wie die Morgenpost kolportiert, hatte der Vorsitzende Richter zu diesem Vorwurf vorrangig eine Frage an die Angeklagte; und damit hat der Richter gleich die dümmste Frage erwischt, die man überhaupt stellen kann. Die Frage lautete: "Warum haben sie das getan?"

Die Frage ist nicht nur kreuzdämlich, sondern im Grunde auch geeignet, die Besorgnis der Befangenheit zu begründen. Nicht, weil sie Täterschaft unterstellt, das geht schon in Ordnung - sondern weil ihr offenbar die Überzeugung des Richters zugrunde liegt, jeder Angeklagte müsste die Ursachen seines Handelns kennen und auch erklären können. Diese Annahme ist derart weltfremd und fern liegend, dass man von einem solchen Richter ein unparteiisches Urteil kaum mehr erwarten kann.

Es geschieht immer wieder, dass Richter von "ihren" Angeklagten geradezu verlangen , sie mögen haarklein schildern , welche inneren Gefühlsregungen sie zur Tat getrieben hätten. Dabei weiß jedes Kind, dass kaum ein Mensch schon banalste Handlungen im nachhinein nicht selbst zu erklären vermag. Manch einer bemüht jahrelang einen Psychologen, um sich seiner eigenen Motive klar zu werden. Viele Richter und Staatsanwälte scheinen gleichwohl nach wie vor einer Denkweise verhaftet, wie sie früher in eindimensionalen Krimiserien wie "Derrick" vorherrschte, wo jeder Mord entweder aus Eifersucht begangen wurde, oder um an das Erbe der Tante zu gelangen.

Vielleicht möchte der Richter in Wirklichkeit aber auch gar nichts aus der Lebenswelt seines "Kunden" hören, sondern einfach nur erreichen, dass der sich wie ein dummes Kind vorkommt, das verzweifelt nach der Antwort stammelt.

Siehe da: Es gibt nicht nur dumme Antworten. Es gibt auch dumme Fragen.




Freitag, 25. Juni 2010

Zivilrecht am Abgrund

Heute war ich vor dem Landgericht. In Zivilsachen.

Es ging um einen Verkehrsunfall aus dem Jahre 2002 (!), bei dem der Kläger angeblich derart schwer verletzt wurde, dass er seinen Beruf als Fachverkäufer nicht mehr soll ausüben können. Der psychiatrische Sachverständige spricht eher von chronischer Vermeidungshaltung. Na ja.

Der Kläger hatte im Jahre 2004 zunächst auf Feststellung geklagt, seinen Antrag im Jahre 2007 um einen bezifferten Leistungsantrag ergänzt und hinsichtlich des Leistungsantrags PKH beantragt. Begründet hat er diesen Leistungsantrag bis heute nicht.

Das hat das Landgericht Hamburg nicht gehindert, PKH zu gewähren. Als man den Irrtum bei Gericht bemerkt hat, war die Feststellungsantrag bereits in der Berufungsinstanz. Man hat dann den PKH-Antrag nebst Bewilligungsbeschluss einfach aus der laufenden Akte entfernt und damit eine neue Akte mit neuem Aktenzeichen angelegt. Sämtliche Stellungnahmen der Beklagten hierzu hat man der Einfachheit halber in der Ausgangsakte belassen und diese nach Rechtskraft des Feststellungsurteils abgelegt.

Das Landgericht verhandelt seit nunmehr drei Jahren einen Leistungsantrag, den der Kläger bis heute nicht einmal begründet hat. In diesem "Verfahren" hat das Landgericht heute den dritten Sachverständigen gehört - diesmal zur Frage der Wiedereingliederungsmöglichkeiten des Klägers auf dem Arbeitsmarkt. Meine Hinweise darauf, dass der Beklagte bereits im Jahre 2008 verstorben ist, wurden vom Gericht bisher ebenso hartäckig ignoriert wie den Umstand, dass kein Sachverständiger bisher irgendeine Behauptung des Klägers (sämtlich noch aus dem Feststellungsverfahren) bestätigt hätte. So verhandelt man jetzt im insgesamt siebten Jahr lustig vor sich hin.

Auf dem Gerichtsflur sagte mir die Vorsitzende Richterin dazu wörtlich: "Der Kläger soll mit einem Urteil ja auch zufrieden sein".

Zivilrecht, wohin gehst Du?

Mittwoch, 28. April 2010

Sitzordnung vor Gericht

Heute habe ich in der mündlichen Verhandlung vor dem Amtsgericht Hamburg-St.Georg einen Antrag zur Sitzordnung gestellt des Inhalts, dass das Gericht meinem Mandanten einen Platz neben mir - seinem Verteidiger - zuweisen möge. Das Gericht hat diesen Antrag mit der Begründung abgelehnt, dass der Richter die Verhandlungsleitung habe (!)

Mein Hinweis darauf, dass der Richter sich bei seiner Verhandlungsleitung wohl an das Gesetz halten müsse und das Gesetz dem Angeklagten zugestehe, in jeder Phase des Verfahrens das Gespräch mit seinem Verteidiger suchen zu können, fand ebensowenig Zustimmung wie mein Hinweis auf die insoweit einheitliche Rechtsprechung aller Obergerichte seit 1961.

Nach der Verhandlung sprach mich der Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft an, um mir mitzuteilen, dass er meinen Antrag für "unverhältnismäßig" halte. Ich solle doch auch bedenken, welche Auswirkungen ein solcher Antrag auf das Urteil gegen den Mandanten habe.

Dass er damit den Vorsitzenden Richter auch noch implizit der Rechtsbeugung bezichtigt, hat der Staatsanwalt nicht einmal gemerkt.

Dienstag, 27. April 2010

Was machen eigentlich Schöffen? oder: Geh doch wo Du wohnst

Geschätzt hundertster Verhandlungstag in einer Betäubungsmittelstrafsache. Der Vorsitzende Richter will die Beweisaufnahme endlich schließen und fragt routinemäßig seine Beisitzer, ob noch jemand eine Frage habe.

Es meldet sich eine Schöffin - Lehrerin von Beruf - die die gesamte Verhandlung über noch keinen Ton gesagt hatte. Sie wendet sich an den Angeklagten und fragt ihn:

"Sagen Sie mal, da wo Sie herkommen, wohnen da eigentlich auch anständige Menschen?"

Da freute sich die Verteidigung, und konnte schon mal für die nächsten hundert Verhandlungstage planen - mit einer neuen Schöffin .