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Montag, 10. Oktober 2011

Chuck Norris schläft nicht

Eine Bußgeldsache aus dem Straßenverkehr vor dem Amtsgericht. Der Betroffene soll unter dem Einfluss von Betäubungsmitteln sein Auto gelenkt haben. Es gibt eine Blutprobe. Und wie so häufig ist streitig, unter welchen Umständen die Ermittlungsbehörden an diese Blutprobe gekommen sind.

Der Betroffene beteuert, niemals darüber aufgeklärt worden zu sein, dass er die Blutabnahme auch verweigern könne. Vielmehr habe man ihm vermittelt, dass keine Alternative bestünde. Von einem Richtervorbehalt habe er nichts gewusst oder gehört. Gleichwohl liegt die Blutprobe vor und es muss also geklärt werden, wie es dazu kam.

Zu diesem Zweck werden die eingesetzten Polizeibeamten gehört. Deren Auftritt ist eine Schau für sich. Der Beamte erscheint schlurfenden Schrittes, schlecht frisiert und ungekämmt in einem dreckigen T-Shirt mit dem Aufdruck "Chuck Norris schläft nicht - er wartet". Der Beamte lümmelt sich in den Zeugenstuhl und gibt widerwillig Auskunft. Auf Fragen der Verteidigung fragt er das Gericht, ob er sich das gefallen lassen müsse und statt zu antworten, referiert er minutenlang das, was er für die Rechtslage hält.

Ein Angeklagter hätte sich für dieses Verhalten bereits nach einer Minute eine heftige Standpauke anhören müssen; jeder von der Verteidigung benannte Zeuge hätte spätestens nach der ersten rotzigen Antwort die Androhung eines Ordnungsgeldes gefangen.

Nicht so, wenn der Zeuge Polizeibeamter ist. Denn der wird gebraucht; sonst wird das ja mit der Verurteilung nichts. Deswegen ist auch ziemlich egal, was der Zeuge eigentlich sagt. Dass seine Aussage inhaltlich ans Abwegige grenzt, hindert jedenfalls die Verurteilung nicht.

Da fragt man sich mitunter schon, wozu es Gesetzte eigentlich gibt, wenn nur eine Hälfte der Bevölkerung sich daran halten muss.


Freitag, 29. Oktober 2010

So hat er es doch gar nicht gemeint

Im Spiegel schreibt der geschätzte Kollege von Schirach hier über zwei aktuelle Verfahren, und er schreibt gut.

Er verknüpft in seinem Beitrag den fast gänzlich im Verborgenen laufenden Prozess gegen Verena Becker, der 33 Jahre zu spät vorgeworfen wird, anno 1977 den damaligen Generalbundesanwalt Siegfried Buback erschossen zu haben. Um diesen Prozess, an dessen Rändern sich offenbar ein sehr ungewöhnliches und wohl recht unwürdiges Scharmützel zwischen Nebenkläger und Staatsanwaltschaft abspielt, kümmern sich meiner Ansicht nach viel zu wenig Menschen. Auch Ferdinand von Schierach reißt ihn nur an, aber immerhin.

Dafür gibt er eine sehr ausgewogene Einschätzung des Verfahrens gegen Jörg Kachelmann ab, die sich zu lesen lohnt. Man fragt sich allerdings danach, woher der Kollege von Schirach sein profundes Aktenwissen hat, insbesondere über den Inhalt der diversen schriftlichen Gutachten. Aber er scheint es zu haben.

Und dass er von einer Situation "Aussage gegen Aussage" spricht, ist dem Sprachgebrauch geschuldet, auch wenn die "Aussage" des Angeklagten natürlich eigentlich gar keine Aussage ist, wie der Kollege Stadler hier anmerkt. Aber als Laie entlarvt er sich dadurch sicherlich nicht. Es geht ihm um die Wahrheit, und über die sagt er einen sehr schönen Satz: "Die Wahrheit des Verfahrens ist nur eine Theorie über die Wirklichkeit".

Und das hat er schön gesagt.