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Freitag, 28. Januar 2011

Nichts zu beweisen

Zivilklage. Einer hat für den anderen etwas bezahlt, der andere hat es verbraucht. Der eine will von dem anderen den Kaufpreis erstattet haben, der andere zahlt nicht. Der eine verklagt den anderen, und jetzt stehen wir vor Gericht. Ich vertrete den einen.

Das ist eigentlich ein Selbstgänger, könnte man denken. Aufwendungsersatz aus Auftrag, § 670 BGB, notfalls - bei nicht nachweisbarem Auftrag - identischer Anspruch aus Geschäftsführung ohne Auftrag, § 683 BGB. Ganz einfach. Grundstudium, zweites Semester. Hätte ich solch einen Sachverhalt als Vertreter des Beklagten, ich könnte gar nicht so schnell gucken, wie das Gericht meinen Mandanten verurteilen würde.

Ganz anders allerdings, wenn ich den Kläger vertrete, der einfach nur sein Geld zurück möchte. Es kommt nämlich ein Hinweis des Gerichts: Wir hätten die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass mein Mandant der Gegenseite keine Schenkung gemacht hätte. Auf sowas kann man eigentlich nur kommen, wenn man sämtliche Grundprinzipien des Zivilprozessrechts nicht verstanden hat.

Warum ist so ein Richter nicht auch einmal zuständig und macht solchen Unfug, wenn mein Mandant in aussichtsloser Position ist? Warum sind die Doofen immer auf der Seite der anderen? Why does it always rain on me?

Montag, 20. Dezember 2010

Terminsdelirium

Ein Hamburger Amtsgericht terminiert eine Zivilsache und stellt mir die Ladung zu. Da ich am selben Tag bereits eine ganztägige Strafverhandlung vor dem Landgericht Hamburg habe, beantrage ich Verlegung. Eigentlich ist das eine einfache Sache, aber man kann sie unnötig verkomplizieren. Beispielsweise so:

Das Amtsgericht erlässt folgende Verfügung:

"Gemäß richterlicher Anordnung wird angefragt, ob schriftlich entschieden werden soll. Es wird auferlegt, evtl. weitere Terminskollisionen an Mittwochen im 1. Quartal 2011 mitzuteilen."

Die Anfrage lässt sich einfach beantworten: Mit Nein. Die weitere "Auflage" hingegen findet im Gesetz keine Stütze und entstammt wohl eher einer richterlichen Traumwelt, in der Richter gar nicht mehr zu arbeiten brauchen und endgültig ihre gesamte administrative Tätigkeit auf andere - z. B. Rechtsanwälte - abgewälzt haben.

Was bitte möchte das Gericht jetzt von mir hören? Alle Mittwoche, an denen ich bisher keinen Termin habe? Und dann irgendwann terminieren? Und in der Zwischenzeit darf ich mir sämtliche Mittwoche im ersten Quartal freihalten?

Liebe Leute, das kann wohl nicht Euer Ernst sein.


Montag, 10. Mai 2010

Vergleichsweise wenig weise Vergleiche

Es gibt Rechtsstreitigkeiten, die schreien nach Vergleichen, schreibt ein Kollege hier.

Das stimmt. Dazu gehören z. B. etwa 95 % aller Bauprozesse. Aber die schreien schon nach Vergleich - um im Bild zu bleiben - lange bevor sie rechtshängig werden.

Sind Rechtsstreitigkeiten aber einmal vor Gericht anhängig, bestimmt sich der Prozessstoff und das Petitum allein nach dem Willen der Parteien. Bei den so genannten "Naturalparteien" (vulgo: normalen Menschen ohne juristische Vorbildung) mag es noch angehen, dass der Richter aus gegebenem Anlass mal nachfragt, ob man sich nicht einigen könne.

Bei rechtsanwaltlich vertretenen Parteien hingegen sollte ein Richter annehmen, dass diese sich bei ihrem Antrag etwas gedacht haben und dies zumindest ansatzweise juristisch untermauert ist. Und wenn nicht, dann ist das nicht sein Problem.

Sein - des Richters - Problem ist vielmehr, dass er bei streitiger Verhandlung ein Urteil schreiben muss und ihn dass viel Zeit kostet. Wie viel einfacher ist es da doch, den Parteien einen Vergleich schmackhaft zu machen, und sei es durch Drohung mit einem empfindlichen Übel. Zu den Strategien vergleichswütiger Richter an anderer Stelle mehr.

Schon zum festen Erfahrungsschatz eines jeden Zivilrechtsanwaltes gehört, dass wer einen einmal geschlossenen Vergleich widerruft, den Prozess anschließend verliert - also vom arbeitsscheuen Richter für sein unangemessen kriegerisches Verhalten abgestraft wird. Das ist eine grobe Verkennung der eigenen Dienstpflichten, denn der Richter ist eben ein Richter, und kein Schlichter.

Freitag, 7. Mai 2010

Ich will meinen Krieg!

Kollegin Braun berichtet zu Recht von etwas, das ich als Degenerierung des Zivilprozesses beschreiben möchte. Schuld ist wie immer eine verzerrtes Bild von der Wirklichkeit beim Gesetzgeber.

Zivilprozess ist Streit. Wenn ich jemanden verklage, will ich mich streiten; einigen kann ich mich mit meinem Kontrahenten auch alleine, ohne Gericht, notfalls unter Zuhilfenahme eines oder mehrerer Anwälte. Frei nach dem frühen Protestsänger Müller-Westernhagen: "Ich will keinen Frieden, ich will meinen Streit - und diesmal will ich der Sieger sein".

Der Gesetzgeber, getrieben von wirren Vorstellungen und einer allgegenwärtigen Einsparungswut am falschen Ende, hat den Zivilprozess durch die ZPO-Reform 2001 endgültig zum Laberbasar erklärt. Jeder darf erstmal erzählen, was ihm auf der Seele brennt, und je nach Laune und Auslastung des Richters macht dieser dann nach zehn bis neunzig Minuten den Vorschlag, ob man sich nicht einfach auf die Hälfte der Klagforderung einigen wolle. Mag die Rechtslage auch noch so eindeutig sein - dieser Vorschlag kommt so sicher wie das Amen in der Kirche.

Was für ein Unfug! Wenn mein Mandant mit der Hälfte zufrieden wäre, hätte er die Hälfte eingeklagt! Und wenn mein Mandant die Hälfte hätte zahlen wollen, hätte er das bereits getan. Hat er aber nicht!

Freunde, Römer und Rechtsanwälte: Kehrt zurück zu einer Kultur des Streits. Wendet Euch ab von der ewigen Flauschiflausch-Verhandlerei und wieder hin zu einem ehrlichen Kampf Partei gegen Partei!