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Mittwoch, 21. Juli 2010

Der Zweifel im Abseits

In einem Kommentar zu einem früheren Beitrag schreibt eine anonym gebliebene Richterin (?), es gäbe eine "strafverteidigerspezifische deformation professionelle", dass Strafverteidiger davon ausgingen "bei Aussage gegen Aussage sei notwendig freizusprechen". Darüber lohnt es sich nachzudenken.

Im Zweifel für den Angeklagten, das ist so etwas wie die Abseitsregel der Strafprozessordnung. Sie soll eigentlich der verteidigenden Partei helfen, stiftet aber nichts als Verwirrung und begünstigt durch ihre Unklarheit den Angreifer / Ankläger.

So klar nämlich die Aussage, so unklar die Prämisse, unter der diese Aussage gelten soll. Der Richter hat den Angeklagten freizusprechen, wenn er aufgrund der Beweisaufnahme noch Zweifel an dessen Täterschaft hat. Hat ein Richter an der Täterschaft indes keine Zweifel, muss er verurteilen.

An der Stelle kommen Wille und Vorurteil ins Spiel: Der Entwicklung von Zweifeln lässt sich nämlich frühzeitig vorbeugen, indem man von vornherein von der Schuld oder Unschuld des Angeklagten überzeugt ist. Ließe man hier diesem Willen und Vorurteil freien Lauf, wäre das für einen Strafverteidiger allenfalls unklug, für den Strafrichter wäre es hingegen ein glatter Rechtsbruch. Denn § 261 zwingt den Richter zu "systematischem Zweifel".

Man sieht: Die Bedeutung des Zweifelssatzes für Verteidiger muss schon aus prozessualen Gründen eine andere sein, als sie es für Richter ist. Das, was die unbekannt gebliebene Kommentatorin aus dem Eingangssatz als "deformation professionelle" bezeichnet, spiegelt wohl eher die korrekte Interpretation guter Verteidigungstätigkeit wieder. Denn der Verteidiger muss von der Unschuld seines Mandanten nicht überzeugt sein, er muss nur auf eine entsprechende Überzeugung des Gerichts hinwirken.

Wenn es tatsächlich Richter geben sollte, die bereits diese ureigene Aufgabe der Verteidigung als "Deformation" bezeichnen, dann hätten diese Richter ihren Beruf auf dramatische Weise verfehlt.


Sonntag, 6. Juni 2010

Der Tor ohne Zweifel

Im Zweifel für den Angeklagten heißt es im Strafprozess. Und zur Fußball-WM: Im Zweifel kein Tor, wie man hier nachlesen kann.

Aber der Zweifel ist ein flüchtig Ding: Manch einer hat ihn nicht einmal, wenn er ihn haben müsste. Der Fußballschiedsrichter aus dem oben verlinkten Zitat z. B. müsste Zweifel an einem regelgerechten Tor immer dann haben, wenn der Ball mit einer bestimmten Geschwindigkeit auf die Linie knallt. Den Zweifel hat der Schiedsrichter tatsächlich aber praktisch nie, denn um die Gesetze der Physik wissen nur die wenigsten.

Ähnlich geht es auch dem Strafrichter: Je weniger Sachwissen er hat, desto weniger Grund zum Zweifel wird er auch. Wer z. B. kein psychologisches Fachwissen hat, dem wird auch nie ein Zweifel daran kommen, dass z. B. die Frau, die Kachelmann belastet hat, die Unwahrheit gesagt haben könnte.

Das wäre doch ein Grund, eine Fortbildungspflicht für Richter gesetzlich zu statuieren, und zwar eine Fortbildungspflicht nicht nur auf juristischem Gebiet ("Wie schreibe ich ein revisionssicheres Urteil?"), sondern insbesondere eine Fortbildungspflicht auf verwandten Fachgebieten wie Psychologie oder Psychiatrie. Dem steht aber etwas entgegen - nämlich die richterliche Unabhängigkeit.

Das ist in diesem Falle das Vorrecht des Richters, doof zu bleiben, deshalb keine Zweifel hegen zu müssen und unbeschwert verurteilen zu dürfen. Zu Lasten der Angeklagten.

Ein Tor, wer Böses dabei denkt!